“Dazu als Ergänzung im weltlichen Sinne Hat fünftens man eine Loge inne.”
Ein Jahrhundert lang hatten die Bozner ihr Theater am Musterplatz, im Gebäudekomplex des 1759 entstandenen luxuriösen Gasthofes Kaiserkrone, bekannt auch als Palais Pock, nach dessen Erbauer. Ich zitiere Franco Laitempergher (1978):
“Dann ist die Hotelresidenz im Besitz von Stefan Landsmann, der sie 1804 während der Belagerung [falsch übersetzt, sollte Besetzung heißen] des Landes durch die bayrischen und französichen Truppen unter Napoleon um 23.500 Gulden verkauft u.z. an eine Gesellschaft mit 47 Mitgliedern, die zu den reichsten Familien der Stadt gehören; diese Gesellschaft hat die Absicht, im Garten des Hotels ein Theater zu bauen. Die Arbeiten am Theater (heute Upim) beginnen im Februar 1804 und sind im August 1805 abgeschlossen. Das Projekt des Theaters stammt von Andrea Caminada aus Rovereto, die Szene von Carlo Ederle, die Fresken von Domenico Zeni. Das Theater hat 800 Plätze. Es besteht aus einem Parkett, einer doppelten Reihe von Logen mit insgesamt 33 und einer Galerie. Die meisten Logen sind den Mitgliedern vorbehalten. Die Zentralloge gebührt den angesehenen Persönlichkeiten und der Merkantilmagistrat kauft eine Doppelloge um 1100 Gulden. Die Theatersaison wird im September 1805 mit der Oper «Pamela nubile» eröffnet.”
Hinsichtlich des Theaters mussten die Kinsele von fürwahr tiefster Glückseligkeit erfüllt gewesen sein. Schon in der Verlassenschaft des Franz Sales Kinsele 1812 wird eine Loge weitergegeben, Joseph und Aloys Kinsele erben von ihrem Vater jeweils “Die Hälfte aus der hiesigen Theater Actie und Loge oder 450 fl.” Aloys Kinsele hinterlässt widerum: “Eine einfache Loge im Stadttheater zu Bozen mit Nr. 28 bezeichnet.” und “Die Loge Nr. 6 im hiesigen Stadttheater, welche Herr Josef von Kinsele erbsweise übenahm.”
Bis zur letzten Kinselegeneration bleiben Familienmitglieder dem alten Theater verbunden; Anton Kinsele scheint als einer der verbliebenen Logenbesitzer auf, als das Theater in der Kaiserkrone 1904 aus Brandschutzgründen schließen muss. Franco Laitempergher (1978) weiter:
“1907 werden die 17 Logeninhaber entschädigt, unter denen der Bankier Sigismund Schwarz, Georg von Eyerl, Franz von Kofler, die Witwe des Architekten Bittner, von dem der Entwurf der Herz-Jesu-Kirche in der Rauschertorgasse stammt, Doktor Streiter, Anton Kinsele, Luise Zallinger von Walther, die Familie Thaler, Carli, Mumelter.” “1929 verkauft die Witwe von Lamberto Ressi, Gräfin Elvira Bonasi, die Räume des Theaters an die Gesellschaft «Cinema Centrale» und im südlichen Teil des Komplexes auf der Seite der Poststraße wird die «Rinascente» untergebracht.”
Damit erlischt aber nicht die Überzeugung der Kinsele für das Theater. Obwohl die Familie nur mehr einen Bruchteil des früheren Vermögens besitzt, scheint der Name Kinsele in der Liste der unterstützenden Familien auf, als für das neu im Bahnhofspark zu errichtende Stadttheater Geldmittel gesammelt werden. Dieses großzügig bemessene, der jüngeren Stadtentwicklung angemessene Gebäude wird von 1913 bis 1918 erbaut und leider schon 1943 durch die Bomben des zweiten Weltkrieges fast gänzlich zerstört. Nach 1945 wurden die Ruinen vollständig abgebrochen, heute errinnert nichts mehr an den von Max Littmann geplanten Theaterbau.
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Die Entdeckung der umfangreichen, teilweise perfekt konservierten Decken- und der weniger gut erhaltenen, aber trotzdem beeindruckenden Wandmalereien im Musikzimmer war wohl die sichtbarste Überraschung der Hausrenovierung.
Inzwischen können wir auch die Gestaltungen zeitlich ordnen: die barocken Deckenmalereien stammen aus der Frühphase des Gebäudes, die Wände waren weiß gekalkt. In einem zweiten Moment erhielten die Deckenbretter und -Balken am Übergang zu den Wänden dicke, ockerfarbenen Umrandungen, wie ich sie auch in anderen Oberbozner Häusern schon gesehen habe. Gegen 1850 dürften die weißen Pflafonds eingezogen worden sein, ab dann wurden die Wände im Wohnzimmer mit Hilfe von Schablonen mehrmals à la mode verschieden farbig gestaltet. 1898 bekamen dann die beiden Räume im Erdgeschoss jeweils ein Brust- und Vollgetäfel, die Schablonenmalerei verschwand hinter Holz unten und weißer Farbe oben. So fand meine Familie das Haus 1969 vor. Niemand wusste vom dem verborgenen Prunk.
Natürlich wollten wir die das Haus so charakterisierende barocke Pracht sichtbar lassen, aber auf die uns lieb gewordenen Holztäfelungen – wenn sie auch jüngerem Datums und vom Historismus inspiriert waren – nicht verzichten, bieten sie doch besonders bei ganzjähriger Bewohnung eine unübertroffene Behaglichkeit. Ein paar glückliche Umstände haben uns bei der Entscheidungsfindung sehr geholfen: im vorderen Wohnzimmer, genau dort, wo die Deckenmalereien am vollständigsten erhalten sind, war ein Brustgetäfel eingebaut, d.h. zwischen der sehr farbigen Decke und dem naturbelassenen Holz der Täfelung befinden sich ca. 80 cm weiße Wand, was das Nebeneinander dieser sehr verschiedenenen Gestaltungen ermöglicht.
Im hinteren Raum reicht die Täfelung hingegen bis an die Decke, da hätte diese Anordnung nicht funktioniert, die sehr unterschiedlichen Stile wären direkt aufeinander getroffen. Dort war aber die Hälfte der Deckenmalerei auch nicht mehr erhalten, da sie ein Opfer des Badeinbaus im Obergeschoss vor 50 Jahren wurde. Deshalb fiel es uns dort weniger schwer, nach längeren Überlegungen und im Einklang mit den denkmalpflergerischen Prinzipien, wieder einen weißen Plafond, als schlussendlich sauberste Lösung, einzuziehen. Das Bildwerk bleibt dabei natürlich unversehrt. Der Hl. Antonius wird halt nicht mehr direkt auf uns herabblicken; wer übrigens der zweite Heilige im Raum war, werden wir leider nie erfahren.
Im “Großen Zimmer”, so wurde in den Inventarlisten aus dem vorvorigen Jahrundert der westliche Raum im Obergeschoss genannt, haben wir ja Fragmente einer früher an jeder der vier Wände befindlichen Wandmalerei entdeckt. An der Decke sind zudem die Spuren von Stuckaturelementen ersichtlich. Dort, wo sich der am besten erhaltene Teil des Bildwerks befindet, wurde dieses schonend restauriert und – natürlich als solches sichtbar! – vervollständigt.
Die acht Bozner Seligkeiten (4)
Category: Menschen
geschrieben von Armin Kobler | 24. Februar 2024
am Beispiel der Familie Kinsele
“Sei viertens jedem ein Kirchenstuhl eigen.”
Ob die Kinsele einen eigenen, als solchen erkennbaren Kirchenstuhl – sicher in der Dompfarrkirche Maria Himmelfahrt in Bozen gemeint! – besaßen, kann ich nicht bestätigen, in diese Richtung habe ich noch keine Untersuchungen angestrengt, es ist aber anzunehmen. Dass es Ähnliches in der Oberbozner Pfarrkirche, ebenfalls Maria Himmelfahrt geweiht, überhaupt gegeben hat oder wie regelmäßig in der an die Villa Kinsele angrenzenden kleine Kirche Maria Schnee damals Messen gelesen wurden, entzieht sich ebenfalls meinem Wissen.
Als 1779 Franz Sales Kinsele das Oberbozner Sommerfrischhaus aus der Konkursmasse des Andre Lanner ersteigerte, waren die barocken Deckenmalereien mit den mindestens neun, die Deckenbemalung dominierenden Heiligenmedaillons sehr wahrscheinlich schon vorhanden. Eine eventuell tief gelebte, für die Zeit typische Frömmigkeit dürfte spätestens zur Mitte des 19. Jahrhunderts in der Familie Kinsele merklich abgeschwächt worden sein. Ab 1830 verbreitete sich nämlich selbst im erzkatholischen Tirol mit seiner fast gänzlich agrarisch geprägten Bevölkerung der Liberalismus, wenn auch auf die zahlenmäßig überschaubaren Kreise des aufstrebenden Bürgertums und der weltlichen Intellektuellen beschränkt.
