Hans von Hoffensthal, der fast vergessene “Dichter des Rittens”
Category: Oberbozner Sommerfrische
geschrieben von Armin Kobler | 3. April 2022
“Wieder einmal kann der jauchzende Ruf durch alle Lande gesandt werden: Wir haben einen Poeten! Einen Poeten!“
So überschwänglich klang es in der der Rezension der Neue Hamburger Zeitung anlässlich Hoffensthals Erstroman Maria Himmelfahrt. Und tatsächlich genoss der Autor zu Lebzeiten ein derartiges Renommee, dass er sogar Hermann Hesse einmal vorangestellt wurde und seine Romane sich mit jenen von Rainer Maria Rilke und Arthur Schnitzler in einer Bestenliste der damaligen Zeit wiederfanden. Sein der Tuberkulose geschuldete allzu früher Tod 1914 – er wurde nur 37 – , das Waffengeklirr des ersten Weltkrieges, welches die Klagelieder über den Verlust schnell übertönten sowie die Tatsache, dass das Genre des Gesellschaftsromans danach auf wenig Wertschätzung stieß, ließen das Interesse an seinem Werk bald schwinden.
Frau Beatrix Unterhofer, als Wirtstocher des Schluff in der Oberbozner Sommerfrische aufgewachsen und im steten Kontakt mit deren Bewohnern, hat das Leben und Wirken Hoffensthals zum Inhalt ihrer Diplomarbeit gemacht. Es war eine glückliche Fügung, dass Edition Rætia diese, angereichert mit den gewohnt einfühlsamen Fotos Oswald Koflers, in Buchform herausgegeben hat. Hans von Hoffensthal – Ein Leben in der Sommerfrische, auch dieses Werk ist leider nur mehr im Buchantiquariat erhältlich.
Zum 125. Geburtstag des Dichters hat Georg Kierdorf-Traut ihn in der volkskundlichen Zeitschrift Der Schlern gewürdigt. Ein sehr lesenswerter Beitrag, der u.a. einen schönen Kurzauszug aus Lori Graff beinhaltet und auch treffend das sein Œvre durchwirkende Naturverständnis erklärt.
Um das Wirken Hoffensthals wieder mit der Sommerfrische und damit auch der Villa Kinsele und deren Bewohnern in Verbindung zu bringen, erlaube ich mir, einen Textauszug aus der Arbeit von Beatrix Unterhofer direkt zu übernehmen.
Der Ritten als Schreibstube
Auch der Dichter Hoffensthal erlebte die Zeit von Mitte Juni Anfang September zum Großteil im vertrauten Umfeld seiner Familie, Vettern und Tanten im Rittner Feriendomizil am Anglerhof, den der Vater um 1885 erworben und zu einem bequemen Sommerhaus nach altem Bozner Brauch umgestaiten ließ. In all seinen Romanen gibt es eine ausgeprägte Bezogenheit auf den konkreten Rittner Raum. In der Nähe und doch abseits des urbanen Raumes, im Schutz der Sommerfrische, begegnen sich Stadt und Land, und dort weilte und schrieb Hoffensthal. Fast alle Romanhelden kommen mit der Sommerfrische und den dort praktizierten Bräuchen in Berührung, Durch die künstliche Siedlung erfährt das Bürgertum Nobilitierung, die Landschaft wird zum inszenierten Erlebnis: Parkhafte Hochgebirgsszenerie, pittoreske Schluchten und Tälerromantik, Umgestaltung des Parks zu Kulissen, verbunden mit einem Reglement an Bildung und Verhalten, werden zu Themen mit alltäglichem oder exotischem Charakter. In dieser theatralisch maroden Isolation wurden die Alleen unter genau eingespielter Regie zu Kommunikatiunszenlren. Es entsteht ein Korso am Berg. Durch lange, ebene, künstlich geschaffene Wege sind die einzelnen Häuser miteinander verbunden, und es entsteht eine Korso-Situation: Aus städtischer Gewohnheit pflegt die »Gesellschaft« nun zwischen den einzelnen Mahlzeiten auch auf dem Berg zu promenieren. Ruheplätze, eine sogenannte »Bankerl-Landschaft«, trägt zur Höhentherapie und der Ritten als Dependance des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens des Bozner Patrizier- und aufsteigenden Bürgertums bei.
Ich habe noch zu wenig vom Autor gelesen, um mir bekannte Personen möglicherweise in seinen Texten wieder zu erkennen. Die Villa Kinsele aber hat Hoffensthal sehr wohl zumindest im Roman Marion Flora verwendet, ganz eindeutig ist sie dort wiederzufinden, auch wenn er nicht ihren Namen nennt. Sogar die damalige Bepflanzung der Nachbarhöfe Hofer und Doppelbauer stimmen zur Gänze.
