“Um eigene Trauben Und eigenen Wein für den Hausgebrauch Zu haben, muss man zweitens auch In Gries oder in den Zwölfmalgreien Mit einem Höfl begütert sein.”
Um die Deckung des obgenannten Eigenbedarfes mussten sich die Kinseles wahrlich keine Sorgen machen, so üppig waren ihre Weingartenflächen in Bozen, Zwölfmalgreien und Gries schon in der Gründergeneration. Als Franz Xaver Kinsele, der auch immer wieder als Franz von Sales Kinsele bezeichnet wird, 1812 stirbt, hinterlässt er u.a.:
in der Gemeinde Zwölfmalgreien: “Die Baurecht und Gerechtigkeit eines Weingutts, nebst darin stehenden kleinen Hitls von 3 alten Graben im Dorfe ober Botzen gelegen…”
in der Gemeinde Gries: “Die Baurecht eines Weinbau nebst einen darin befindlichen kleinen HäuslDas “Riesenhäusl”, früher Fagen 300, jetzt Luigi-Cadorna-Str. 17. so mit No 941 bezeichnet ist von 11 alten Grabern groß in der Leeg am Fagen liegend,…” “Die Baurecht eines Wiesmads, und Weinbaues im Neufeld nebst einen unter den Weg liegenden kleinen Wiesels mit Obstbäumen besetzt und darin befindlichen Muhr Grube von 9 1⁄2 Graber groß,…” Dort als bedeutenste Immobilie den Egghof: “Die Baurecht & Gerechtigkeit des gantzen Hofs der Egghof genant ober Troyenstein in der Fraction Gries, Gemeinde BotzenGries wurde erst 1849 eine selbständige Gemeinde, war bis dort Teil des Magistratbezirkes Bozen. liegend, so da besteht in einer wohl erbauthen Feuer und Futterbehaußung mit Stuben, Küchen, Kämern, Torgl, und Keller, dann 2 Stallungen, Heudillen, Wasch und Brandtweinküchen, wie auch einen abgesonderten kalten Keller, ferners bey 35 Graber, 150 Klafter Weinbauleuthen, /: wovon aber ein Theil durch Überschwemung vor einigen Jahren verschütet wurde:/ in verschiedenen Abtheillungen dies und jenseits des gemeinen Fahrwegs nach Guntschna, sambt 185 Klafter großes Wiesel beym Unterstein Weingütl am Fagenbach liegend, auf welchen Wiesl den Insasen von Guntschna die Streu Niederlage zu gestatten ist; endlich bey 21 Morgen Berg mit etwas Eich und Kastanien Bäumen, auch Staude besetzt, worin sich vorgemeldter kalter Keller befündet; rücksichtlich der grenzen u Grundherrschaft sehe man in dem unten datierten Kaufs Urkund nach. Dann die Baurecht einer luteigenen, und des Grundzins halber freyen Stücks Erdreichs Wiesmad auf der weiten Wiesen neben den Schafstall bey 2 1⁄2 alte, oder 4 neue Tagmad, 6 Klafter groß; in Betreff der Gräntzen, wenn schon Nachbarn derselben geblieben sind, giebt der nembliche Kaufs Brief Aufschluß; ferners ein luteigenes Pran Mooß im Neufeld diesseits der Etsch, Grieser Revier 2/5 Tagmad groß mit Vorbehalt der gräntzen,…”
Schon 1858 wird er an Karl Pischl aus Gries verkauft. Der trennt sich schon 1875 wieder von der Immobilie, als Agent wirkt ausgerechnet Richard Kinsele, der Enkel des Franz Xaver Kinsele. Da muss mindestens Wehmut, wenn nicht Bitternis dabei gewesen sein. Ob der in der Annonce angeführte Trojensteinerhof mitsamt dem Gscheibten Turm schon von den Kinseles erworben wurde oder erst von Karl Pischl entzieht sich noch meiner Kenntnis.
Vor einiger Zeit habe ich mich gefragt, woher der geadelte Josef von Kinsele seinen Zusatz “zu Eckberg” hat. Auf Grund der letzten Erkenntnisse kann ich mir schon vorstellen, dass auf den Egghof Bezug genommen wurde.
Auch wenn es keine Weingärten sind, sollten bei der Gelegenheit zur Vervollständigung noch die anderen landwirtschaftlich genutzten Flächen der frühren Bozner Kinseles angeführt werden:
“Ein Stück Neufeld außer gries in der ersten Tafel nach der Mappe N. 12, 13, u 14 ,…” “Zwei Streu Möser jeder von 2 Tagmad, welche in dem bey den Acten des ehemaligen Stadt und Landgerichtes Botzen liegende Versteigerungs Edikt von 23 März 1801 enthalten, und mit N. 2 & 3 bezeichnet sind, am Neufelde, …”
und schlussendlich in Völs: “Dazu die Behaußung zu unter Völs die Thurn Behaußung No 184 mit Gewölben, Torgl, Dresch Stadel, Garten und was dazu gehört…” “Endlich lauth original privat Urkunde No 10 de 3 April 1809 erwarb der Verlebte die Grundherrschaft auf den Hof und die Metzmühle zu TelzegVölsegg? in Völs…”
Auf wieviel kann man also in Summe die Rebflächen der ersten Bozner Kinsele schätzen? Ein alter Bozner Weingarten-Graber entspricht ca. 577 m2. Zählt man alles zusammen, auch den Weingarten, welche sich beim später dazugekommen Stadthaus in der Dominicanerstraße befand, kommt man auf über 3,5 Hektar, also eine Fläche welche, einmal den Eigenbedarf gedeckt, einiges an Traubengeld abwerfen konnte.
Danke Matthias Gasser für die Verortung des Egghofes und andere nützliche Hinweise zum Thema!
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
Holzknecht, Thomas (2023). Schriftliche Mitteilung.
Die acht Bozner Seligkeiten (1)
Category: Bozen,Menschen
geschrieben von Armin Kobler | 5. November 2023
am Beispiel der Familie Kinsele
Wer hat noch nie von den Bozner Seligkeiten, acht an der Zahl, gehört? Karl Theodor Hoeniger hat ihnen mit dem 1933 im “Altbozner Bilderbuch” erschienenen Gedicht ein bleibendes Denkmal geschaffen.
Die Aufzählung dieser Voraussetzungen für ein vollständig erfülltes Bozner Bürgerleben eignet sich sehr gut, um den in kürzester Zeit erfolgten wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg der Kaufherrenfamilie Kinsele darzustellen.
“Als erste muss man unter den Lauben Ein Haus besitzen.”
Eine zentrale Rolle im Leben und Wirken eines Bozner Kaufherrens – und das war das angestrebte Ideal – spielte dabei das Laubenhaus, ein Haus in der Stadtgasse, entweder unter den “deutschen [südseitigen] oder welschen [nordseitigen] Gewölben”, wie auch die offizielle Adresse lautete. Um den urbanistischen und den damit eng verwobenen gesellschaftlichen Rahmen besser zu verstehen, in dem sie sich auch diese Familie bewegte, lasse ich gerne Hannes Obermaier, ehemaliger Leiter des Stadtarchivs Bozens, zu Worte kommen:
Die Altstadt von Bozen mit ihrem malerisch wirkenden Kern rund um die Laubengasse ist ein dichtes Gebilde an sozial-, wirtschafts- und kulturgeschichtlichen Bedeutungen. Die eng gebauten Häuser der Marktanlage aus dem späten 12. Jahrhundert sind sowohl vom europäischen Spätmittelalter wie auch von der jüngeren Moderne geprägt – und dies zumeist auf kaum entwirr- oder unterscheidbare Weise. Dieser vielschichtige historische Ensemblecharakter ist nicht unwesentlich auf die enge Verschränkung von Raum und Zeit zurückzuführen. Außen- und Innendimensionen der Gebäude gehen hierbei eine beinahe nahtlose Verbindung ein: Das „Raumzeitkontinuum“ von Bozens Bürgerhäusern kommt besonders an einzelnen herausgehobenen Beispielen zum Vorschein, die mit ihrer fast kanonischen Abfolge von Keller, Handels- und Wohnbereich bis heute das Leben und Wirtschaften in der vormodernen Tiroler Territorialstadt verdeutlichen.