Nachdem die Kinsele aufgehört hatten, Kaufleute zu sein, verlegten sie ihre Aktivität auf akademische Berufe. Spätestens an den Universitäten, wo die männlichen Nachkommen hautpsächlich Recht, aber auch Medizin und Pharmazie studierten, kamen sie mit dieser dort vorherrschenden Geistesströmung intensiv in Kontakt.
Richard Kinsele erlebte das prägende Revolutionsjahr 1848 in der Reichshaupt- und Residenzstadt und folgte der “Ersten freiwillige akademischen Tiroler Schützenkompanie in Wien” des Adolf Pichler an die Südgrenze Tirols. Sein jüngerer Bruder Josef studierte im Kriegsjahr 1866 in Innsbruck, als ihn der Ruf der ad hoc zusammengestellten studentischen Scharfschützenkompanie ereilte, welche ebenfalls in Welschtirol operierte. Maximilian und sein Bruder Robert waren Mitglieder der schlagenden Verbindung Rhaetia in Innsbruck und bekannterweise kann man studentische Burschenschaften durchaus als die Wiegen des freiheitlichen, großdeutschen Denkens definieren. Ihr Cousin Anton schlussendlich war auch bei der Rhaetia und ein bekennender, politisch aktiver Deutschnationaler.
Der Liberalismus trug in Österreich nie so antiklerikale Züge wie die freisinnigen Geistesströmungen in Deutschland oder gar in Italien. Die angestrebte vollständige Religionsfreiheit hinsichtlich Glaubensrichtung und auch -Intensität brachte aber bei deren Anhängern in jedem Fall eine Abkehr von strenger, unreflektierter Frömmigkeit mit sich.
Deshalb wage ich folgende Vermutung zu äußern: Der Grund, warum wahrscheinlich um 1850 die barocken Deckenmalerein im Erdgeschoss durch einen weiß verputzen Zwischenboden vollständig verdeckt wurden, liegt m.E. nicht nur darin, dass man sich modebedingt von der barocken, farblich überschwänglichen Farbenpracht abkehrte. Ich mutmaße, die inzwischen freisinnig gewordenen Eigentümer waren auch der dominierenden Anwesenheit der vielen Heiligen überdrüssig.
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Ja, ein Ende der Arbeiten ist absehbar, der Zustand der Räumlichkeiten nähert sich dem der Bewohnbarkeit. Am deutlichsten wird es in den Küchen und Bädern ersichtlich, sei es in Wohnung Lori wie in der nach Robert benannten (zumindest vorläufig tragen die Wohnungen die Namen der drei letzten Kinselegeschwister Robert, Johanna und Lore).
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Aber auch dort, wo nur die Täfelungen montiert sind, kommt so langsam Wohnlichkeit auf. Und endlich haben wir auch wieder zwei vollständig funktionierende Haustüren. Wie immer gegen Ende, ist der tatsächliche Baufortschritt nicht so augenscheinlich. Die umfangreichen Elektrikerarbeiten – alle drei Wohnungen sollten möglichst selbständig mit Strom, Wärme, Wasser und Internet versorgt werden – sieht man nicht. Das Fehlen der Beleuchtungskörper fällt hingegen schon auf, aber diese sind inzwischen auch schon bestellt. Und die Außengestaltung werden wir ebenfalls zeitnahe angehen.
Sehnsuchtsgipfel Rittnerhorn
Category: Verschiedenes
geschrieben von Armin Kobler | 24. Februar 2024
Willst Du das Land Tirol mit einem Blick überschauen, so musst du das Rittner Horn besteigen. (Volksweisheit um 1900)
Sicherlich gab es schon – ziemlich wahrscheinlich berittene – Ausflüge der historischen Sommerfrischler auf das Rittner Horn, seit diese in Lengmoos oder dem entfernteren Oberbozen ihre Sommer verbrachten. Aber mit dem Beginn der touristischen Erschließung der Alpen im 19. Jahrhundert wurde das 2.260 m hohe Rittner Horn, das sich eigentlich auf dem Barbianer Gemeindegebiet befindet, immer öfter besucht. Zum einen, weil der Anstieg nicht steil ist und deshalb auch für bergunerfahrene Touristen bewältigbar, zum zweiten weil die dargebotene Rundsicht in alle Himmelsrichtungen ob ihrer Weite fürwahr beeindruckend ist.
Was Wunder, dass schon 1890 der Österrische Touristenclub am Gipfel ein Schutzhaus errichten ließ. Um das Rittner Horn und sein Umland noch attraktiver zu machen, wurde wenig später seine Erschließung mittels einer, dem technischen Stand von damals entsprechenden dampfbetriebener Zahnradbahn angedacht. Besonders die Pilatus- und Achenseebahn (beide 1889) sowie jene auf den Salzburger Schafberg (1893) dienten als Vorbilder.
Tatsächlich wurde die Bahn dann nur bis Klobenstein projektiert und gebaut, anfänglich war die Endstelle sogar in Oberbozen vorgesehen. Die Gründe dafür waren mehrere: zuerst sah man sich nicht drüber hinaus, 20 km Steilstrecke mit Dampf zu betreiben, später, als elektrisch betriebene Lokomotiven ohne Reichweitenbeschränkung zur Verfügung standen, konnte nicht die vollständige Finanzierung gewährleistet werden, besonders weil der anfänglich vorgesehene Saisonsbetrieb keine ausreichende Einnahmen in Aussicht stellte.
Trotzdem war auch das realisierte Bruchstück für die Entwicklung des Rittens bedeutsam. Wenn man sich nur bewusst vor Augen führt, welche Bautätigkeit in Oberbozen ab 1906 begonnen hat. Umwälzungen, welche aber nicht bei allen Gefallen gefunden haben, weswegen stellvertredend an Hans von Hoffensthal und sein “Abschied von Oberbozen” erinnert werden soll. Am Rittner Horn selbst, dem indirekten Auslöser dieser Entwicklungen, hat sich glücklicherweise relativ wenig getan.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
Hoffensthal, Hans von (1989). Abschied von Oberbozen. Bozen: Athesia.
Josef Kinsele, der Wiener
Category: Menschen
geschrieben von Armin Kobler | 24. Februar 2024
Sekretär der k. k. niederösterreichischen Finanz-Prokuratur
In Wien ist gestern Herr Dr. Josef Kinsele, Sekretär der k.k. niederösterreichischen Finanz-Prokuratur, ein gebürtiger Bozner nach längerem Leiden gestorben. Der Verstorbene hat hier seine Jugend zugebracht, trat aber nach vollendeten Studien bei der Finanzprokuratur in Wien in den Staatsdienst und kam seitdem nur selten in seine Vaterstadt, wo er übrigens in gutem Andenken stand und einen großen Freundeskreis besaß. (Bozner Zeitung vom 17.12.1892)
1845 geboren, war er der jüngste Kinsele der dritten Bozner Generation. Er studierte in Innsbruck Recht und nahm als Mitglied des akademischen Corps Athesia – ähnlich seinem ältesten Bruder Richard – an der Verteidigung der “welschen Confinien” teil. 1866 war wie 1848 die Südgrenze des Reichs bedroht und wiederum mobilisierten sich die für Idealismus und Patriotismus ohnehin empfänglichen Studenten in Freiwilligencorps.
Anlässlich der 40. Wiederkehr des Ereignisses wurde 1906 in drei Folgen genauestens an den Ablauf der Expedition erinnert. Detailreich werden die Bewegungen der studentischen Scharfschützenkompanie rekonstruiert und der Alltag deren Mitglieder in der blumigen Sprache der damaligen Zeit erzählt. Das Corps wurde zur Bewachung bestimmter Örtlichkeiten in Frontnähe eingesetzt und nur einmal gab es kurzen Feindkontakt. Der Ton des Berichtes ist, was nicht überrascht, durchwegs beschönigend gehalten, schwierig zu glauben, dass es nicht viel unangenehmeres anzumerken gab als: das Fleisch der ausgehungerten ungarischen Ochsen war zäh wie Sohlenleder, so dass man von der Menage eigentlich nur die tägliche Reissuppe als Frühstück genießen konnte, während zu Mittag Polenta oder Risotto als Lückenbüßer für ein Mittagessen den knurrenden Magen befriedigen musste.
In der Wiener Votivkirche heiratete Josef Kinsele 1878 Josefine Lenz, verwitwete Richter, welche die Tochter Clementine mitbrachte. Josefine Lenz war die Witwe des Franz Richter, seinens Zeichens Eigentümer des Grinziger Brauhauses. Die Ehe blieb kinderlos. Als Jurist brachte es Josef Kinsele auf der Karriereleiter bis zum Sekretär der Finanzprokuratur, der Titel Finanzrat blieb ihm knapp verwehrt.