Schlussendlich gibt es auch noch einen verwandschaftlichen Zusammenhang: Maria Antonia Anna Kinsele, die Tochter des Franz Sales Kinsele und Gemahlin des Bozner Bürgermsteisers Anton Hepperger, war die Großmutter des Hans von Hoffensthal.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
Anonym (1961). Gruppenbild am Ortnerhof [Fotografie].
Hofer, Oberhofer, Unterhofer, Doppelbauer?
Category: Nachbarschaft
geschrieben von Armin Kobler | 3. April 2022
Der Versuch, die Höfe endlich eindeutig zu bestimmen.
Auch wenn die Villa Kinsele im Mitttelpunkt der Häusergeschichte bleibt, ist es naheliegend, auch die Geschichte der umgebenden Gebäude etwas zu beleuchten. Besonders, wenn unser Sommerfrischhaus mit diesen zusammengebaut ist. Vielleicht finden wir noch den Grund heraus, warum hier – anders als in Oberbozen sonst üblich – zwei Sommerfrischhäuser an ein nachweislich älteres Bauernhaus angebaut sind; vielleicht bleibt es aber auch ein Geheimnis. Von den drei Höfen, welche den Kern Maria Schnees bilden, hat nur mehr einer eine zudem teilweise landwirtschaftliche Funktion. Einer wurde in ein Hotel umgewandelt und einer in Wohnungen, später zusätzlich zu einem Gasthaus umgebaut.
“… grenzend gegen Osten an die Oberhoferwiese und den Oberhoferplatz, gegen Süden an die Behausung des Oberhofer und der Alois Kinsele’schen Erben, gegen Abend an die Wiese des Doppelbauern und die Kirche von Maria Schnee, gegen Norden an die Wiese des Oberhofer.”
Beilage zur Bozner Zeitung 9.6.1866
Das ist natürlich ein Hinweis, welcher ob seiner Präzision sehr hilfreich ist. Es ist das Versteigerungsedikt, mit dem die Verlassenschaft der Frau Wilhelmine Witwe Kofler geborenen Grätzl feilgeboten wird (das spätere Wegerhaus). Interessant, dass der Stadel des Oberhofers an dem Ort stand, wo später eine kurze, urban wirkende Häuserzeile entstand, genau gesagt die Metzgerei Baumgartner. Fotos von genau dieser Situation habe ich (noch) keine.
Deutlich schwieriger war die Verortung der Höfe Hofer und Unterhofer. Zuerst einmal ist es naheliegend zu denken, dass wenn ein Oberhofer existiert, es zumindest auch einen Unterhofer geben wird. Ein Hofer – zwischen den beiden – ist ebenfalls denkbar. Bestärkt wurde ich in letzterer Annahme von der Tatsache, dass die drei Höfe höhenversetzt sind, der Hofer als landwirtschaftliches Anwesen samt Gastwirtschaft immer wieder beschrieben wird und die Eigentümer des untersten Hofes Unterhofer hießen.
Doch es kamen bald auch Zweifel an der These auf: Denn der Unterhofer’sche Hof wird immer wieder als Doppelbauer (siehe unten) bezeichnet. Doppelbauer bedeutet Besitzer zweier Höfe? Und wenn das nicht der Unterhofer ist, wer in Maria Schnee ist er dann?
Meine ursprüngliche Hypothese habe ich endgültig verworfen, als ich letztlich die Meldung fand, dass der Oberbozner Grund- und Bauverein 1921 dem Karl Ramoser den Ober- und Unterhofer verkauft hat (siehe Zeitungsausschnitt). Unmöglich nämlich, dass der Doppelbauer einmal auch dem späteren Hoferbauer gehört haben konnte! Aber zum Glück sind in der Meldung auch die Einlegezahlen des Grundbuchs vermerkt.
Ein Besuch im Grundbuchsamt in Bozen und das Durchblättern der ledergebundenen schweren historischen Bücher hat dann endlich Klarheit geschafft: Offiziell gab es den Oberhofer, Unterhofer und Doppelbauer. Mit der verwirrenden Eigenheit, dass der Unterhofer immer wieder einfach nur Hofer genannt wurde.
Dieser schlampige Umgang mit den Hofnamen hat mich die längste Zeit im Dunkeln tappen lassen. Gelernt habe ich in der Sache, dass es in diesen Fällen besser gewesen wäre, das Grundbuch von Anfang an in Anspruch zu nehmen, in den Einlagen der betroffenen Katastergemeinden systematisch zu blättern und für die Verortung der Höfe die BP-Nummern der Hofstelle zu notieren. Meine Lernkurve in dieser Recherche zeigt also immer noch steil aufwärts.
In der nächsten Zeit werde ich die drei Höfe und deren Entwicklung detaillierter darstellen.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen: