Ob die Kinsele einen eigenen, als solchen erkennbaren Kirchenstuhl – sicher in der Dompfarrkirche Maria Himmelfahrt in Bozen gemeint! – besaßen, kann ich nicht bestätigen, in diese Richtung habe ich noch keine Untersuchungen angestrengt, es ist aber anzunehmen. Dass es Ähnliches in der Oberbozner Pfarrkirche, ebenfalls Maria Himmelfahrt geweiht, überhaupt gegeben hat oder wie regelmäßig in der an die Villa Kinsele angrenzenden kleine Kirche Maria Schnee damals Messen gelesen wurden, entzieht sich ebenfalls meinem Wissen.
Als 1779 Franz Sales Kinsele das Oberbozner Sommerfrischhaus aus der Konkursmasse des Andre Lanner ersteigerte, waren die barocken Deckenmalereien mit den mindestens neun, die Deckenbemalung dominierenden Heiligenmedaillons sehr wahrscheinlich schon vorhanden. Eine eventuell tief gelebte, für die Zeit typische Frömmigkeit dürfte spätestens zur Mitte des 19. Jahrhunderts in der Familie Kinsele merklich abgeschwächt worden sein. Ab 1830 verbreitete sich nämlich selbst im erzkatholischen Tirol mit seiner fast gänzlich agrarisch geprägten Bevölkerung der Liberalismus, wenn auch auf die zahlenmäßig überschaubaren Kreise des aufstrebenden Bürgertums und der weltlichen Intellektuellen beschränkt.
Nachdem die Kinsele aufgehört hatten, Kaufleute zu sein, verlegten sie ihre Aktivität auf akademische Berufe. Spätestens an den Universitäten, wo die männlichen Nachkommen hautpsächlich Recht, aber auch Medizin und Pharmazie studierten, kamen sie mit dieser dort vorherrschenden Geistesströmung intensiv in Kontakt.
Richard Kinsele erlebte das prägende Revolutionsjahr 1848 in der Reichshaupt- und Residenzstadt und folgte der “Ersten freiwillige akademischen Tiroler Schützenkompanie in Wien” des Adolf Pichler an die Südgrenze Tirols. Sein jüngerer Bruder Josef studierte im Kriegsjahr 1866 in Innsbruck, als ihn der Ruf der ad hoc zusammengestellten studentischen Scharfschützenkompanie ereilte, welche ebenfalls in Welschtirol operierte. Maximilian und sein Bruder Robert waren Mitglieder der schlagenden Verbindung Rhaetia in Innsbruck und bekannterweise kann man studentische Burschenschaften durchaus als die Wiegen des freiheitlichen, großdeutschen Denkens definieren. Ihr Cousin Anton schlussendlich war auch bei der Rhaetia und ein bekennender, politisch aktiver Deutschnationaler.
Der Liberalismus trug in Österreich nie so antiklerikale Züge wie die freisinnigen Geistesströmungen in Deutschland oder gar in Italien. Die angestrebte vollständige Religionsfreiheit hinsichtlich Glaubensrichtung und auch -Intensität brachte aber bei deren Anhängern in jedem Fall eine Abkehr von strenger, unreflektierter Frömmigkeit mit sich.
Deshalb wage ich folgende Vermutung zu äußern: Der Grund, warum wahrscheinlich um 1850 die barocken Deckenmalerein im Erdgeschoss durch einen weiß verputzen Zwischenboden vollständig verdeckt wurden, liegt m.E. nicht nur darin, dass man sich modebedingt von der barocken, farblich überschwänglichen Farbenpracht abkehrte. Ich mutmaße, die inzwischen freisinnig gewordenen Eigentümer waren auch der dominierenden Anwesenheit der vielen Heiligen überdrüssig.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
Ja, ein Ende der Arbeiten ist absehbar, der Zustand der Räumlichkeiten nähert sich dem der Bewohnbarkeit. Am deutlichsten wird es in den Küchen und Bädern ersichtlich, sei es in Wohnung Lori wie in der nach Robert benannten (zumindest vorläufig tragen die Wohnungen die Namen der drei letzten Kinselegeschwister Robert, Johanna und Lore).
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Aber auch dort, wo nur die Täfelungen montiert sind, kommt so langsam Wohnlichkeit auf. Und endlich haben wir auch wieder zwei vollständig funktionierende Haustüren. Wie immer gegen Ende, ist der tatsächliche Baufortschritt nicht so augenscheinlich. Die umfangreichen Elektrikerarbeiten – alle drei Wohnungen sollten möglichst selbständig mit Strom, Wärme, Wasser und Internet versorgt werden – sieht man nicht. Das Fehlen der Beleuchtungskörper fällt hingegen schon auf, aber diese sind inzwischen auch schon bestellt. Und die Außengestaltung werden wir ebenfalls zeitnahe angehen.
Sehnsuchtsgipfel Rittnerhorn
Category: Verschiedenes
geschrieben von Armin Kobler | 17. Februar 2024
Willst Du das Land Tirol mit einem Blick überschauen, so musst du das Rittner Horn besteigen. (Volksweisheit um 1900)
Sicherlich gab es schon – ziemlich wahrscheinlich berittene – Ausflüge der historischen Sommerfrischler auf das Rittner Horn, seit diese in Lengmoos oder dem entfernteren Oberbozen ihre Sommer verbrachten. Aber mit dem Beginn der touristischen Erschließung der Alpen im 19. Jahrhundert wurde das 2.260 m hohe Rittner Horn, das sich eigentlich auf dem Barbianer Gemeindegebiet befindet, immer öfter besucht. Zum einen, weil der Anstieg nicht steil ist und deshalb auch für bergunerfahrene Touristen bewältigbar, zum zweiten weil die dargebotene Rundsicht in alle Himmelsrichtungen ob ihrer Weite fürwahr beeindruckend ist.
Was Wunder, dass schon 1890 der Österrische Touristenclub am Gipfel ein Schutzhaus errichten ließ. Um das Rittner Horn und sein Umland noch attraktiver zu machen, wurde wenig später seine Erschließung mittels einer, dem technischen Stand von damals entsprechenden dampfbetriebener Zahnradbahn angedacht. Besonders die Pilatus- und Achenseebahn (beide 1889) sowie jene auf den Salzburger Schafberg (1893) dienten als Vorbilder.
Tatsächlich wurde die Bahn dann nur bis Klobenstein projektiert und gebaut, anfänglich war die Endstelle sogar in Oberbozen vorgesehen. Die Gründe dafür waren mehrere: zuerst sah man sich nicht drüber hinaus, 20 km Steilstrecke mit Dampf zu betreiben, später, als elektrisch betriebene Lokomotiven ohne Reichweitenbeschränkung zur Verfügung standen, konnte nicht die vollständige Finanzierung gewährleistet werden, besonders weil der anfänglich vorgesehene Saisonsbetrieb keine ausreichende Einnahmen in Aussicht stellte.
Trotzdem war auch das realisierte Bruchstück für die Entwicklung des Rittens bedeutsam. Wenn man sich nur bewusst vor Augen führt, welche Bautätigkeit in Oberbozen ab 1906 begonnen hat. Umwälzungen, welche aber nicht bei allen Gefallen gefunden haben, weswegen stellvertredend an Hans von Hoffensthal und sein “Abschied von Oberbozen” erinnert werden soll. Am Rittner Horn selbst, dem indirekten Auslöser dieser Entwicklungen, hat sich glücklicherweise relativ wenig getan.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
Hoffensthal, Hans von (1989). Abschied von Oberbozen. Bozen: Athesia.
Josef Kinsele, der Wiener
Category: Menschen
geschrieben von Armin Kobler | 17. Februar 2024
Sekretär der k. k. niederösterreichischen Finanz-Prokuratur
In Wien ist gestern Herr Dr. Josef Kinsele, Sekretär der k.k. niederösterreichischen Finanz-Prokuratur, ein gebürtiger Bozner nach längerem Leiden gestorben. Der Verstorbene hat hier seine Jugend zugebracht, trat aber nach vollendeten Studien bei der Finanzprokuratur in Wien in den Staatsdienst und kam seitdem nur selten in seine Vaterstadt, wo er übrigens in gutem Andenken stand und einen großen Freundeskreis besaß. (Bozner Zeitung vom 17.12.1892)
1845 geboren, war er der jüngste Kinsele der dritten Bozner Generation. Er studierte in Innsbruck Recht und nahm als Mitglied des akademischen Corps Athesia – ähnlich seinem ältesten Bruder Richard – an der Verteidigung der “welschen Confinien” teil. 1866 war wie 1848 die Südgrenze des Reichs bedroht und wiederum mobilisierten sich die für Idealismus und Patriotismus ohnehin empfänglichen Studenten in Freiwilligencorps.
Anlässlich der 40. Wiederkehr des Ereignisses wurde 1906 in drei Folgen genauestens an den Ablauf der Expedition erinnert. Detailreich werden die Bewegungen der studentischen Scharfschützenkompanie rekonstruiert und der Alltag deren Mitglieder in der blumigen Sprache der damaligen Zeit erzählt. Das Corps wurde zur Bewachung bestimmter Örtlichkeiten in Frontnähe eingesetzt und nur einmal gab es kurzen Feindkontakt. Der Ton des Berichtes ist, was nicht überrascht, durchwegs beschönigend gehalten, schwierig zu glauben, dass es nicht viel unangenehmeres anzumerken gab als: das Fleisch der ausgehungerten ungarischen Ochsen war zäh wie Sohlenleder, so dass man von der Menage eigentlich nur die tägliche Reissuppe als Frühstück genießen konnte, während zu Mittag Polenta oder Risotto als Lückenbüßer für ein Mittagessen den knurrenden Magen befriedigen musste.
In der Wiener Votivkirche heiratete Josef Kinsele 1878 Josefine Lenz, verwitwete Richter, welche die Tochter Clementine mitbrachte. Josefine Lenz war die Witwe des Franz Richter, seinens Zeichens Eigentümer des Grinziger Brauhauses. Die Ehe blieb kinderlos. Als Jurist brachte es Josef Kinsele auf der Karriereleiter bis zum Sekretär der Finanzprokuratur, der Titel Finanzrat blieb ihm knapp verwehrt.
In seinem 1884 verfasstem Testament, ist er voll des Lobes für seine Gattin, so u.a.: Meine Wünsche gehen dahin, daß es ihr auf ihrem ferneren Lebenswege so gut gehen möge, als sie mit ihrem gütigen, edelmütigen Herzen, ihrem liebenswürdigen Wesen verdient. Ich sage ihr Dank, tausendfältigen Dank für die Liebe und Zuneigung die sie mir stets gezeigt und werktätig bewiesen für die unzälbaren Beispiele eines unbegrenzten Vertrauens und einer unwandelbaren Sympathie und einer Treue und Beharrlichkeit, die nur der lautersten Tiefen einer echten Frauenseele entsteigen konnten. Noch unzälige herzliche Küsse sende ich ihr und bitte sie ein freundliches Gedenken dem Manne zu bewahren, der sie so unaussprechlich geliebt und der an ihrer Seite so unsäglich glücklich gelebt.
Warum dann diese, welche ihn fünfzehn Jahre überlebte, auf dem üppigen Grabstein (siehe oben) nicht die Geburts- und Sterbedaten einmeißeln ließ, entzieht sich meiner Kenntniss und lässt nur Vermutungen zu. Im Dezember 2023 wollten wir das Grab besuchen, doch wir mussten leider feststellen, durch die Freidhofsverwaltung bestätigt, dass die Ruhestätte inzwischen aufgelassen wurde.
Das uns vorliegende Testament des Dr. Josef Kinsele ist wie so oft, sofern sie von eher vermögenden Personen, die also was zu vererben hatten, ein interessantes Spiegelbild des geltenden Zeitgeschmackes. So scheinen als Maler der an die Bozner Geschwister zu vererbenden Gemäde die Namen Gottfried Seelos, Carl Munsch, Paul Schäffer, Ocker, und Kanzoni auf.
Für die Hausgeschichte der Villa Kinsele ist hingegen die folgende Anweisung sehr wichtig, jetzt wissen wir endlich, von wem sie sind: Die in meiner Verlassenschaft vorfindlichen Jagdtrophäen sollen zwischen meinen Brüdern Richard Kinsele und Franz Kinsele beziehungsweise deren Söhne Anton Kinsele und Max. Kinsele geteilt und, so lange sie andauern in den beiden derzeit Kinseléschen Häusern in Maria Schnee aufbewahrt werden. Sie sind auch danach dort geblieben.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
R, F. (1906, August 4). Gedenkblatt an den Feldzug 1866 in Welschtirol der “Innsbrucker freiw. akad. Scharfschützenkompanie”. In: Tiroler Volksblatt, pp. 1–3.
R, F. (1906, August 8). Gedenkblatt an den Feldzug 1866 in Welschtirol der “Innsbrucker freiw. akad. Scharfschützenkompanie”. In: Tiroler Volksblatt, pp. 1–2.
R, F. (1906, August 11). Gedenkblatt an den Feldzug 1866 in Welschtirol der “Innsbrucker freiw. akad. Scharfschützenkompanie”. In: Tiroler Volksblatt, pp. 1–2.