In seinem 1884 verfasstem Testament, ist er voll des Lobes für seine Gattin, so u.a.: Meine Wünsche gehen dahin, daß es ihr auf ihrem ferneren Lebenswege so gut gehen möge, als sie mit ihrem gütigen, edelmütigen Herzen, ihrem liebenswürdigen Wesen verdient. Ich sage ihr Dank, tausendfältigen Dank für die Liebe und Zuneigung die sie mir stets gezeigt und werktätig bewiesen für die unzälbaren Beispiele eines unbegrenzten Vertrauens und einer unwandelbaren Sympathie und einer Treue und Beharrlichkeit, die nur der lautersten Tiefen einer echten Frauenseele entsteigen konnten. Noch unzälige herzliche Küsse sende ich ihr und bitte sie ein freundliches Gedenken dem Manne zu bewahren, der sie so unaussprechlich geliebt und der an ihrer Seite so unsäglich glücklich gelebt.
Warum dann diese, welche ihn fünfzehn Jahre überlebte, auf dem üppigen Grabstein (siehe oben) nicht die Geburts- und Sterbedaten einmeißeln ließ, entzieht sich meiner Kenntniss und lässt nur Vermutungen zu. Im Dezember 2023 wollten wir das Grab besuchen, doch wir mussten leider feststellen, durch die Freidhofsverwaltung bestätigt, dass die Ruhestätte inzwischen aufgelassen wurde.
Das uns vorliegende Testament des Dr. Josef Kinsele ist wie so oft, sofern sie von eher vermögenden Personen, die also was zu vererben hatten, ein interessantes Spiegelbild des geltenden Zeitgeschmackes. So scheinen als Maler der an die Bozner Geschwister zu vererbenden Gemäde die Namen Gottfried Seelos, Carl Munsch, Paul Schäffer, Ocker, und Kanzoni auf.
Für die Hausgeschichte der Villa Kinsele ist hingegen die folgende Anweisung sehr wichtig, jetzt wissen wir endlich, von wem sie sind: Die in meiner Verlassenschaft vorfindlichen Jagdtrophäen sollen zwischen meinen Brüdern Richard Kinsele und Franz Kinsele beziehungsweise deren Söhne Anton Kinsele und Max. Kinsele geteilt und, so lange sie andauern in den beiden derzeit Kinseléschen Häusern in Maria Schnee aufbewahrt werden. Sie sind auch danach dort geblieben.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
R, F. (1906, August 4). Gedenkblatt an den Feldzug 1866 in Welschtirol der “Innsbrucker freiw. akad. Scharfschützenkompanie”. In: Tiroler Volksblatt, pp. 1–3.
R, F. (1906, August 8). Gedenkblatt an den Feldzug 1866 in Welschtirol der “Innsbrucker freiw. akad. Scharfschützenkompanie”. In: Tiroler Volksblatt, pp. 1–2.
R, F. (1906, August 11). Gedenkblatt an den Feldzug 1866 in Welschtirol der “Innsbrucker freiw. akad. Scharfschützenkompanie”. In: Tiroler Volksblatt, pp. 1–2.
Wie schon in früheren Beitragen über die Hausgeschichte angemerkt, sind wir bei den Renovierungsarbeiten auf verschiedene zeitliche Abschnitte gestoßen. Barock, Rokoko, Biedermaier und Historismus haben die Villa Kinsele im Wesentlichen geprägt. Wieviel ist wovon noch vorhanden und was und wieviel davon zeigen? Frau Marlies Tschisner, welche uns als Gebietsverantwortliche für Kunstgeschichte, profane und sakrale Bauten von seiten des Dekmalamtes unterstützt, hat bei einem Lokalaugenschein einmal den Bregriff “Fenster in die Vergangenheit” verwendet. Ich finde ihn sehr treffend.
In der Küche haben wir unter dem obligaten Linoleumboden der 70er Jahre und halb faulen Holzfaserplatten sowie Teerpappe einen unerwarteten Belag vorgefunden: Keramikfliesen der Firma Otto Kaufmann aus Niedersedlitz bei Dresden, hergestellt um 1900. Ein Teil der Umbauarbeiten, welche sehr wahrscheinlich vom damaligen Eigentümer Franz Kinsele und seiner Frau Aloisia von Rehorovsky (ich berichtete hier) ausgegangen sein dürften. Wie man sieht, war die Zeit, wo man fast ausschließlich vor Ort vorgefundene Baumaterialien verwendet hat, vorbei.
Zirka zwei Quadratmeter konnten ohne Beschädigung wiedergewonnen und gereinigt werden. Als kleines Zeitfenster zur vorletzten Jahrhundertwende haben wir damit eine kleine Ecke am Originalort, der ansonsten mit zeitgenössischen Möbeln und Geräten ausgestatteten Küche, gestaltet. Die mit der Lieferung und Verlegung der neuen Sandsteinböden beauftragte Firma südtirol.stein hat für einen einen überaus sauberen Übergang gesorgt.
Leider sind die so charakteristischen, noch dazu am Ritten gewonnenen Sandsteinplatten des Eingangsbereichs im ersten und zweiten Stock dem großen Umbau damals zum Opfer gefallen. Aus einem – aus heutiger Sicht! – Missverhältnis zwischen dem Wunsch nach Pflegeleichtigkeit und dem Respekt vor dem Gebautem wurden sie durch kleine gelbrote Klinker ersetzt.
Es war ein ausgesprochenes Glück, dass wir im Haus selbst noch über eine Quelle an diesem Material verfügten. Im Dachgeschoss waren nämlich zum Zwecke der Brandsperre Sandsteinplatten als Boden verbaut. Zudem musste der kleine Balkon an der Westseite erneuert werden, dort wurde der steinerne Belag durch passendes Lärchenholz ersetzt.
Die vorgefundene Menge an verwendbaren Platten erlaubte schlussendlich nur im Erdgeschoss die historische Verlegung im Rautenverband, im ersten Stock musste materialsparender, in rechtwinkligen Bahnen vorgegangen werden. Bis zuletzt fürchteten wir, mit dem vorhanden Material nicht auszukommen, aber die engagierten Mitarbeiter der Baufirma Schweigkofler haben gekonnt jede vorgefundene Größe an den richtigen Platz gesetzt.
Schon allein deshalb, weil eine Fußbodenheizung das alte Heizkörpersystem ersetzen wird, mussten alle Holzböden ausgebaut werden. Eine gute Gelegenheit, sie zu bürsten, zu reinigen, und so auszugleichen, dass die abgwohnten Oberflächen wieder möglichst flach werden. Auch dieses Mal machte sich die Expertise von Walter Alber in der Werkstatt und an der Baustelle bezahlt.
Wir hatten das Glück, dass dort wo Teppichböden für modernen Wohnkomfort sorgen sollten, diese auf Sperrholzplatten geklebt wurden, welche wiederum leicht und ohne Schäden für den Unterbau entfernt werden konnten. Die verwendeten Holzarten waren Fichten und Föhre, beides Holzarten, welche am Ritten verbreitet sind.
Die Böden wurden auf den die Heizschlangen führenden Ausgleichsboden geklebt. Die Weitergabe der Wärme an die Umgebung braucht gegenüber einen Steinboden zwar etwas länger, die heutigen automatisierten Regelsysteme können damit aber gut umgehen.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
Alle Fotos, sofern nicht anders angemerkt, sind vom Blogautor.
Die acht Bozner Seligkeiten (3)
Category: Oberbozner Sommerfrische
geschrieben von Armin Kobler | 24. Februar 2024
am Beispiel der Familie Kinsele
“Ganz unerläßlich ist zum dritten Ein Sommerfrischhaus am luftigen Ritten Und damit verbunden das Recht zum Tragen Des weißen Mantels mit rotem Kragen.”
Jedem, der eine der Veranstaltungen der Oberbozner Schützengesellschaft besucht hat oder bei einem der dortigen Kirchtage zugegen war, dürften die Oberbozner Mäntel aufgefallen sein. Doch lassen wir den ehemaligen Oberschützenmeister Carl von Braitenberg in “Tiroler Schützenscheiben – der Oberbozner Schießstand” (1979, S. 33) zu Wort kommen:
“Bei einem dieser Ausflüge zu Pferd war es wohl […], daß ihre an kleidsamer Tracht geübten Augen an den weißen, rotverbrämten Wollmäntein Gefallen fanden, mit denen sich die Hirten auf der Alm seit jeher gegen Unwetter und Kälte zu schützen gewohnt waren. Solche radförmige Mäntel aus weißer Schafwolle, mit rotem Rande, die so kleidsam um die Schultern geschlungen werden konnten, müßten auch ihren Männern und Brüdern gut anstehen, allerdings dürften sie für schmale städtische Schultern nicht so schwer geschnitten sein wie die ganzrädigen, gewalkten Hirtenmäntel, sondern natürlich aus feinerem Wolltuch mit geringerem Umfange und die schmale rote Verbrämung der Hirtenmäntel müßte zu einem breiteren, roten Saume und Kragen gestaltet werden. So entstand die von den Almhirten übernommene Mode der weißen Radmäntel mit rotem Kragen, fand Anklang bei den Schützen und ihren Frauen und bald hatte jedes Sommerhaus seinen Bestand an solchen „Oberbozner Mänteln” die bis heute noch in Verwendung stehen und eine weitere Eigentümlichkeit dieser Sommerfrische bilden.”
Interessantes Detail: die Klobensteiner Sommerfrischler tragen den weißen Mantel mit schwarzem Saum und Kragen. Ob die Farbe Schwarz der prägenden Anwesenheit des Deutschen Ordens in Lengmoos geschuldet ist oder doch nur deshallb gewählt wurde, um sich von den Oberboznern zu unterscheiden, kann ich nicht sagen.
Was das Sommerfrischhaus als Seligkeit angeht, ist es offensichtlich, dass es einerseits erlaubte, die heißesten Tage im Jahr in angenehmer und – sehr wichtig! – nicht krankmachender Umgebung “… am luftigen Ritten…” zu verbringen, andrerseits sicherlich auch als Zeugnis der erreichten sozialen Stellung diente. Insofern wird Franz Sales Kinsele als Emporkömmling sehr froh gewesen sein, dass sich am 23. Juni 1779 die Möglichkeit ergeben hat, das Sommerfrischaus aus der Konkursmasse des Andre Lanner zu ersteigern. Mit 1.225 Gulden (Ausrufepreis 1.030 Gulden) setze er sich gegen Roman Sebastian von Call durch, der mit 1.200 Gulden sein letztes Gebot abgab.
Der Preis war deshalb nicht besonders hoch angesetzt, weil das Haus, obwohl noch nicht alt (mit dem Wissensstand von 2023 schätze ich, dass es gegen 1680 erbaut wurde), sich nicht mehr im besten Zustand befunden hat (“…Ein- als auswendig einiche Klift”, “Die Bedachung ist an der unteren flig zimlich runios“). Zudem wurde es als nicht besonders groß angesehen und das Fehlen eines Garten angeprangert. Das Protokoll der mit der Schätzung beauftragten “Taxatores” ist deshalb recht aufschlussreich und zeigt auch, dass die Raumeinteilung im wesentlichen bis heute unverändert geblieben ist:
“… nachdeme Sie zwey Taxatores mehrbesagte Behaußung durch alle Zimer, Gemäuer und Bedachung Beaugenscheint; So wurde daraufhin von denenselben der Befund wie folgt erkennet. 1.mo Erfinden sich in dießer Behaußung zu ebenen Fuß hinein linkerhand zwey kleine Zimer. Ein enges Sällele 1 Kuchl, 1 Kuchl Kämerle, Ein kleines Vor- und Ein Wein Kellerle. Dieses alles auf glatter Erden und derowegen forderist der Wein Keller zum Wein auf Behalt zimlich feicht. Wiedan in denen Fußböden da und dort ein Erhebung zuersechen ist. 2.do In zweiten stok sind zwey zimer, Eine Stube und ein kleines Sällele alles in guten stand. 3.tio Untern Dach drey mit Flecken eingeschlagene Kamerlen. 4.tio Die Bedachung ist an der unteren flig zimlich runios und des nächsten von darumen zu reparieren, als in besagten Kamerlen das Wasser in Mehrer Orthen durchgeflossen. 5.to Die Mauren betrefende, an diesen sind auf der obern seite sowohl Ein- als auswendig einiche Klift zuersehen, so von einen schlechten Grund herkomen sein Müssen. Ansonsten aber in guten stand und gelegendlich gebauet. In Ansechung nun in eröfterten Behausung nur eine Kuchl und ein Keller und diese zimlich klein mithin fir zwey Partheien nicht zu gebrauchen, zudeme aber auch eine nächste Reparation und Jährliche Bauhaltung vonnöthen auch nicht Einmahl Ein Garthen darzu gehörig, So wird dieselbe fir Lutheigen Werthzusein gerichtlichen taxiert Per aintausend fünzig Gulden, Dico —–1050 f – k“
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
Braitenberg, Carl von and Kofler, Oswald (1979). Tiroler Schützen-Scheiben, der Oberbozner Schiessstand (Amonn, Walther, Ed.) (2. Aufl.). Bozen: Athesia.
Braitenberg, Carl von / Andergassen, Leo / Walther, Franz von / Kofler, Oswald and Braitenberg, Carl von (1994). Die Schützenscheiben von Oberbozen: Symbole eines ritterlichen Exercitiums (Völlig umgearbeitete und ums Doppelte erw. Neuaufl.). Bozen: Edition Raetia.
Anonym (1900). Frau unterhalb Haus Malinowski im Oberbozner Mantel [Fotografie].
Ordnung muss sein
Category: Werkzeuge
geschrieben von Armin Kobler | 24. Februar 2024
Als ich mit diesem Blog begonnen habe, hatte ich nicht vermutet, dass ich hinsichtlich der Familiengeschichte der Kinsele und ihres historischen Umfeldes so in die Breite und teilweise in die Tiefe gehen würde. Deshalb war die Systematik, mit der ich die Quellen anfänglich gesammelt und geordnet habe, nicht sehr ausgeprägt. Natürlich habe ich die einzelnen Dokumente mit eindeutigen Dateinamen benannt und auch relativ schlüssig in spezifischen Ordnern abgelegt. Trotzdem tat ich mir immer öfter schwer, die zu verarbeitenden Quellen – bis jetzt habe ich vielleicht ein Viertel davon in Blogbeiträgen eingebaut – zeitnah wiederzufinden. Besonders die zahlreichen Zeitungsartikel machten mir diesbezüglich unnötig viel Arbeit.
Als weiterer Aspekt kam hinzu, dass eventuelle Leser – es gibt sie wirklich! – sehen sollen, woher die Informationen stammen.
Sie müssen diese überprüfen können und sie sollen auch für eigene Recherchen verwendbar sein. Seriöse Autoren, unabängig vom Niveau der Arbeit, legen eben ihre Quellen offen.
Kurzum, ein Literaurverwaltungsprogramm musste her. Diese wertvolle Hilfe, von der man in den Zeiten meiner wissenschaftlichen Arbeitsperiode nur träumen konnte, gibt es inzwischen sogar als Open-Source-Software. Nach dem näherem Anschauen einiger Helfer habe ich mich am Ende für Zotero entschieden. Die Tatsache, dass es für dieses Programm (lokal und über Browser verwendbar) ein gut funktionierendes WordPress-Plugin gibt, war ausschlaggebend.
Als jemand, der in den Naturwissenschaften ausgebildet wurde, beherrsche ich nicht die im geisteswisschaftlichen Bereich üblichen Zitiermethoden im Text. Deshalb habe ich mir die Freiheit genommen, die für den jeweiligen Blogbeitrag verwendeten Quellen einfach am Endes des Beitrage anzuführen. Nachdem die Beiträge ja nie besonders lang sind, kann jeder trotzdem leicht die Aussagen mit den Quellen in Bezug bringen.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
… wurden die ersten Fenster im germanischen Sprachraum genannt. Dies weil ihr erster Zweck jener war, den Rauch der Feuerstellen aus den Räumen treten zu lassen. Der Wind hat aber auch später noch durch die Fensterritzen gezogen, als die Funktionen umfassender wurden und zwar: Belichtung, Lüftung, Aussicht und Wandgliederung. Heutige Fenster sind wegen den Anforderungen an die Wäremedämmung so gut wie gasdicht, was aber andererseits für die Regulierung des Raumklimas eine Herausforderung darstellt.
In einem praktisch unbeheiztem Raum – dem oberen, die zwei Wohnungen erschließenden Gang –, haben wir auf dieses Prinzip verzichtet und zwei über Jahrzehnte im Dachboden gelagerte Fenster aus der Zeit um Siebzehnhundert wieder eingebaut. Alles, außer das zu sehr verwitterte Holz sind original.
Unser auf Renovierung spezialisierter Tischler Walter Alber und sein Sohn Max haben wieder einmal ganze Arbeit geleistet. Geholfen haben ihnen zwei ältere Handwerker, die über Fähigkeiten verfügen, welche leider im Verschwinden begriffen sind. Einer hat als Schmied beim Aufrichten der Beschläge geholfen, der andere kann noch mit Putzenscheiben umgehen.
Die verschiedenen Zeitepochen sollen zum Vorschein kommen, mit diesen beiden Fenstern haben wir einen weiteren Schritt in diese Richtung gemacht. Alle Fenster des Hauses so zu realisieren ist leider nicht möglich gewesen, weil nur ungefähr ein Viertel der Originalfenster noch auffindbar war und die Nutzung des Gebäudes sich auf den – viellecht etwas gedehnten – Sommer beschränken müsste.
Von den Original-Fensterläden haben wir hingegen nahezu alle wiedergefunden. Dann wird die Fenstersituation sich noch einmal vollständiger präsentieren.
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“Um eigene Trauben Und eigenen Wein für den Hausgebrauch Zu haben, muss man zweitens auch In Gries oder in den Zwölfmalgreien Mit einem Höfl begütert sein.”
Um die Deckung des obgenannten Eigenbedarfes mussten sich die Kinseles wahrlich keine Sorgen machen, so üppig waren ihre Weingartenflächen in Bozen, Zwölfmalgreien und Gries schon in der Gründergeneration. Als Franz Xaver Kinsele, der auch immer wieder als Franz von Sales Kinsele bezeichnet wird, 1812 stirbt, hinterlässt er u.a.:
in der Gemeinde Zwölfmalgreien: “Die Baurecht und Gerechtigkeit eines Weingutts, nebst darin stehenden kleinen Hitls von 3 alten Graben im Dorfe ober Botzen gelegen…”
in der Gemeinde Gries: “Die Baurecht eines Weinbau nebst einen darin befindlichen kleinen HäuslDas “Riesenhäusl”, früher Fagen 300, jetzt Luigi-Cadorna-Str. 17. so mit No 941 bezeichnet ist von 11 alten Grabern groß in der Leeg am Fagen liegend,…” “Die Baurecht eines Wiesmads, und Weinbaues im Neufeld nebst einen unter den Weg liegenden kleinen Wiesels mit Obstbäumen besetzt und darin befindlichen Muhr Grube von 9 1⁄2 Graber groß,…” Dort als bedeutenste Immobilie den Egghof: “Die Baurecht & Gerechtigkeit des gantzen Hofs der Egghof genant ober Troyenstein in der Fraction Gries, Gemeinde BotzenGries wurde erst 1849 eine selbständige Gemeinde, war bis dort Teil des Magistratbezirkes Bozen. liegend, so da besteht in einer wohl erbauthen Feuer und Futterbehaußung mit Stuben, Küchen, Kämern, Torgl, und Keller, dann 2 Stallungen, Heudillen, Wasch und Brandtweinküchen, wie auch einen abgesonderten kalten Keller, ferners bey 35 Graber, 150 Klafter Weinbauleuthen, /: wovon aber ein Theil durch Überschwemung vor einigen Jahren verschütet wurde:/ in verschiedenen Abtheillungen dies und jenseits des gemeinen Fahrwegs nach Guntschna, sambt 185 Klafter großes Wiesel beym Unterstein Weingütl am Fagenbach liegend, auf welchen Wiesl den Insasen von Guntschna die Streu Niederlage zu gestatten ist; endlich bey 21 Morgen Berg mit etwas Eich und Kastanien Bäumen, auch Staude besetzt, worin sich vorgemeldter kalter Keller befündet; rücksichtlich der grenzen u Grundherrschaft sehe man in dem unten datierten Kaufs Urkund nach. Dann die Baurecht einer luteigenen, und des Grundzins halber freyen Stücks Erdreichs Wiesmad auf der weiten Wiesen neben den Schafstall bey 2 1⁄2 alte, oder 4 neue Tagmad, 6 Klafter groß; in Betreff der Gräntzen, wenn schon Nachbarn derselben geblieben sind, giebt der nembliche Kaufs Brief Aufschluß; ferners ein luteigenes Pran Mooß im Neufeld diesseits der Etsch, Grieser Revier 2/5 Tagmad groß mit Vorbehalt der gräntzen,…”
Schon 1858 wird er an Karl Pischl aus Gries verkauft. Der trennt sich schon 1875 wieder von der Immobilie, als Agent wirkt ausgerechnet Richard Kinsele, der Enkel des Franz Xaver Kinsele. Da muss mindestens Wehmut, wenn nicht Bitternis dabei gewesen sein. Ob der in der Annonce angeführte Trojensteinerhof mitsamt dem Gscheibten Turm schon von den Kinseles erworben wurde oder erst von Karl Pischl entzieht sich noch meiner Kenntnis.
Vor einiger Zeit habe ich mich gefragt, woher der geadelte Josef von Kinsele seinen Zusatz “zu Eckberg” hat. Auf Grund der letzten Erkenntnisse kann ich mir schon vorstellen, dass auf den Egghof Bezug genommen wurde.
Auch wenn es keine Weingärten sind, sollten bei der Gelegenheit zur Vervollständigung noch die anderen landwirtschaftlich genutzten Flächen der frühren Bozner Kinseles angeführt werden:
“Ein Stück Neufeld außer gries in der ersten Tafel nach der Mappe N. 12, 13, u 14 ,…” “Zwei Streu Möser jeder von 2 Tagmad, welche in dem bey den Acten des ehemaligen Stadt und Landgerichtes Botzen liegende Versteigerungs Edikt von 23 März 1801 enthalten, und mit N. 2 & 3 bezeichnet sind, am Neufelde, …”
und schlussendlich in Völs: “Dazu die Behaußung zu unter Völs die Thurn Behaußung No 184 mit Gewölben, Torgl, Dresch Stadel, Garten und was dazu gehört…” “Endlich lauth original privat Urkunde No 10 de 3 April 1809 erwarb der Verlebte die Grundherrschaft auf den Hof und die Metzmühle zu TelzegVölsegg? in Völs…”
Auf wieviel kann man also in Summe die Rebflächen der ersten Bozner Kinsele schätzen? Ein alter Bozner Weingarten-Graber entspricht ca. 577 m2. Zählt man alles zusammen, auch den Weingarten, welche sich beim später dazugekommen Stadthaus in der Dominicanerstraße befand, kommt man auf über 3,5 Hektar, also eine Fläche welche, einmal den Eigenbedarf gedeckt, einiges an Traubengeld abwerfen konnte.
Danke Matthias Gasser für die Verortung des Egghofes und andere nützliche Hinweise zum Thema!
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
Holzknecht, Thomas (2023). Schriftliche Mitteilung.
“Hier ist ja alles gerader als in vielen Neubauten!”
Category: Renovierung
geschrieben von Armin Kobler | 24. Februar 2024
War die Aussage des Fliesenlegers der Firma Hofer, als er in den Bäder mit der Verlegung begonnen hat. Zur Beruhigung aller demkmalsensiblen Menschen beherrscht der rechte Winkel nur die zeitgenössichen Einbauten, überall sonst wurden die Unregelmäßigkeiten der früheren Zeiten, die doch so wichtig für das Wesen und den Charme der Altbauten sind, belassen. Das erleichterte Aufatmen des Fliesenlegers wegen der Genauigkeit bei der Ausführung und den Lob unseres Planers hinsichtlich der an den Tag gelegte Sensibilität gegenüber der historischen Bausubstanz reiche ich gerne an Wolfgang Stabler und seinem Team der Baufirma Hubert Schweigkofler weiter.
Ein großer Wunsch ist im Gang- und Stiegenbereich Wirklichkeit geworden: dort konnte wieder die ganze Fläche mit den für den Ort und die Epoche so typischen Sandsteinplatten verlegt werden. Die Platten stammte größtenteils vom Dachboden, wo sie seiernzeit als Brandbremse verwendet wurden. Die Rautenanordnung im Erdgeschoss unterstreicht den doch herrschaftlichen Anspruch des Kaufherren-Sommerfrischhauses. Bemerkenswert, wie es der Baufirma gelungen ist, auch die letzen kleineren Teile der doch sehr begrenzt vorhandenen Menge Sandsteinplatten ohne ästethische Einbußen gekonnt zu nutzen.
Auch sonst ist in den letzten Tagen und Wochen viel Baufortschritt sichtbar geworden: zwei von drei Bäder sind jetzt vollständig verfließt, der Holzboden im ehemaligen Musikzimmer wird nächste Woche begehbar sein. Der Balkon mit dem darunter liegendem Holzkotter und dem kleienem Schindeldach werden gerade vom Zimmermann Pechlaner renoviert und wo notwendig erneuert. In der Tischlerwerkstatt werden gerade die beiden historischen Fenster und die alten Holzfußböden für den Einbau hergerichtet. Elektriker und Installateur stehen für die nächste Woche Gewehr – besser: Gerät – bei Fuß, die erste Einbauküche wird Mitte November montiert werden.
Was dem Passanten an der Waldpromenande oder am Fahrweg nach Maria Himmelfahrt am meisten auffallen wird, das Haus hat wieder Augen! Seit die Fenster (Tischlerei Norbert Sanoll) montiert sind, hat es einen wieder viel einladernden Charakter. Bin gespannt, wie diese später, wenn auch die historischen Terlen eingehängt sind, wirken werden.
Die acht Bozner Seligkeiten (1)
Category: Bozen,Menschen
geschrieben von Armin Kobler | 24. Februar 2024
am Beispiel der Familie Kinsele
Wer hat noch nie von den Bozner Seligkeiten, acht an der Zahl, gehört? Karl Theodor Hoeniger hat ihnen mit dem 1933 im “Altbozner Bilderbuch” erschienenen Gedicht ein bleibendes Denkmal geschaffen.
Die Aufzählung dieser Voraussetzungen für ein vollständig erfülltes Bozner Bürgerleben eignet sich sehr gut, um den in kürzester Zeit erfolgten wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg der Kaufherrenfamilie Kinsele darzustellen.
“Als erste muss man unter den Lauben Ein Haus besitzen.”
Eine zentrale Rolle im Leben und Wirken eines Bozner Kaufherrens – und das war das angestrebte Ideal – spielte dabei das Laubenhaus, ein Haus in der Stadtgasse, entweder unter den “deutschen [südseitigen] oder welschen [nordseitigen] Gewölben”, wie auch die offizielle Adresse lautete. Um den urbanistischen und den damit eng verwobenen gesellschaftlichen Rahmen besser zu verstehen, in dem sie sich auch diese Familie bewegte, lasse ich gerne Hannes Obermaier, ehemaliger Leiter des Stadtarchivs Bozens, zu Worte kommen:
Die Altstadt von Bozen mit ihrem malerisch wirkenden Kern rund um die Laubengasse ist ein dichtes Gebilde an sozial-, wirtschafts- und kulturgeschichtlichen Bedeutungen. Die eng gebauten Häuser der Marktanlage aus dem späten 12. Jahrhundert sind sowohl vom europäischen Spätmittelalter wie auch von der jüngeren Moderne geprägt – und dies zumeist auf kaum entwirr- oder unterscheidbare Weise. Dieser vielschichtige historische Ensemblecharakter ist nicht unwesentlich auf die enge Verschränkung von Raum und Zeit zurückzuführen. Außen- und Innendimensionen der Gebäude gehen hierbei eine beinahe nahtlose Verbindung ein: Das „Raumzeitkontinuum“ von Bozens Bürgerhäusern kommt besonders an einzelnen herausgehobenen Beispielen zum Vorschein, die mit ihrer fast kanonischen Abfolge von Keller, Handels- und Wohnbereich bis heute das Leben und Wirtschaften in der vormodernen Tiroler Territorialstadt verdeutlichen.
Es ist geradezu ein Kennzeichen des Bozner Bürgerhauses, dass es – vielleicht deutlicher noch als in verwandten Städten des Alpenbogens – die alteuropäische Sozialform des „ganzen Hauses“ illustriert. Bürgerliche Lebensbewältigung und Fortkommen waren auf wirkungsvolle Produktions- und Reproduktions-leistungen unter einem Dach angewiesen. In der baulich und funktional verdichteten Innenstadt waren möglichst viele Marktteilnehmer an der Einstraßenanlage der Lauben und dem diese umgebenden Gassengeviert (Streiter-, Binder-, Muster- und Silbergasse) zu platzieren. Dies generierte den regen Austausch einer face-to-face-Gesellschaft, in der sich gegenseitige Solidarität und Konkurrenzstrategien stets nur mühsam die Waage hielten. Vormoderne Reziprozität der einfachen Tauschökonomie und moderne Marktpraktiken des Handelskapitalismus gerieten nicht selten in Konflikt miteinander. Diese Grundspannung ist in das Dicht-an-Dicht des altstädtischen Häuserbestandes förmlich eingeschrieben und verleiht ihm seinen besonderen und geheimnisvollen Reiz.
Zentrale Insignie der Bürger und Bürgerinnen und ihrer Geschlechterverhältnisse waren darum Vermögen, Hausbesitz und generative Kontinuität. Daran knüpften sie ihre Rollenerwartungen und ihren Habitus und leiteten daraus soziales und kulturelles Kapital ab, ohne welches jeweilige Prestigeerwartungen nicht erfüllt werden konnten. Karl Theodor Hoenigers Gedicht „8 Bozner Seligkeiten“ aus dem frühen 20. Jahrhundert bringt solchen besitzstandswahrenden, tendenziell sozialkonservativen, aber auch von gezähmtem Liberalismus durchwirkten Bürgergeist sinnfällig zum Ausdruck.
Die mir vorliegenden Nachlässe der Familie Kinsele sind natürlich eine vorzügliche Quelle, um zumindest jene Seligkeiten, welche eigentumsbezogen sind, zuzuordnen.
Das Laubenhaus:
“Die Baurecht der sogenannten vormals Kreutzerischen Behaußung, am Elephant genannt, unter den welschen Gewölben zu Botzen, so mit No 12 bezeichnet…” (Nachlass Franz Xaver Kinsele 1812) sowie “und neuen Nr. 197, bezeichnet, gränzt 1. An das Welponische Haus, 2. An die Laubengasse, 3. An das Ofersche Haus, 4. An die Karnergasse,..” (Nachlass Alois Kinsele 1849)
Leider konnte ich an der Außenseite des Hauses keine Hinweise auf die Kinsele-Eigentümerschaft, welche bis 1856 dauerte, vorfinden. Das Wappen auf der Rückseite könnte auf die vorigen Hausbesitzer (Kreuzer?) hinweisen. Interessant, wie das Haus gegen die Dr.-Streiter-Gasse hin immer schmäler wird. Momentan beherbergt das Gebäude ein Schuhgeschäft der Kette “Snipes”.
Auch noch die folgende Generation hat den städtischen Immobilienbestand vergrößert:
“Die Baurecht und Gerechtigkeit der im Steuercataster der Stadt Bozen sub Nr. 242 litt a. und b. vorkommenden mit Nr. 453 bezeichneten Behausung in der Dominicanergasse von 3 Stöcken, Keller, Wasch und Brandweinküche und Gewölben nebst dabei liegenden Garten, größtentheil Weingut von 4 alten Grabern, in welchem sich außer einer Orangerie ein Gartenhaus, Ansetz und Presse, Stadl und Stallung und Brunnen befindet.” (Nachlass Alois Kinsele 1849)
Von diesem Komplex ist nur mehr der vordere, der früheren Dominicanergasse, heute Goethestraße, zugewandte Teil erhalten geblieben. Es war in der Zeit der Aufzeichnung ein stattlicher Besitz, welcher über die herrschaftliche Behausung hinaus über eine vollständige landwirtschaftliche Infrastruktur und ca. ein Viertel Hektar Rebfläche verfügte. Dazu ist wichtig festzustellen, dass die Domicanergasse die Westgrenze der verbauten Stadt darstellte. Von dort aus waren bis zur Talfer die Flächen größtenteils mit Rebstöcken bepflanzt; heute nur mehr schwer vorstellbar. Einzig die Häuser der heute nach dem Museum benannte Straße erstreckten sich schon damals etwas weiter gegen Westen.
Herr Helmut Rizzolli hat mir freundlicherweise die Gebäudlichkeiten im heutigen Stadtgefüge verortet, ihm sei dafür gedankt.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
Obermair, H. (2020). Die bürgerliche Kunstsammlung Kreuzer-Eccel, Bozen (KEB) - die Geschichte eines Hauses. Funktionsgeschichtliche Prolegomena für das Museum Silbergasse 10-12 / Lauben 45. http://rgdoi.net/10.13140/RG.2.2.13570.02242
Der Spätherbst und der Winter standen ganz im Zeichen der gröbsten Arbeiten, sei es was die Maurerarbeiten wie die Erneuerung des Daches betrifft. So wurden Zwischenmauern abgepackt, Fundamente trockengelegt, die Mauern konsoldiert. Das Dach wurde mit Ausnahme des Dachstuhls komplett erneuert. Im Frühjahr tat sich außer dort nicht viel Sichtbares, aber die Zeit wurde trotzdem genutzt: um weitere Detailplanungen zu definieren, besonders was die Fenster betrifft und die Einrichtungen. Markantes Zeichen dieser tiefgreifenden Überlegungen ist die „Open-Space-Idee“ im ehemaligen Musikzimmer.
Im Frühsommer ist es dann wieder wahrnehmbarer weitergegangen: Der Installateur Arthur Baumgartner von hydraulikcom hat seine Zu- und Ableitungen verlegt, der Elektriker Georg Unterhofer der Firma ElektroTeam die Leerrohre platziert. Besonders wenn man letzterem beim Arbeiten zusieht wird einem vor Augen geführt, wieviel Elektrik/Elektronik gegenüber früher in den Häusern verwendet wird. Die letzten Wochen waren wieder die Maurer dran, die Schlitze zu schließen und den Verputz überall wieder herzustellen. Schlussendlich wurden die Unterböden gegossen, so dass der Installateur jetzt eigentlich die Fußbodenheizung verlegen könnte, ein wichtiger Baufortschritt.
Die Fenster sind inzwischen in der Tischlerei Norbert Sanoll fast fertig gebaut. Zu definieren sind dabei noch deren Farben, je nachdem in welchen Räumen sie eingebaut werden. Die Blindstöcke sind jedenfalls schon aufnahmebereit.
Wie alle historischen Sommerfrischhäuser verfügte auch die Villa Kinsele die längste Zeit über keine Möglichkeit der Beheizung. Die Fenster waren nur einfach verglast, die später weit verbreiteten, in der kalten Jahreszeit eingehängten Winterfenster gab es ebenfalls nicht. Die ausschließlich sommerliche Nutzung machte dies alles nicht notwendig.
Ab 1895 zeichnete sich ab, dass die geplante, inzwischen für den Ganzjahresbetrieb ausgelegte Zahnradbahn auf den Ritten über Oberbozen führen wird. Die Erreichbarkeit der Sommerfrischsiedlung würde also wesentlich verbessert werden. Die Möglichkeit, die Häuser auch außerhalb des Sommers zu bewohnen, würde also deutlich erleichtert werden.
Franz Kinsele nahm die Gelegenheit wahr, weswegen einige Adaptierungen in der Villa Kinsele anstanden. So ließ ziemlich sicher er in den beiden ebenerdigen Aufenthaltsräumen Holztäfelungen – die südliche ist 1898 datiert – einbauen. In der nördlichen der beiden wurde ein Kachelofen aufgestellt, der einen eigenen, außen an der Hauswand entlanggefürten Kamin bekam. Ein weiterer Ofen wurde im Schlafzimmer im ersten Stock aufgestellt, sein Rauch kam über den schon vorher vorhandenen Küchenkamin ins Freie.
