Julius Perathoner (1849 bis 1926) war nicht ein Teil der Kinseleverwandschaft aber doch sehr zumindest mit einem von ihnen sehr verbunden: Anton Kinsele (1865 bis 1946) arbeitete zusammen mit Perathoner in der gemeinsamen Anwaltskanzlei am Bozner Obstmarkt. Anton Kinsele war auch unter Perathoner Stadtrat in Bozen und blieb sogar nach der Machtergreifung der Faschisten im Rahmen der Möglichkeiten ein politisch agierender Mensch (ihm werden noch einige Beiträge gewidmet werden).
Nachdem Julius Perathoner ganz stark ein (Vorzeige-) Kind seiner Zeit war, das Umfeld der vorletzten Kinsele-Generation auch am Ritten wesentlich beeinflusst hat und zudem erst vor ein paar Tagen der bemerkenswerte Beitrag im RAI Sender Südtirol ausgestrahlt wurde, wollte ich die dessen Aufzeichnung der geschätzten Leserschaft nicht vorenthalten.
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Kainrath, Peter Paul (2017). Julius Perathoner. Media Art im Auftrag von Rai Südtirol.
Richard Kinsele (3), der Weinexperte
Category: Menschen,Zeitschiene
geschrieben von Armin Kobler | 16. Januar 2022
Für einen vermögenden Bozner Patrizier gehörte es zu der Zeit natürlich dazu, auch über Weingüter zu verfügen. Richard Kinsele beließ es nicht nur beim Eigentum, er soll sich auch bei der Weinbeurteilung dementsprechend gut ausgekannt haben, so dass er in die Jury der Weinprämierung anlässlich der “Früchten-Ausstellung” berufen wurde (Bozner Zeitung vom 24.9.1867).
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts machte sich das segensreiche Wirken Erzherzog Johanns von Österreich der vorangegangen Jahre stark bemerkbar, insbesondere was die Aktivitäten der von ihm gegründeten landwirtschaftlichen Gesellschaften angeht. Alle interessierte Personen, unabhängig von ihrem Stand, konnten sich dort einbringen und am landwirtschaftlichen Fortschritt mitwirken. Es wurden neue Rebsorten, Anbaumethoden und Verarbeitungstechniken ausprobiert und nach einigen Jahrzehnten erblühte der tirolische Weinbau wieder. Herr Helmut Scartzezzini hat darüber publiziert, in meinem Wein-Blog kann man diese interessante Abhandlung nachlesen: Erzherzog Johann und der Weinbau in SüdtirolTeil 1, Teil 2.
Immerhin wurde schon damals blind verkostet, eine Voraussetzung für ein möglichst objektives Urteil. Und auch die Probleme mit den Verschlüssen sind nicht neu. Der Gebrauch von Siegellack über den Flaschenhals scheint übrigens damals durchwegs üblich gewesen zu sein.
Richard Kinsele war nicht der erste seiner Familie, der an der Weiterentwicklung und Verbesserung des Weinbaus in Tirol beteiligt war. “In der Versammlung des Zentralvereins (der K. K. Landwirtschaftsgesellschaft von Tirol und Vorarlberg) von 1840 berichtet die Filiale Bozen über die von Herrn von Kinsele eingeleiteten und vom Freiherrn Ignaz von Giovanelli fortgesetzten Rebenanpflanzungen mit Edelreisern von Frankreich, vom Rhein und anderen.” berichtet Scartezzini. Es muss sich dabei um den Onkel von Richard gehandelt haben. Josef von Kinsele zu Eckberg (1765 bis 1839) war nämlich der einzige adelige Kinsele.
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Die Heirat Richard Kinseles 1860 mit Franziska Kapeller (1835 bis 1891) war sicherlich hinsichtlich mehrerer Aspekte ein guter Zug, war sie doch die Tochter des Bozner Bürgermeisters Anton Kapeller, welcher von 1851 bis 1861 im Amt war. Wenn man der deutlich liberal eingestellten “Inn-Zeitung” vom 26. Oktober 1864 Glauben schenken kann, hat Richaed Kinsele konkrete Ambitionen hinsichtlich des Bürgermeistesessels gehabt. Die geschilderte Vorgangsweise klingt recht gefinkelt und das Ränkespiel zeigt deutliche Parallelen zur heutigen Politik auf (früher war eben nicht alles besser, nur so nebenbei bemerkt). Kapeller hätte also 1864 wieder kandidieren sollen und Richard Kinsele wäre ihm als Sekretär beigestellt worden. Nachdem der Bürgermeister aber wegen seines fortgeschrittenen Alters immer mehr auf die Hilfe Kinseles angewiesen gewesen wäre, würde Letzterer immer mehr zum De-facto-Regierenden und das nächste Mal als logischer Nachfolger gewählt werden.
Die angeführte Zeitung schildert sehr detailreich die verschiedenen Wahlgänge. Kinsele und Kapeller hatten sich zu diesem Zweck mit den Gegenspielern der Liberalen, den Klerikalen, zusammengetan. Die Wahlvorgänge scheinen aus heutiger Sicht sehr komplex gewesen zu sein, Tatsache ist, dass die Rechnung für beide nicht aufgegangen ist.
Bürgermeister wurde also der Liberale Dr. Josef Streiter, nach dem die heutige Gasse im Zentrum Bozens benannt ist.
Besser geklappt hat es vorher mit der Wahl zum Landtagabgeordneten. Richard Kinsele wurde 1864 von den Mitgliedern der Bozner Handelskammer dorthin entsandt. Eine gute Presse, wie man so sagt, scheint er weiterhin nicht gehabt zu haben. Die nämliche Inn-Zeitung (7.3.1864), wirft Kinsele, “für den keine großen Sympathien herrschen”, vor, von Franz v. Kofler protegiert zu sein. Hätten die anderen namhaft gemachten Kandidaten ihr Interesse bekundet, wären wohl diese gewählt worden, so die Zeitung. Im zweiten Wahlgang erhielt er dann die notwendige Mehrheit. Er versprach im Vorfeld “liberal zu sein und die Interessen des Handelsstandes auf das nachdrücklichste zu fördern”. Warum er dann schon 1866 von diesem Amt zurücktrat, entzieht sich meiner Kenntniss.
Aktiv war er auch in der von Franz von Kofler gegründeten, inzwischen zu einer Aktiengesellschaft umgewandelten “Baumwoll- und Filosell-Spinnerei” in St. Anton bei Bozen. Zusätzlich dazu spielte er eine Rolle bei den “Augsburger Gaswerken”, welche auch in Österreich und damit Bozen, aktiv waren. Bei der “Sparkassa zu Bozen” war er als Zensorenstellverter im Vorstand.
1849 trat Richard Kinsele zusammen mit seiner Mutter und seinen anderen sechs Geschwistern die umfangreiche Erbschaft des Alois Kinsele (geb. 1796) an. Gemeinsam mit seinem Bruder Franz kaufte er 1869 die Villa Kinsele den Miterben ab, 1873 überließ er dem Bruder Franz seinen Anteil am Haus. 1866 schon hatte er jenes Sommerfrischhaus in Maria Schnee, welches vorher im Eigentum der Wilhelmine Witwe Kofler geb. Grätzl war, ersteigert. Stammt die von uns zugemauert vorgefunden Verbindungstür vom Balkonzimmer zum Nachbarhaus etwa aus der Zeit des gemeinsamen Miteigentums?
Es verwundert nicht, dass er als bekannter Oberbozner Sommerfrischler auch für zwei Perioden Oberschützenmeister am dortigen Schießstand war. Ob er auch für die Kultur viel übrig hatte, weiß man nicht. Interessant wäre zu erfahren, was aus der Gemäldesammlung seines Onkels Josef von Kinsele zu Eckberg geworden ist. Diese soll ja zu dessen Lebzeiten die größte weit und breit gewesen sein.
Der Ehe mit Franziska Kapeller entsprossen zwei Kinder, Anton Kinsele (1865 bis 1946) und Franziska (Fanny) Kinsele (1869 bis 1956). Beide blieben unverheiratet und ohne Nachkommen. Sie verkauften das Haus in Oberbozen 1921 und lebten als Optanten für das Deutsche Reich schlussendlich in Hall in Tirol.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
Braitenberg, Carl von / Andergassen, Leo / Walther, Franz von / Kofler, Oswald and Braitenberg, Carl von (1994). Die Schützenscheiben von Oberbozen: Symbole eines ritterlichen Exercitiums (Völlig umgearbeitete und ums Doppelte erw. Neuaufl.). Bozen: Edition Raetia.
Anonym (1865, March 10). Rechnungs-Abschluß der Sparkassa zu Bozen für das Solarjahr 1864. In: Beilage Der Bozner Zeitung, pp. 5–12.
Richard Kinsele (1) und Adolf Pichler
Category: Menschen,Zeitschiene
geschrieben von Armin Kobler | 16. Januar 2022
… oder wie sich die große Zeitgeschichte auch in der Provinz bemerkbar macht.
Richard Kinsele (1829 – 1900) war der Sohn von Aloys Kinsele und Anna Vittorelli. Als Jurist war seine Haupttätigkeit jene des “öffentlichen Agenten“. Über seinen Beruf hinaus war er sehr umtriebig, was besonders durch die damaligen, schon recht detallierten Zeitungsmeldungen recht gut dokumentiert ist. Die Todesnachricht (hier in den “Neuen Tiroler Stimmen”) fällt hingegen recht kurz aus, einen zu erwartenden ausführlicheren Nachruf habe ich leider nicht gefunden.
Richard Kinsele hat in Wien studiert, gerade auch 1848, also in jenem Jahr, wo die Revolution nach Frankreich endlich auch andere Länder Europas erfasste und bestehende Herrschaftsysteme in ihren Grundfesten erschütterte. Es waren allerdings auch jene Jahre, in denen die Nationalstaatenidee mit ihren verhängnisvollen Auswirkungen immer mehr Fuß fasste. Umsonst warnte Franz Grillparzer schon 1849 “Der Weg der neuen Bildung geht von Humanität durch Nationalität zur Bestialität”. In Wien wird der Studiosus Kinsele den aus Erl bei Kufstein gebürtigen frischgebackenen Mediziner, Schriftsteller und späteren Naturwissenschaftler Adolf Pichler kennengelernt haben. Dieser Liberale, später Deutschnationale, muss zu dieser Zeit eine starke Ausstrahlungskraft gehabt haben, gelang es ihm doch, ein Freiwilligencorps von Tiroler und Vorarlberger Studenten in Wien zusammenzustellen, welches mithelfen sollte, die zu der Zeit bedrohte Südgrenze Tirols zu verteidigen. Richard Kinsele war einer der 127 Studenten in dieser “Erste freiwillige akademischen Tiroler Schützenkompanie in Wien”, welche ins Feld zogen, um “die welschen Eindringlinge gebührend zurückzuweisen”.
Richard Kinsele kam vom zweimonatigen Einsatz gesund zurück, die Kompanie löste sich auf. Der Dank des Vaterlandes blieb den Studenten aber verwehrt, sie wurden “sofort wegen angeblich revolutionärer Gesinnung unter geheime Polizeiaufsicht gestellt”. In einem Zeitungsartikel der “Innsbrucker Nachrichten” vom 9. 1. 1932 sind alle Mitkämpfer namentlich aufgelistet. Die Fahne der Kompanie, ganz dem deutschnationalen Zeitgeit verpflichtet in schwarz, rot und gold gehalten, wurde auch beim Begräbnis Richard Kinseles mitgetragen. Er starb am 9. November 1900, sein Hauptmann Adolf Pichler wenige Tage später, am 15. November.
Ein paar offen Frage möchte ich demnächst klären: Befindet sich die Kompaniefahne immer noch im Bozner Museum? Wird sie dort oder in einem Versteck die Wirren insbesondere der faschistischen Zeit überlebt haben? Warum hat sich der sonst so volksnahe Erzherzog Johann (wie im obigen Adolf-Pichler-Wikipedia-Artikel ersichtlich) so negativ über die Studentenkompanie geäußert? Hielt er nichts von deren Kampfkraft oder war ihm das Deutschnationale an ihr so zuwider? Als Mitregent hätte er eigentlich über deren Einsatz froh sein müssen, aber als übernationaler Habsburger konnte er natürlich dieses Gedankengut nicht teilen.
Granichstaedten-Czerva, Rudolf von (1932, January 9). Die Tiroler Studenten der Adolf-Pichler-Kompagnie in Wien 1848. In: Innsbrucker Nachrichten, pp. 7–8.
Schönn, Alois and Litzbarski, Ireck Andreas (2014, April 16). Haspinger segnet auf dem Wiener Südbahnhof die zur Landesverteidigung ausziehenden Tiroler Studenten 1848.
Der Friedl’sche Gemüsegarten erstreckte sich früher noch ein Stück gegen Osten, jetzt zum Hoferhaus gehörig, und im Süden bis zum Zaun an der Himmelfahrter Straße. Seit vielen Jahren ist dort aber nur mehr Wiese. Deshalb war es naheliegend, dass wir dem Wunsch nach ein paar Obstbäumen dort realisiert haben. Die Sortenwahl widerspiegelt die inzwischen stattgefundene Klimaerwärmung einerseits und andrerseits das Anliegen, alte Sorten wieder zu entdecken bzw. an ihrer Erhaltung beizutragen.
Der Verein zählt Mitglieder aus allen Teilen des Landes, welche sich nach ihren Möglichkeiten für das Kulturerbe der bäuerlichen Landwirtschaft einsetzen. Unsere Themen sind Sorten- und Artenvielfalt im Streuobst, Saatgutgewinnung von samenfesten Sorten und deren Anbau sowie Vorteile autoktoner Haustierrassen und deren Haltungsansprüche. Es findet ein reger Austausch über die Verwendung oder Veredelung der jeweiligen Produkte statt, welche bei Verkostungen immer wieder bekannt gemacht werden. Eine Gruppe von Bauern und Fachleuten setzt sich für den Erhalt und Wiederanbau alter lokaler Obstsorten ein und möchte die Nutzung von Streuobstwiesen wieder beleben. Alte Sorten sind wichtige genetische Ressourcen. Ihre Früchte sind vielfältig und charakteristisch im Geschmack. Ihre Verwendungen sind speziell und verführen in eine eigene Welt.
Weichen musste leider eine Esche, welche vor ca. 30 Jahren am Rande des Garten spontan aufgegangen ist. Im Südwesten gelegen hätte sie zu viel Schatten sei es auf den Gemüse- wie Obstgarten geworfen. Weiters haben wir am Zaun der unteren Wiese gegenüber dem Doppelbauer-Nachbarn drei Holundersträucher gesetzt. Dieser Standort ist für diese Art am besten, weil es dort immer feucht ist. Die Sorte Haschberg ist eigentlich keine bedrohte. Sie ist nämlich im Erwerbsholunderanbau meines Wissens immer noch aktuell.
Der verbliebene Rest des Gemüse- und Blumengartens – er war früher gut doppelt so groß – wurde inzwischen von der Firma Spinell mustergültig wieder auf Vordermann gebracht und zusammen mit uns gestaltet. Noch ruhen die frisch gesetzten Pflanzen und viele können erst in ein paar Wochen gepflanzt werden. Wir sind aber sehr zuversichtlich und erfreuen uns schon jetzt daran.
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Gefesselt von den Möglichkeiten der Suche im digitalen Archiv der Tessmann-Bibliotherk (ich berichtete) muss ich mich richtig zusammenreißen, immer beim Thema zu bleiben und mich nicht in all den Berichten aus der vergangen Zeit zu verlieren. Schon allein die verwendete blumige Sprache des 19. Jahrhunderts ist schon bemerkenswert, und es fallen einem die viele Übereinstimmungen aber auch Unterschiede in der Berichterstattung zur heutigen Zeit auf. Sehr detailliert waren die Artikel von Gewalttaten, Opferschutz war eben in jedem Fall noch ein unbekannter Begriff. Auch die Selbstmorde wurde ganz genau und nüchtern, ziemlich empathiefrei dargestellt. “Beifang” bei meiner Suche in den Zeitungen der damaligen Zeit gibt es also genug, dieser hat aber mit Oberbozen zu tun, weshalb ich ihn nicht den Leserinnen und Lesern vorenthalten will.
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Anonym (1924, August 9). Eine Eifersuchtstragödie in Oberbozen. In: Volksblatt, p. 4.
Ein jährliches Andenken
Category: Menschen,Zeitschiene
geschrieben von Armin Kobler | 16. Januar 2022
Alle Jahre wieder überzieht im Frühling ein Teppich von Narzissen den oberen Teil der unteren Hauswiese. Mindestens seit ich mich erinnern kann, und das sind inzwischen mehr als 50 Jahre, bereichern ganz viele gelbe Farbtupfer den zu Zeit noch recht grauen Oberbozner Vorfrühling. Mit ganz großer Wahrscheinlichkeit hat Kurt Friedl in den Jahren davor die Narzissenzwiebel dort gesetzt. Er bewohnte mit seiner Frau Else und dem gemeinsamen Sohn Alexander 22 Jahre ganzjährig die Villa Kinsele.
Meines Wissen hat meine Großtante an dem 1943 von ihr erworbenen Haus kein Interesse gehabt, das über das Wirtschaftliche hinausgegangen wäre; sie bewohnte ja schon den Ortnerhof, der dem Eigentum ihres Mannes entstammte. Demzufolge konnte sie auch mit dem großen Musikzimmer im oberen Stock nichts anfangen, sie baute eine kleine Wohnung hinein. Diese, samt dem Büro, dem letztlich von meinen Eltern benutzten Schlafzimmer, bewohnte die Familie Friedl seit 1947.
Kurt Friedl entstammt einer Hoteliersfamilie. Ihr gehörte das jetzige Hotel Post. Zumindest bis in die einsprachige italienische Zwischenkriegszeit trug es den Namen der Familie, wie diese Postkarte bezeugt. Man bemerkt auf dem Foto auch, dass der Hoferbauer schon an die neue Hofstelle umgezogen ist, der große Stallstadel im Park des Hotels ist nämlich nicht mehr vorhanden.
Ein leidenschaftliches Hobby des letztlich als Geschäftsführer der Rittner Quellwassergenossenschaft tätigen Oberbozners war das Gärtnern. Tatkräftig unterstützt von seiner Frau Else und dem heranwachsenden Sohn Alexander hegte und pflegte er den zum Haus gehörenden relativ großen Gemüsegarten mit einer beispiellosen Hingabe. Der Garten war weitum einer der schönsten. Auch nach der Übersiedlung konnte er den Garten leihweise behalten, wir hatten dafür während der Sommermonate immer das ganze frische Gemüse, das wir brauchten. Erst als er es irgendwann altersbedingt nicht mehr schaffte, gab er zu unserem Leidwesen den Garten auf. Ich erinnere mich immer gerne an den “Herrn Friedl”. Er war eine angenehme Respektsperson und ein Mensch, der über eine bemerkenswerte Bildung verfügte, weshalb man von ihm immer nur lernen konnte. Spätestens, wenn wie jedes Jahr alle Narzissen blühen, tritt die angenehme Erinnerung an ihn wieder in den Vordergrund.
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Fränzl, Lorenz (Wahrscheinlich Zwischenkriegszeit). Hotel Friedl und Viktoria, im Vordergrund pfügende Bauersleute. [Fotografie Postkarte].
Der Bozner Stern
Category: Bozen,Verschiedenes,Zeitschiene
geschrieben von Armin Kobler | 16. Januar 2022
Es gibt Ereignisse, welche für einen selbst eigentlich ziemlich unbedeutsam sind, bar jeder Wichtigkeit, und trotzdem bleiben sie uns aus einem unbekannten Grund im Gedächtnis erhalten. So eine Episode war die in meiner späteren Jugend vernommene Nachricht – ich lebte noch in Bozen –, dass der Stadtrat das historische Stadtwappen mit dem sechszackigen Stern auch formell wieder eingeführt hatte (21.4.1988). Während der faschistischen Periode hatte nämlich der fünfzackige “Stellone d’Italia” den sechszackigen “Stella Maris”-Stern, ein Bezug auf die Stadtpatronin, der Hl. Maria, ersetzt. Ab da an habe ich eigenartigerweise immer wieder die mir neu im Stadtbild unterkommenden Wappen bewusst im Hinblick auf die Sternformen angeschaut.
Hinsichtlich der Geschichte des Wappens schon etwas informiert, hat der untenstehende in der Wochenzeitung FF gegen Ende des vorigen Jahres veröffentlichte Artikel mein Interesse geweckt. Am historischen Waaghaus ist man nämlich im Laufe der Renovierungen auf mehre fünfzackige Wappensterne gestoßen. Die Verwunderung war groß, die Untersuchungen haben aber ergeben, dass es Produktionen bzw. Adaptierungen aus der Zeit des Faschismus waren.
Dabei hat es anscheinend schon vor dem Machtwechsel in den 1920iger Jahren einen etwas ungenauen Umgang mit dem Bozner Wappenstern gegeben. Man schaue sich nur das Wappen unseres Josef von Kinsele-Eckberg an.
Auch auf dem Ex Libris von Anton Kinsele ist das Bozner Stadtwappen mit dem welschen fünfzackigen Stern abgebildet. Für den deutschnationalen Mitstreiter Julius Perathoners wohl eine besondere Ironie des Schicksals.
Beim Schreiben dieses Beitrages bin ich übrigens auf einen sehr ausführlichen Aufsatz von Gustav Pfeifer gestoßen. In “Kommunalheraldik und Diktatur. Am Beispiel des Stadtwappens von Bozen (1926–1943)” greift der Südtiroler Landesarchivar weit aus und lässt kaum Fragen offen. Und auch hier werden einige, durchaus prominentere, prefaschistische Fünfzack-Ausnahmen genannt.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
Pfeifer, Gustav (2008). Kommunalheraldik und Diktatur. Am Beispiel des Stadtwappens von Bozen (1926–1943). In: Geschichte Und Region/Storia e Regione, 17, 138–158.
Menz und Sanin
Category: Menschen,Zeitschiene
geschrieben von Armin Kobler | 16. Januar 2022
Zumindest ein Teil des “Maria-Schnee”-Komplexes soll in der Anfangszeit den Menz gehört haben. 1943 ist die Villa Kinsele irgendwie wieder ins Menz’sche Eigentum zurückgekommen. Meine Großtante Antonie Sanin wurde durch die Heirat mit Walther zu einer von Menz. Laut der Verwandschaft eine stark durch die Vernunft geprägte kinderlose Ehe. Der wenig praktizierende Jurist Walther hatte eine tüchtige Verwalterin seines Resteigentums, meine Großtante einen Doktor- und Adelstitel. Leider erlebte er den Erwerb der Villa Kinsele nicht mehr, er verstarb ein Jahr davor.
Das Grab befindet sich am Friedhof von Maria Himmelfahrt, der Grabstein von Ignaz Gabloner stellt im Hintergrund die bekannte Gloriette am Ende der Ortnerhof-Allee dar. Meine Mutter Frieda Poli-Kobler, langjährige Mitarbeiterin im Juweliergeschäft Mumelter ihrer Tante Antonie, erbte das Kinsele-Haus, ich es wiederum von ihr.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
Das Haus ist nach 3 Seiten frei aber wegen der dasselbe umge- benden großen Bäume u. schiefen Wiese sehr schwer zu fotografirn. Bitte um freundl. Returnirung. Oberbozen bei Bozen Südtirol Kinsele-Haus, München Ysenburgstrasse 1
Wenn man sich die Fotos und Bilder bis 1945 ansieht – die Zeit bis zum Umbau 1970 fehlt bildlich leider momentan noch, – fällt zumindest ein zusätzlicher Baum auf. Unschwer an den typischen Blättern erkennbar, handelt es sich um eine hochgewachsene Rosskastanie, deren Stamm sich vor der schmalen Westseite des Hauses befunden haben muss.
Das ist einer der Hinweise darauf, dass die Villa Kinsele die meiste Zeit als reines Sommerfrischhaus verwendet wurde. Die ganztägige Beschattung durch mindestens drei große Laubbäume hätte außerhalb der heißesten Wochen im Jahr die Wohnqualität wohl zu stark vermindert. Ein weiterer Hinweis ist das Fehlen von Öfen bis zu einem gewissen Zeitpunkt. Irgendwann, wahrscheinlich in der Zeit ab 1880, muss aber ein Umdenken in dieser Sache stattgefunden haben. In dem unteren Aquarell vom Juli 1945, mit PE signiert, ist nämlich erstmals ein nachträglich angebauter zweiter Kamin zu sehen. Er kam vom Kachelofen in der hinteren Stube. Wahrscheinlich hat man diesen dort platziert, da der dazugehörige Kamin ohne größeren Baueingriff außen errichtet werden konnte. Leider wurde der Kachelofen im Laufe der Umbauarbeiten 1970 entfernt. In der vorderen Stube entstand ein neuer mit einem zusätzlichen, zentralen Kamin. Auf dem Aquarell verdeckt der ominöse dritte Baum die Westfassade weniger stark als auf den Fotos. Meiner bescheidenen Meinung nach wurde hier die künstlerische Freiheit verwendet, um das Bild aussagekräftiger zu gestalten.
Ein weiteres Detail fällt bei dem Foto oben – darauf klicken vergrößert es wie immer – auf: der Dachfirst des letztlich sogenannten Wegerhauses ist als eine Art Aussichtsbalkon gestaltet. Wie lange der existierte kann ich nicht sagen; als wir einzogen war er jedenfalls nicht mehr vorhanden. Irgendwann davor muss das Dach auch neu eingedeckt worden sein. Statt den gleichfalls auf dem Foto ersichtlichen Holzschindeln waren die für eine bestimmte Zeit typischen hellgrauen Zementfaserplatten angebracht.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
E, P. (1945). Villa Kinsele von Westen 1945. [Aquarell].
Eleonore Kinsele in Hall bei Franckensteins
Category: Menschen,Zeitschiene
geschrieben von Armin Kobler | 16. Januar 2022
Dem Winzerkollegen Baron Sigmund Kripp habe ich es zu verdanken, dass ich mit Herrn Josef von Franckenstein aus Hall Kontakt aufnehmen konnte. Eine sehr ergiebige Quelle, wie sich herausstellen sollte. Ich habe ersterem eigentlich nur beiläufig von diesem Projekt erzählt, aber nachdem seine Familie sehr stark mit der Salzbergwerksgemeinde verbunden ist, hat er sogleich den Beitrag über erste Haller Spuren gelesen. Dort ist ihm natürlich sogleich der Familienname seinen Freundes Josef von Franckenstein, wo Eleonore Kinsele von 1939 bis zu ihrem Tode 1958 wohnte, aufgefallen. Spontan hat mir Sigmund seine Telefonnummer und Mailadresse gegeben.
Eleonore Kinsele hatte das ungefähre Alter seiner Großmutter und starb, als Josef von Franckenstein vierzehn war. Sie lebte bei ihnen in Heiligkreuz in einer Zweizimmerwohnung. Bei festlichen Anlässen war sie oft in der Familie eingeladen und hat bei der Gelegenheit immer wieder eine Skizze oder ein Aquarell mitgebracht. Er glaubt sich daran zu erinnern, dass Eleonore früher auf der Anatomie in Innsbruck sezierte Körper für Lehrbücher minutiös porträtierte. Sehr verbunden war sie auch mit der ebenfalls bei Franckensteins wohnenden Familie Nentwich, die allerdings so um ihren Tod herum nach Innsbruck übersiedelten und über deren Verbleib er nichts in Erfahrung bringen konnte. Eleonore wurde im Heiligkreuzer Friedhof, neben Franckensteins Familiengrab beerdigt und eine Nichte von ihr aus Südtirol organisierte eine Grabplatte. Offenbar wurde nach einigen Jahren das Grab aufgegeben und in der Folge verschwand auch der Stein.
An das Museum am Anatomischen Institut der Medizinischen Universität Innsbruck habe ich inzwischen die Anfrage gestellt, ob dort von Eleonore Kinsele signierte Schaubilder aufliegen. Wie ich die Familie Nentwich mit den zur Zeit herrschenden Datenschutzgesetzen aufspüren kann, weiß ich momentan noch nicht. Ein Rätsel ist mir auch die angebliche Nichte aus Südtirol. Wenn es sich tatsächlich um eine Nichte gehandelt haben soll, kann es sich laut meinem momentanen Wissensstand nur um eine der Töchter ihrer Halbschwester Johanna gehandelt haben. Diese waren aber schon viele Jahre in Linz heimisch, weswegen Südtirol irgendwie nicht passt.
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Anonym (1900). Die Haller Nagglburg [Fotographie Postkarte].
Das rechte Maß
Category: Renovierung,Zeitschiene
geschrieben von Armin Kobler | 16. Januar 2022
Voraussetzung für eine valide Planung von Renovierungs- oder Umbauplanungen sind exakte Pläne des Bestandes. Nur so können die möglichen Gestaltungsszenarien realistisch dargestellt und demzufolge richtig bewertet werden. Zudem sind der Realität entsprechende Planunterlagen eine grundlegende Voraussetzungen für das Genehmigungsverfahren im Denkmalamt und in der Gemeinde.
In der Villa Kinsele ist diese Tage neueste High Tec auf barocken Bestand getroffen. Unser Vermessungstechniker Michael Vieider hat mit Hilfe eines Laserscanners das gesamt Haus innen und außen vermessen. Statt mit dem bewährten Maßband oder neuerdings dem Laser-Entfernungsmesser die Maße zu erheben und mit diesen Ansichten, Grundrisse und Schnitte – inzwischen natürlich digital – zu zeichnen, wurde in jedem Raum ein Laserscanner aufgebaut.
Laserscanner erfassen in kürzester Zeit die gesamte sichtbare Umgebung und speichern sie im digitalen Modell dreidimensional ab. Der 3D-Scanner dreht sich horizontal und um seine eigene Achse und tastet in wenigen Minuten (je nach Auflösung) die Oberflächengeometrie eines Messgegenstandes berührungslos ab. Je nach Modell des Scanners werden Millionen Messpunkte farbig oder schwarzweiß erfasst und bilden das Bauwerk, den Raum, das Bauteil, aber auch die Umgebung mit größter Präzision ab. Der Erfassungsbereich der sichtbaren Punkte reicht bei modernen Geräten von wenigen cm bis mehreren hundert Metern. Die Einzelscans verschiedener Standorte werden vom Rechner über Referenzpunkte zu einem räumlichen Gesamtmodell zusammengefügt. So können selbst große und komplizierte Bauwerke und Strukturen präzise bis ins Detail aufgenommen und dokumentiert werden.
Der Rittner Heimatkundler Klaus Demar, dem ich vor einiger Zeit die gefunden Fotos zugeschickt habe, hatte die Idee, diese auf eine originelle und mit einbeziehende Art der Rittner Bevölkerung über ‘s Rittner Bötl nahe zu bringen. In jeder der monatlichen Ausgaben werden zwei Bilder gezeigt, die Personen, welche die Orte wieder erkennen, sind aufgerufen, sich bei der Redaktion des Gemeindeblattes zu melden. Bin schon gespannt, ob und was sich ergeben wird.
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Demar, Klaus (2021). Vor rund Hundert Jahren – Teil 3. In: ’s Rittner Bötl, 39(Heft 259), 34.
Ideenfindung
Category: Renovierung,Zeitschiene
geschrieben von Armin Kobler | 16. Januar 2022
Heute haben Monika und ich das erste Mal den Architekten Franz Kosta in Salurn besucht. Wir waren verständlicherweise schon sehr auf seine ersten Entwürfe im Rahmen der Machbarkeitsstudie gespannt. Wir hatten den Eindruck, dass Franz schon recht deutlich gespürt hat, in welche Richtung wir uns bewegen möchten. Den vorgefunden Bestand verstehen, sein Potential erkennen und mit den Bauherren lange und offen Gespräche führen ist ein bewährtes Mittel, um das Projekt erfolgreich zu entwickeln. Der Projektant muss verstehen, was wir wollen, wir müssen ihn gestalten lassen.
Sobald das Gebäude vollständig vermessen ist, können die verschiedenen Szenarien konkreter dargestellt werden. Dann kann auch mit einer ersten Kostenschätzung begonnen werden. In der Folge werden wir sehen, welche Ideen sich noch im finanziellen Rahmen befinden und welche nicht mehr. Die Villa Kinsele steht unter Denkmalschutz, ich empfinde es eher als eine Chance, als ein Hindernis. Sobald der Fortschritt der Machbarkeitsstudie es sinnvoll erscheinen lässt, werden wir das Gespräch mit dem Denkmalamt suchen.
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Eine nachhaltige schöne Begegnung – wenn auch inzwischen nur über Telefon und Mail – war jene mit Frau Tanja Lartschneider-Kastler, der ersten lebenden Nachfahrin der Kinseles, welcher ich bisher begegnet bin. Sie hat sich viel Zeit genommen und mir bei der Recherche viel weitergeholfen. Wir freuen uns schon auf ein Treffen in Oberbozen oder in Margreid. Dank ihrer Hilfe konnte ich jetzt den Stammbaum erweitern und vervollständigen. Zudem hat sich mich mit kostbaren Fotos versorgt, alle beschriftet.
Franz Kinsele (1831 – 1908) war drei Mal verheiratet und hatte vier Kinder. Das älteste von ihnen, Johanna (1860 – 1946), heiratete den Arzt Josef Lartschneider (mit “t”!), einen Mediziner. Drei ihrer gemeinsamen vier Kinder sind in Bozen geboren, eines in Wien. In der Folge übersiedelten sie nach Linz. Der Sohn, auch Josef, ein Jurist, war der Großvater von Tanja Kastler.
Die dritte Frau von Franz Kinsele, Aloisia von Reharovszky, wurde in Hallein 1857 geboren und war vor der Heirat in Wilten bei Innsbruck zu Hause. Ihr Vater Alois war Bergrat in den Salzlagerstätten von Hallein und ungarischen Ursprungs. Nach dem Tode des Gatten 1908 besaß sie ein Fruchtgenussrecht auf die Villa Kinsele. Als sie 1941 stirbt, leben noch zwei der Erben, Johanna und Eleonore, das Haus ist mehrfach hypothekarisch belastet.
Ich vermute, dass dieses Foto der ganz jungen Eleonore während ihres Schulaufenthaltes bei den Ursulinen in Innsbruck in den letzten Jahren vor der Jahrhundertwende gemacht wurde. Da dürfte sie ungefähr 13 Jahre alt gewesen sein.
Das ist das älteste bisherige Foto dieser Recherche. Franziska Kapeller-Kinsele war die Tochter des Bozner Bürgermeisters Anton Kapeller. Richard (geb. 1829) und Franziska (geb. 1835) waren u.a. Eltern von Anton Kinsele, dem Bozner Rechtsanwalt und Gemeindepolitiker von dem schon die Rede war.
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Anonym (1860). Richard Kinsele und Franziska Kapeller [Fotografie].
“Villa Kinsele mit Maria-Schnee-Kirchlein”
Category: Hausgeschichte,Zeitschiene
geschrieben von Armin Kobler | 16. Januar 2022
Zuerst einmal möchte ich erklären, wieso ich das Gebäude so nenne. Unter Villa stellt man sich heute weiß Gott was für einen Luxus vor, der heute sicherlich nicht vorhanden ist. Insofern könnte man meinen, die Bezeichnung sei übertrieben. Früher aber, als ein Sommerfrischhaus den “Herrischen” vorbehalten war, strahlte es sicherlich Luxus und Begehrlichkeit aus. Ausschlaggebend war aber, dass Georg Baron Eyrl in seiner Arbeit über die Sommerfrischhäuser auf dem Ritten (Schlern 6/1925), diese immer als Villa bezeichnet.