Es ist geradezu ein Kennzeichen des Bozner Bürgerhauses, dass es – vielleicht deutlicher noch als in verwandten Städten des Alpenbogens – die alteuropäische Sozialform des „ganzen Hauses“ illustriert. Bürgerliche Lebensbewältigung und Fortkommen waren auf wirkungsvolle Produktions- und Reproduktions-leistungen unter einem Dach angewiesen. In der baulich und funktional verdichteten Innenstadt waren möglichst viele Marktteilnehmer an der Einstraßenanlage der Lauben und dem diese umgebenden Gassengeviert (Streiter-, Binder-, Muster- und Silbergasse) zu platzieren. Dies generierte den regen Austausch einer face-to-face-Gesellschaft, in der sich gegenseitige Solidarität und Konkurrenzstrategien stets nur mühsam die Waage hielten. Vormoderne Reziprozität der einfachen Tauschökonomie und moderne Marktpraktiken des Handelskapitalismus gerieten nicht selten in Konflikt miteinander. Diese Grundspannung ist in das Dicht-an-Dicht des altstädtischen Häuserbestandes förmlich eingeschrieben und verleiht ihm seinen besonderen und geheimnisvollen Reiz.
Zentrale Insignie der Bürger und Bürgerinnen und ihrer Geschlechterverhältnisse waren darum Vermögen, Hausbesitz und generative Kontinuität. Daran knüpften sie ihre Rollenerwartungen und ihren Habitus und leiteten daraus soziales und kulturelles Kapital ab, ohne welches jeweilige Prestigeerwartungen nicht erfüllt werden konnten. Karl Theodor Hoenigers Gedicht „8 Bozner Seligkeiten“ aus dem frühen 20. Jahrhundert bringt solchen besitzstandswahrenden, tendenziell sozialkonservativen, aber auch von gezähmtem Liberalismus durchwirkten Bürgergeist sinnfällig zum Ausdruck.
Die mir vorliegenden Nachlässe der Familie Kinsele sind natürlich eine vorzügliche Quelle, um zumindest jene Seligkeiten, welche eigentumsbezogen sind, zuzuordnen.
Das Laubenhaus:
“Die Baurecht der sogenannten vormals Kreutzerischen Behaußung, am Elephant genannt, unter den welschen Gewölben zu Botzen, so mit No 12 bezeichnet…” (Nachlass Franz Xaver Kinsele 1812) sowie “und neuen Nr. 197, bezeichnet, gränzt 1. An das Welponische Haus, 2. An die Laubengasse, 3. An das Ofersche Haus, 4. An die Karnergasse,..” (Nachlass Alois Kinsele 1849)
Leider konnte ich an der Außenseite des Hauses keine Hinweise auf die Kinsele-Eigentümerschaft, welche bis 1856 dauerte, vorfinden. Das Wappen auf der Rückseite könnte auf die vorigen Hausbesitzer (Kreuzer?) hinweisen. Interessant, wie das Haus gegen die Dr.-Streiter-Gasse hin immer schmäler wird. Momentan beherbergt das Gebäude ein Schuhgeschäft der Kette “Snipes”.
Auch noch die folgende Generation hat den städtischen Immobilienbestand vergrößert:
“Die Baurecht und Gerechtigkeit der im Steuercataster der Stadt Bozen sub Nr. 242 litt a. und b. vorkommenden mit Nr. 453 bezeichneten Behausung in der Dominicanergasse von 3 Stöcken, Keller, Wasch und Brandweinküche und Gewölben nebst dabei liegenden Garten, größtentheil Weingut von 4 alten Grabern, in welchem sich außer einer Orangerie ein Gartenhaus, Ansetz und Presse, Stadl und Stallung und Brunnen befindet.” (Nachlass Alois Kinsele 1849)
Von diesem Komplex ist nur mehr der vordere, der früheren Dominicanergasse, heute Goethestraße, zugewandte Teil erhalten geblieben. Es war in der Zeit der Aufzeichnung ein stattlicher Besitz, welcher über die herrschaftliche Behausung hinaus über eine vollständige landwirtschaftliche Infrastruktur und ca. ein Viertel Hektar Rebfläche verfügte. Dazu ist wichtig festzustellen, dass die Domicanergasse die Westgrenze der verbauten Stadt darstellte. Von dort aus waren bis zur Talfer die Flächen größtenteils mit Rebstöcken bepflanzt; heute nur mehr schwer vorstellbar. Einzig die Häuser der heute nach dem Museum benannte Straße erstreckten sich schon damals etwas weiter gegen Westen.
Herr Helmut Rizzolli hat mir freundlicherweise die Gebäudlichkeiten im heutigen Stadtgefüge verortet, ihm sei dafür gedankt.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
Obermair, H. (2020). Die bürgerliche Kunstsammlung Kreuzer-Eccel, Bozen (KEB) - die Geschichte eines Hauses. Funktionsgeschichtliche Prolegomena für das Museum Silbergasse 10-12 / Lauben 45. http://rgdoi.net/10.13140/RG.2.2.13570.02242