Leider konnte Franz Kinsele, der inzwischen pensionierte Sparkassenkassier, für nur allzu kurze Zeit die Anpassungen am Haus und – noch weniger – die gute Verbindung mit Bozen genießen. Die Inbetriebnahme der Zahnradbahn erfolgte nämlich im Sommer 1907, er verstarb aber überraschenderweise in Oberbozen am 9. Jänner 1908, im 76. Lebensjahre an Altersschwäche, wie angebeben wurde.
Mit dem Einbau der Kleinwohnung im Musikzimmer in den 50er Jahren kam dort ein Elektroofen und ein Holzherd dazu, welcher ebenfalls den obgenannten Außenkamin nutzte. In der oberen Stube wurde mit Kerosin geheizt. Wie die anderen Räume dieser Wohnung, falls überhaupt, beheizt wurden, entzieht sich meinem Wissen. In der Hauptwohnung, welche spätestens nach dem Verkauf an meine Großtante 1943 nur im Sommer genutzt wurde, ändert sich über Jahrzehnte nichts.
Komplett winterfest im heutigen Sinne wurde das Haus durch die Umbauarbeiten, welche meine Eltern im Winter 70 und Frühjahr 71 durchführen ließen. In beiden Wohnungen wurden sogenannte Wagner-Fenster eingesetzt und eine ölbefeuerte Zentralheizung installiert, welche alle anderen Heizungsgerätschaften ersetzte. Dazu wurden unter fast allen Fenstern in aufwendig herausgebrochenen Nischen Heizkörper montiert. Der erste, größere Öltank fand unter der Erde an der Westseite seinen Platz, der den später verschärften Normen entsprechende neue gleich darüber in der Wiese. Der Kachelofen in der hinteren Stube des Erdgeschosses wurde abgerissen um einer Verbindungstüre Platz zu machen, dafür wurde in der vorderen ein neuer aufgebaut. In der Küche wurde dem Gasherd ein mit Holz befeuerter beigestellt.
Die Anlage, errichtet noch vor der ersten Ölkrise, entsprach nach 50 Jahren bei Weitem nicht mehr den aktuellen Energiesparstandards, weswegen der erste Schritt der Anschluss an das Rittner Fernheizwerk im Jahr 2020 war. Die Verluste durch nicht isoliert verlegte Metallrohre in den Wänden und Fenstern, welche zwar noch sehr gut erhalten, aber trotzdem vom thermischen Standpunkt her überholt waren, verhinderten jedoch jede finanzielle Einsparung, insbesondere im Winterbetrieb. Deshalb ist ein zentraler Teil der momentanen Umbauarbeiten die komplette Umstellung der Heizung auf Fernwärme mit Fußbodenheizung, sowie das Ersetzen der Fenster.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
Anonym (1908, January 11). Todesfall. In: Bozner Nachrichten, pp. 8–9.
Waren die Bozner Kinsele adelig?
Category: Menschen
geschrieben von Armin Kobler | 24. Februar 2024
Oft wird von Außenstehenden automatisch angenommen, dass die Kinsele zumindest “von” gewesen seien, weil sie in der Anfangszeit über sehr viel Reichtum und demzufolge auch Einfluss verfügt haben. Dem war aber nicht so, denn der erstaunenswert erfolgreiche Franz Sales Kinsele startete als Sohn eines aus dem Vintschgau zugereisten Bäckermeisters und musste zu Beginn seiner Laufbahn erst einmal das Bozner Bürgerrecht erwerben. Zudem war wirtschaftlich erfolgreich sein allein im Normalfall nicht genug Merite um in den Adelsstand erhoben zu werden.
Eine Ausnahme, leider mit skurril-tragischen Ausgang hat es leider auch gegeben: Josef Kinsele, Sohn des Franz von Sales Kinsele, mit Theresia von Walther-Herbstenburg vermählt, wurde kraft seiner Verdienste im öffentlichen Dienst 1839 durch Kaiser Ferdinand in den Adelsstand erhoben und kurz danach “entriss ihn ein Schlagfluß in der vollen Kraft des Mannesalters” für alle überraschend. So erlosch die adelige Linie der Kinsele in kürzester Zeit. Im “Österreichisches Biographisches Lexikon” steht über ihn:
Kinsele zu Eckberg, Josef (1785-1839), Kaufmann und Kommunalpolitiker
Kinsele zu Eckberg Josef, Kaufmann und Kommunalvertreter. * Oberbozen am Ritten (Südtirol), 27. 7. 1785; † Bozen (Südtirol), 2. 12. 1839. Trat nach gründlichen Stud. und Reisen in die väterliche Fa. ein. 1812 wandte er sich dem öff. Dienst zu und war unter der italien. Regierung „Savio“ der Bozner Munizipalität. 1815 ging er als Mitgl. einer Deputation zur Regelung des Zollsystems nach Mailand. 1816 begab er sich zu Verhandlungen über das Zollwesen nach Innsbruck. Bei der Rückkehr Tirols zu Österr. besorgte er die Truppenverpflegung, die Beschaffung der Vorspanne und die Ordnung des Marschkonkurrenzwesens. Als Magistrat übernahm er die Liquidation der Schuldenlast der Stadt Bozen, die ca. eine Million betrug, und leitete die Durchführung des Schuldentilgungsplans, den er bis 1822 zustandebrachte. Er bekleidete verschiedene hohe Dienststellen des Merkantil-Magistrates und war 1819–39 ständ. Vertreter der Stadt Bozen beim tirol. ständ. Ausschußkongreß. K., zu den ausgezeichnetesten Vertretern des Landes zählend, wurde 1839 nob.
Als Wappen hat er das schon existierende Familienwappen der Kinsele mit jenem der Stadt Bozen vereinigt. Woher sich der Zusatz “zu Eckberg” ableitet ist mir noch unbekannt. Eine Reminiszenz an die alte Vintschger Heimat der Vorfahren? Der Name einer seiner Immobilien?
Im Boten für Tirol ist 1840 ein ausführlicher Nachruf erschienen (beim Klicken auf das Bild öffnet sich die Abbildung vergrößert):
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
Walter Alber aus Unterinn am Ritten einen echten Experten zu nennen greift zu kurz. Diesen Tischler mit dem Schwerpunkt Restaurierung kann man wirklich mit dem neudeutschen Ausdruck Nerd bezeichnen. Er ist nicht nur ein ausgezeichneter Handwerker sondern verfügt auch über ein wahnsinniges Detailwissen. Und wie er bestimmte Teile und Techniken den verschiedenen Epochen zuordnen kann, erstaunt den Architekten und mich immer wieder.
Mit dem Auffinden immer mehr restaurierungswürdiger Gegenstände und dem dauernden Anpassen des Umbaus an die vorgefundenen Stile und Epochen hat sich sein Betätigungsfeld in der Villa Kinsele dauernd erweitert, wir werden mit ihm und seinem Sohn Maximilian noch für längere Zeit zu tun haben. Anfänglich war nur vorgesehen, dass er die im Dachboden seit über fünfzig Jahren deponierte Holzverkleidung des ehemaligen Elternschlafzimmers herrichtet sowie die Täfelungen der beiden Stuben im Erdgeschoss ein- und wieder ausbaut. In der Zwischenzeit hat er alte Holzfußböden ergänzt. In nächster Zeit sind die alten Jalousien an der Reihe, während die historischen Türen eine erste Reinigung erfahren haben. Auch die beiden Gangfenster im Obergeschoss, welche historische Teil beinhalten, werden von ihm gefertigt, so wie auch die Fenster der Dachgauben. Und das wird sicherlich nicht die letzte Arbeit sein.
Die alten Türen sind inzwischen, wie gesagt, aufbereitet worden. Bis auf eine werden wir alle wierderverwenden können. Von den meisten wissen wir, welche Räume sie ursprünglich verschlossen haben, anderen mussten wir erst im Hinblick auf Größe und Öffnungsrichtung den Räumen zuordnen. Ein paar werden im rohen zustand bleiben, andere wiederum – die Mehrzahl – werden einen farbigen Anstrich bekommen. Der Kontrast alt/neu, in ein paar Räumen deutlich herausgearbeitet, wird spannend werden.
Dach über dem Kopf
Category: Renovierung
geschrieben von Armin Kobler | 24. Februar 2024
Etwas länger als geplant hat es gedauert, aber jetzt ist es fast fertig, das neue alte Schindeldach. Warum ein neues notwendig wurde und wie das Haus zuletzt eingedeckt war, habe ich schon in einem vorigen Beitrag dargelegt. Die Verfügbarkeit der Dachdecker, die Osterfeiertage und schlussendlich die Mondphasen haben die Fertigstellung verzögert, aber schlussendlich ist das Ergebnis wichtig. Und das kann sich sehen lassen, dasTeam um Urban Pechlaner hat ganze Arbeit geleistet.
Was ist noch zu tun ? Der Spengler des gleichen Betriebes muss noch die Dachrinnen montieren und weitere Blecharbeiten durchführen, auch fehlen noch die Gaubenfenster. An den Anblick der Rundhölzer zum Zwecke des Schneefangs muss ich mich noch gewöhnen. Aber das ist eben ein Zugeständnis an die Möglichkeit der ganzjährigen Bewohnbarkeit auch durch fremde Menschen, verhindern sie doch unangenehme bis gefährliche Dachlawinen.
Sehr gelungen ist m.E. die Sichtbarkeit der Schindeln von unten. Trotz eines zeitgemäßeren Dachaufbaus unter der Eindeckung ist alles elegant und fein und gar nicht, wie leider in vielen anderen Fällen, massiv, ja klobig, geworden. Sogar der vom original gebliebenen Dachstuhl bewirkte Knick der Struktur etwas oberhalb der Traufe, der dem Dach ein eigenes Profil gibt, kommt jetzt, wo es von der vorigen Verschalung und den Bitumenschindeln befreit wurde, besser heraus.
Eine Fülle von Funden (3)
Category: Hausgeschichte,Renovierung
geschrieben von Armin Kobler | 24. Februar 2024
Deckenmalereien überall
So beginnt Josef Weingartner die Beschreibung der Oberbozner Sommerfrischsiedlung in seinem Standardwerk “Kunstdenkmäler Südtirols” von 1929. Und tatsächlich haben beide Stuben eine typische Deckenbemalung vorzuweisen. Auch hier waren sie von einer unteren Verschalung samt Schilfbespannung und weiß bemalten Putz verdeckt. Nachdem es komplett rauchfreie Räume waren – vergessen wir nie, dass diese Häuser nur im Sommer genutzt wurden und deshalb über keine Öfen verfügten – ist die Bemalung dort wo sie noch existiert sehr gut erhalten geblieben. In der hinteren Stube fehlt leider eine ganze Hälfte, da die Decke dort zum Zweck eine Badeinbaus im oberen Stockwerk mit einem Fehlboden ersetzt wurde. Und auch in der vorderen Stube ist ein Verlust zu beklagen: um die Decke möglichst regelmäßig verputzen zu können wurden die bemalten Balken an einigen Stellen ohne Rücksicht abgehobelt.
Die dargestellten Personen sind in der hinteren Stube der Hl. Antonius von Padua, der oder die sicherlich vorhandene zweite Heilige ist leider verschwunden; in der vorderen der Hl. Ignatius von Loyola und ein weiterer, dessen Namen noch nicht endgültig geklärt ist. In Erwartung weiteren Erkenntnisse darüber wird es in nächster Zeit einen eigenen Beitrag geben. In den Bereichen zwischen den Medaillons sind abwechselnd Blüten- und Früchtekompositionen gemalt. Die Strahlkraft der Farben nach der ganzen vergangenen Zeit ist schon bemerkenswert. Peter von Grabmayr, der Miteigentümer des gleichnamigen Hauses und der St.-Magdalena-Kirche ist, sich eingehend mit der Geschichte der Oberbozner Sommerfrischsiedlung beschäftigt und mit dem ich diesbezüglich in regem Ausstausch stehe, meint dazu: “Die Ranken sind in Farbe und Form der zweiten Periode zuzuordnen, wie sie in den beiden Zallinger-Häusern (jetzt Amonn und Braitenberg) zu finden sind, ebenso Ganahl und Mackowitz.”
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
Weingartner, J. (1929). Die Kunstdenkmäler des Etschlandes Band III. Teil 1. u. 3 - 1.Teil: Ritten, Sarntal, Tschöggelberg und 3.Teil: Uberetsch, Unterland und Regglberg. Benno Filser.
Richtig! Mit Oberbozen, und zwar spezifisch mit der Häusersiedlung, welche im heutigen Sprachgebrauch auf Maria Himmelfahrt reduziert wird. Dabei ist die Sommerfrische in Lengmoos/Klobenstein am nordöstlichen Teil des Rittner Plateus deutlich älter. Schon im 16. Jahrhundert entflohen die wohlhabenden Bozner Bürger der sommerlichen Hitze und dem geschäftigen Treiben der Stadt, suchten zeitweilig die Ruhe und Entrückheit eines Bergaufenthaltes, noch dazu bei atemberaubendem Panorama. Auch die Tatsache, dass es zu der Zeit immer noch wiederholte Pestausbrüche gegeben hat, wird die Entscheidung, die Familie für mindestens zwei Monate in die relativ sichere Sommerfrische zu schicken, begünstigt haben.
Leider ist von dieser Sommerfrischsiedlung wenig bekannt, zumindest in breiten Bevölkerungskreisen. Mir sind schon vor längerer Zeit die typischen Anwesen aus der damaligen Zeit aufgefallen, auch wenn sie im Gegensatz zu den Oberbozner Pendants inzwischen von später entstandenen Gebäuden mit anderer Zweckbestimmung eingekreist wurden. Ihr einfacher, vielfach quadratischer, der späten Renaissance geschuldeter Grundriss und das Walmdach unterscheidet sie von den länglichen barocken Oberbozner Sommerfrischhäusern mit den charakteristischen Schopfwalmdächern. Irgendwo hatte ich auch gelesen, dass bei den Klobensteiner Sommerfrischlern der Umhang einen schwarzen (wegen dem Deutschen Orden?) und nicht einen roten Kragen hat. Das war es aber auch schon.
Bücher darüber gibt es meines Wissens nicht, einzig die Publikationen von Georg Baron Eyrl (in der Zeitschrift “Der Schlern”, Auszug davon links abgebildet) und Josef Weingartner (im Buch “Die Kunst-denkmäler des Etsch-landes”) behandeln das Thema. Deshalb ist es für mich sehr wichtig, den emeritierten Prof. Christoph Pan letztlich kennengelernt zu haben. Seit 1975 besitzt der Soziologe das Sommer-frischaus Liebegg. Zusammen mit seiner Ehefrau Christine hat er das Haus mit Sach-verständnis renoviert, winterfest gemacht und mit sehr viel Feingefühl die Einrichtung vervollständigt.
Christoph Pan kennt sehr gut die obgenannte Quellen und bewegt sich auch sonst souverän im geschichtlichen Umfeld. Zudem ordnet er die örtlichen Entwicklungen in einem weiteren soziokulturellem Kontext ein. Ich hoffe sehr, dass sein Wissen zur Sommerfrische am Ritten auch der örtlichen Bevölkerung zugänglich gemacht wird.
Den Kontakt mit der Familie Pan habe ich übrigens Brigitte von Aufschnaiter zu verdanken. Ihre Familie war die letzte vor dem Eigentumsübergang 1969 auf meine Mutter, welche zum Zwecke der Sommerfrische in der Villa Kinsele eingemietet war. Christoph Pan war dort mehrmals zu Gast.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
Eyrl, Georg Baron von (1924). Beiträge zu einer geschichtlichen Darstellung der Entwicklung der Sommerfrisch-Ansiedelungen auf dem Ritten. In: Der Schlern – Zeitschrift Des Vereines Für Heimatschutz, 5, 52–57.
Eyrl, Georg Baron von (1924). Beiträge zu einer geschichtlichen Darstellung der Entwicklung der Sommerfrisch-Ansiedelungen auf dem Ritten. In: Der Schlern – Zeitschrift Des Vereines Für Heimatschutz, 5, 87–92.
Eyrl, Georg Baron von (1924). Beiträge zu einer geschichtlichen Darstellung der Entwicklung der Sommerfrisch-Ansiedelungen auf dem Ritten. In: Der Schlern – Zeitschrift Des Vereines Für Heimatschutz, 5, 155–157.
Eyrl, Georg Baron von (1924). Beiträge zu einer geschichtlichen Darstellung der Entwicklung der Sommerfrisch-Ansiedelungen auf dem Ritten. In: Der Schlern – Zeitschrift Des Vereines Für Heimatschutz, 5, 184–188.
Eyrl, Georg Baron von (1924). Beiträge zu einer geschichtlichen Darstellung der Entwicklung der Sommerfrisch-Ansiedelungen auf dem Ritten. In: Der Schlern – Zeitschrift Des Vereines Für Heimatschutz, 5, 285–287.
Eyrl, Georg Baron von (1925). Beiträge zu einer geschichtlichen Darstellung der Entwicklung der Sommerfrisch-Ansiedelungen auf dem Ritten. In: Der Schlern – Zeitschrift Des Vereines Für Heimatschutz, 6, 86–88.
Putzer, Ivo von (1925). Bemerkungen zu: Beiträge zu einer geschichtlichen Darstellung der Entwicklung der Sommerfrisch-Ansiedelungen auf dem Ritten. In: Der Schlern – Zeitschrift Des Vereines Für Heimatschutz, 6, 67–68.
Weingartner, Josef (1929). Die Kunstdenkmäler des Etschlandes Band III. Teil 1. u. 3 - 1.Teil: Ritten, Sarntal, Tschöggelberg und 3.Teil: Uberetsch, Unterland und Regglberg. Wien: Benno Filser.