Meines Wissens ist die Villa Kinsele das östlichste Haus der historischen Sommerfrischsiedlung , welche um den gleichnamigen Schießstand als gesellschaftlichen Mittelpunkt gruppiert ist. Auf dem abgebildeten Ausschnitt des Geobrowsers sind auch die Nummern der Grund- und Bauparzellen angeführt; letztere haben einen Punkt vor der ersten Zahl (wie immer werden die Abbildungen durch Daraufklicken vergrößert). Die Villa Kinsele hat die Bauparzellennummer (BP) 361, leicht erkennbar mit dem grauen Dach, in der Mitte des Fotos. Dazu gehören eine Grünfläche an der Südseite vor dem Gebäude, Grundparzelle (GP) 3197/2, sowie zwei Wiesen, welche das Gebäude halbkreisförmig umschließen (GP 3196 und 3197/1). Nordseitig schließt sich das Kirchlein Maria Schnee BP 360), im Eigentum der Pfarre Oberbozen, an. Das zweite Gebäude dieses Komplexes ist das nach den langjährigen Eigentümern benannte Wegerhaus (BP 359). Dazu gehörten schon immer der ehemaliger Park (GP 3194 und 3200) und der darin befindliche historische Pavillon (BP 864/2), welchen übrigens Eleonore Kinsele für ein Exlibris ihres Cousins Anton Kinsele abgezeichnet hat.
Dass die heute so genannten Villa Kinsele und Wegerhaus eine zumindest teilweise gemeinsame Geschichte haben, lassen mehrere Hinweise vermuten. Der obgenannte Georg Baron Eyrl führt nämlich nur die “Villa Kinsele mit Maria Schnee” an, was bedeutet, dass das Wegerhaus damals ein Teil davon war. Zudem konnte man vor dem Umbau im Jahre 1970 im Balkonzimmer der Villa Kinsele gut eine zugemauerte Tür erkennen, welche direkt in das angebaute Wegerhaus führte. Andrerseits unterscheiden sich architektonisch die beiden Baulichkeiten. Als Laie der ich bin, vermute ich, dass die Villa Kinsele ihr ursprüngliches barockes Aussehen bewahrt hat, während das Wegerhaus – wahrscheinlich im 19. Jahrhundert – sichtbar umgebaut wurde.
Das dritte Gebäude diese Komplexes ist das ehemalige Wohngebäude eines Bauernhofes, dem “Hofer” (BP 362). Seine Wirtschaftsgebäude standen dort, wo sich das heutige Gastlokal “Babsi” (BP 3093) befindet und im Park des Hotel Post; an jener Stelle, wo bis vor ein paar Jahren ein Pavillon von der örtlichen Musikkapelle genutzt wurde. Der Bauernhof wurde am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts an den Nordrand des Dorfes verlegt, die Gebäudlichkeiten verloren daraufhin ihre landwirtschaftliche Nutzung. Auf dem Luftbild kann man den markant großen Stall/Stadel des Hoferbauern noch erkennen und Ortskundige werden bemerken, dass das großzügig erbaute Hofensemble angrenzend an die Bäckerei Hackhofer noch fehlt. Die Villa Kinsele ist von ihren Bäumen ziemlich zugedeckt, die darunter befindlichen Hotels Post (damals Friedl) und das Viktoria sind hingegen leicht erkennbar.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
Eyrl, Georg Baron von (1925). Beiträge zu einer geschichtlichen Darstellung der Entwicklung der Sommerfrisch-Ansiedelungen auf dem Ritten. In: Der Schlern – Zeitschrift Des Vereines Für Heimatschutz, 6, 183–186.
Holzner, Maria (2008). 100 Jahre Park-Hotel Holzner. Eigenverlag.
Robert Kinsele als Fotograf
Category: Menschen,Zeitschiene
geschrieben von Armin Kobler | 16. Januar 2022
In einem Brief an seine Halbschwester Eleonore gibt Robert Kinsele umfangreiche Tips für das Entwickeln von Filmen und dem Vergrößern. Deshalb ist nicht ausgeschlossen, dass zumindest einige Fotos aus dem uns verfügbarem Nachlass von ihm stammen. Dass er das Fotografieren auf hohem Niveau beherrscht haben muss, bezeugt die Tatsache, dass er mit anderen Fotografen am Bildband “Südtirol”, herausgegeben und eingeleitet von Josef Julius Schätz (Verlag F. Bruckmann AG, München 1928), mitgearbeitet hat. Interessiert daran, ob Robert bei diesem Werk eventuell auch Bilder vom Ritten beigesteuert hat, habe ich das Werk im Buchantiquariat käuflich erstanden. Drei Bilder von ihm wurden darin publiziert, keines aber von Oberbozen:
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Bemerkenswert ist die Einleitung. Sie ist mit einem Pathos geschrieben, der uns heute total fremd geworden ist. Deshalb möchte ich sie euch nicht vorenthalten.
Südtirol, Südtirol! Klingt es nicht wie von Bergen und von Burgen, von greisem erkerigem Häuserwerk und kühlem Laubengang, von meistersingerhafter Bürgerbehäbigkeit und Zunft und Innungsbrauch, von Glockenchor und schwerem pontifikalem Glanze. — Südtirol! Klingt es nicht wie Wappenschild und Minnegesang, wie der Widerschein der Humpen, voll vom Gefunkel edlen Weins, welchen Virgilius und Strabo so hoch gelobt, welchen Kaiser Augustus so gerne getrunken hat, der die durstigen Schlünde der Bajuvaren kühlte, da sie als wanderndes Volk mit Weib und Kind fröhlichen Einzug im Paradies des Etschlandes hielten. — Südtirol! Klingt es nicht wie die Erfüllung jeglicher Bergsehnsucht — von den hohen Gletschereinsamkeiten bis zu der über alles irdische Maß hinausgeworfenen Dämonie der Dolomiten, die Tag um Tag wie die Tore des Morgens erglühen… Ein seltsames Land! Ein Land, Schönheit zeugend, Schönheit spendend, die Schönheit selbst. Wo ist ein anderes, das auf so kleinem Raume eine solche Mannigfaltigkeit des Klimas und der Flora und einen so bunten Wechsel der landschaftlichen Bilder aufweist wie Südtirol. Hier scheint die Sonne inniger, hier wachsen Mandel und Feige, Rosen und Kastanien, Korn und Wein. Hier prangen wundersaın vereinigt Tannen und Zypressen. Ewiges Eis leuchtet nieder zu den göttlichen Gärten. In geheimnisvollen Seen spiegeln sich die wildesten Wunder des Steins, hohe Felsenbauten, tausendfach zerzackt, zerzinnt, und von den Blitzen des Himmels zerspellt. Doch noch anderes gilt es zu verstehen. Hier ist der Bauer von Adel und altem Geblüt, hier dokumentierte zu allen Zeiten ein traditionenstolzes Bürgertum Kultur, Kunstsinn und Wohlhabenheit. Für den, dessen Verhältnis zu allen Künsten, also auch der Architektur, sich wesentlich vom Geist und von der Seele aus orientiert, hat das Bild der Südtiroler Stadt seinen besonderen Rang. Diese ehrwürdigen Gassen, voll von Turmfenstern, Treppengiebeln, Lauben, Erkern, Pfeilern und Hallen, die so erhaben über die Rationalisierungsdürre unserer Zeitanschauung stehen, sind sie nicht bauliche Zeugen einer großen Vergangenheit, vom gleichen Geiste geprägt wie Hall, wie Rattenberg und Rothenburg, wie Alt-Nürnberg und Alt-Frankfurt – klein von Umfang, aber mit weiter geistiger Schau. Aus solchen Stätten stillschaffenden geistigen Menschentums kam viel Kultur. O, wir sollten die Schönheit dieser Städtchen bewundernd genießen, wir sollten in seliger Sammlung dieses Mittelaltermärchen durchschreiten, wo uns immer und überall das Gefühl umfängt: Hier ist die Heimat, wir sind daheim. Wir sollten Gipfel um Gipfel dieses Landes besteigen, um hundertmal den Anblick einer Landschaft von einzigartiger Schönheit genießen. Die Bilder dieses Buches werden uns viel von dem uns stammverwandten Lande erzählen, von dem Lande, das in unserem Herzen fortlebt. Allen Mitarbeitern, die das Werk durch ihre Kunst und durch ihr Wissen mit aller liebevollen Bereitwilligkeit gefördert haben, sei hier innig gedankt.
JOS. JUL. SCHÄTZ
Die 200 Seiten des Bildbandes betrachten ist eine Reise in die Vergangenheit. Besonders wenn man die Fotos genauer anschaut, welche die besiedelten Talschaften betreffen, merkt man, was sich in den vergangenen hundert Jahren, speziell nach dem zweiten Weltkrieg, getan hat. Rein was die Schönheit betrifft, ist diese nicht mehr die Gleiche. Ein paar Beispielbilder anderer Fotografen:
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Einer im Vergleich nüchterneren Sprache bedient sich der Bozner Maler und Dichter Hubert Mumelter:
Südtirol
Gott trug den Namen in die Schönheit hinein: Verheißung denen, die der Sonne warten, ein ew’ger Traum von blauen Frühlingsfahrten tief in der Sehnsucht Land hinein.
Da leuchtest du, du holdes Ostertal und winkst mit deiner Hügel weißem Blühen; hoch über abendlichen Burgen glühen die Berge, ein betörendes Fanal.
Groß ist dein Sommer, wolkenlos und klar, und wölbt sich heiter goldnem Herbst entgegen; die Reben reifen süß in seinem Segen und leuchtend ruhst du im vollbrachten Jahr.
Und still verklärt gehst du zum Winter ein, träumst tief in dich in diesen braunen Tagen und hörst entzückt dein frühes Herz schon schlagen, denn Gott trug dich in seinen Frühling ein.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
Von Eleonore Kinsele sind fast alle Schulzeugnisse vorhanden. Sie hat in Bozen die Volksschule besucht, später war sie im Mariengarten in St. Pauls, schlussendlich bei den Ursulinen in Innsbruck. Diese Zeugnisse haben uns auch zu Beginn der Recherche ihr Geburtsdatum geliefert. Auf Grund der “Unterschrift der Eltern oder deren Stellvertreter” habe ich zuerst gedacht, Johanna Kinsele sei der Name der Mutter gewesen. Hingegen weiß ich inzwischen, dass sie die ältere Halbschwester war. Wieso Johanna unterschrieb, obwohl die Mutter von Eleonore noch lebte, bleibt mir unbekannt. Auffallend sind die vielen Fehltage in der Volksschule.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
(1894). Jahres-Zeugnis Privat-Bürgerschule in Innsbruck.
Können wir die Linde retten?
Category: Hausgeschichte,Renovierung,Zeitschiene
geschrieben von Armin Kobler | 16. Januar 2022
in einem früheren Beitrag habe ich von dem bedeutendem Astbruch an unserer Linde berichtet. Nachdem ihr möglichst langer Erhalt uns in Sinne eines Ensemble sehr wichtig ist, habe ich nicht lange gewartet und einen früheren Kollegen aus unseren gemeinsamen Laimburg-Zeiten um Rat gebeten. Valentin Lobis, seit Jahren als erfolgreicher Gutachter im Baumpflegewesen unterwegs, war letztlich vor Ort und hat sich beide Bäume, also auch die Rosskastanie angeschaut und abgeklopft. Die im Stamm der Linde vorgefundene weitverbreitete Fäulnis hat wahrscheinlich vor 50 Jahren begonnen. Ungefähr in dieser Zeit wurde sie meines Wissens auch das erste Mal radikal zurückgeschnitten.
Ein spezialisiertes Baumpflegeunternehmen wird sich im März/April unter seiner Aufsicht des Baumes annehmen. Es gilt im Sinne der Stabilität und des Fortbestandes, mehrere tiefer gelegene Kronenstockwerke aufzubauen und die hohe Spitze schrittweise im Lauf der nächsten Jahre zurückzunehmen. Nach dem Austrieb wird Valentin den Baum auch bestimmen und meine Annahme, dass es sich um eine Winterlinde (Tilia cordata) handelt, bestätigen oder verwerfen. Er zweifelt etwas daran, weil seit Jahrhunderten in Mitteleuropa ganz viel Hybriden verbreitet sind.
Die Rosskastanie ist in einem bedeutend besseren Zustand. Aber auch ihr müssen gezielt einige Äste entnommen werden, damit sie eine weitestgehend gesicherte Zukunft hat. Wie prägend die zwei (eigentlich drei) Bäume für die Villa Kinsele seit jeher waren, zeigen auch die unten angeführten Bilder von 1900. Interessant wäre natürlich eine Altersbestimmung der Bäume. Beim nächsten Zusammentreffen muss ich Valentin fragen, ob diese heutzutage minimalinvasiv erfolgen kann, d.h. ohne dem Gesundheitszustand abträglich zu sein.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen: