“… Und sintemal Ein jeder dieses Jammertal Verlassen muss zu seiner Zeit Und nach der Bozner Seligkeit Zur ewigen wird eingeladen, Ist sechstens unter den Arkaden Am Friedhof ein Familiengrab Vonnöten, …”
Ausdauer, die bei Bedarf in Hartnäckigkeit übergeht, ein bestimmter Grad an Detailversessenheit und natürlich eine ordentliche Portion Fortune braucht man, um bei Nachforschungen dieser Art erfolgreich zu sein. Meine Anfrage an die Friedhofsverwaltung der Gemeinde Bozen, ob sich im städtischen Friedhof Oberau noch Gräber von Kinseles befinden, blieb nämlich unbeantwortet und zu wissen, dass nach der Auflassung des Pfarrfriedhofs im Zentrum der Stadt keine Familienmitglieder in Bozen selbst mehr verschieden sind, weshalb eine Übersiedelung auf den neuen städtischen Friedhof in Oberau sehr unwahrscheinlich war, ließ die Hoffnung auf das Auffinden von Grabstätten stark schwinden.
Dass es aber zumindest ein stattliches Grabmal gegeben haben muss, war ich mir ob des wirtschaftlichen und sozialen Standes der Familie von Anfang an sicher. Bestätigt wurde ich in dieser Überzeugung später, als mir als Netzfund “Die heimische Bildhauerfamilie Reinalter” und darin die Abbildung des Denkmals Josef von Kinseles mit der Ortsangabe Pfarrfriedhof Bozen untergekommen ist. Einer glücklichen Fügung ist es dann zu verdanken, dass ich in dem hinsichtlich der Bozner Geschichte sehr aufschlussreichen Buch “Bozner Obstplatz” von Günter Rauch auf Seite 42 nicht nur ein Detail des obgenannten Werkes abgebildet fand, sondern auch Gries und nicht mehr Bozen als Standort angegeben war. Die Rückfrage beim Buchautor, der das Foto zudem selbst gemacht hat, bestätigte den Ort. Nach einer kurzen Suche am Friedhof um der alten Grieser Pfarrkirche fand ich dann endlich an der Nordmauer das Grabmal, und konnte es mit einem nicht unerheblichen Grad an Genugtuung – dies sei mir gegönnt – bestaunen.
Anfänglich hatte ich vermutet, in der Rainalter-Publikation sei fälschlicherweise der Ort Bozen angegeben worden und Gries als Standort ließe sich damit erklären, dass der Kinsels’sche Egghof (“… zu Eckberg”) sich in Fagen/Gries befindet. Inzwischen zweifle ich die Richtigigkeit der Standortangabe nicht mehr an, sondern vermute stark, dass auf Betreiben der letzten – zudem kinderlosen – Kinseles in Bozen, Fanny und Anton, das Denkmal durch die Versetzung nach Gries vor der voraussichtlichen Zerstörung im Laufe der Auflassung des Pfarrfriedhofes Bozen bewahrt werden sollte. Die generellen Aussagen in “Wege zu den Friedhöfen und Grabstätten” der Gemeinde Bozen unterstützen mich darin.
Anton Rainalter (1788-1851) war seinerzeit einer der gefragtesten Bildhauer in Tirol, besonders im südlicheren Teil desselben. Sein weniger bekannter, von Schluderns nach Bozen gezogener Vater Andreas hat mit der Bildhauerei begonnen, der Sohn lernte den Beruf bei ihm und für ein paar Jahre auch an den Akademieen der Bildenden Künste in München und Wien, konnte aber auf Grund von finanziellen Engpässen die Ausbildung nicht zu Ende bringen. Trotzdem war er sehr beliebt und schuf neben einigen weltlichen Skulpturen auch über 50 Grabdenkmäler, welche sich die vermögenden Bozner Familien unter den Arkaden des Pfarrfriedhofes aufstellen ließen.
Hinsichtlich des Kinsels’schen Grabmals lasse ich den Enkel Rainhard Rainalter zu Wort kommen:
Wie man sieht, waren die Kinseles nachweislich nicht erst seit Richard Kinsele (Mitglied der “Erste freiwillige akademischen Tiroler Schützenkompanie in Wien”, ich berichtete) freisinnig eingestellt. Über das Verhältnis der Familie zur Religion werden demnächst auf diesen Seiten Beobachtungen und Betrachtungen behandelt werden.
Trotz der Wertschätzung, welche er als Künstler zeitlebens genoss, wurde Anton Rainalter nach dem Ableben zunächst wenig Anerkennung zuteil, ihn selbst wollte man nämlich nicht mit einem Grabdenkmal unter den Arkaden würdigen. Das wollten nicht alle so hinnehmen, weswegen wenig später ein Gedicht von anonymer Hand im “Bozner Wochenblatt” veröffentlich wurde:
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen
Rabanser, Hansjörg (2019). Andreas Alois Dipauli und das elterliche Grabdenkmal in der Pfarrkirche von Aldein. In: Wissenschaftliches Jahrbuch der Tiroler Landesmuseen, 12, 129–149.
Redaktion (1851, January 15). Rainalters Manen. In: Bozner Wochenblatt, p. 2.
Nicht gekennzeichnete Fotos sind vom Blogautor.
Der Bozner Stern
Category: Bozen,Heraldik,Zeitschiene
geschrieben von Armin Kobler | 25. Februar 2024
Es gibt Ereignisse, welche für einen selbst eigentlich ziemlich unbedeutsam sind, bar jeder Wichtigkeit, und trotzdem bleiben sie uns aus einem unbekannten Grund im Gedächtnis erhalten. So eine Episode war die in meiner späteren Jugend vernommene Nachricht – ich lebte noch in Bozen –, dass der Stadtrat das historische Stadtwappen mit dem sechszackigen Stern auch formell wieder eingeführt hatte (21.4.1988). Während der faschistischen Periode hatte nämlich der fünfzackige “Stellone d’Italia” den sechszackigen “Stella Maris”-Stern, ein Bezug auf die Stadtpatronin, der Hl. Maria, ersetzt. Ab da an habe ich eigenartigerweise immer wieder die mir neu im Stadtbild unterkommenden Wappen bewusst im Hinblick auf die Sternformen angeschaut.
Hinsichtlich der Geschichte des Wappens schon etwas informiert, hat der untenstehende in der Wochenzeitung FF gegen Ende des vorigen Jahres veröffentlichte Artikel mein Interesse geweckt. Am historischen Waaghaus ist man nämlich im Laufe der Renovierungen auf mehre fünfzackige Wappensterne gestoßen. Die Verwunderung war groß, die Untersuchungen haben aber ergeben, dass es Produktionen bzw. Adaptierungen aus der Zeit des Faschismus waren.
Dabei hat es anscheinend schon vor dem Machtwechsel in den 1920iger Jahren einen etwas ungenauen Umgang mit dem Bozner Wappenstern gegeben. Man schaue sich nur das Wappen unseres Josef von Kinsele-Eckberg an.
Auch auf dem Ex Libris von Anton Kinsele ist das Bozner Stadtwappen mit dem welschen fünfzackigen Stern abgebildet. Für den deutschnationalen Mitstreiter Julius Perathoners wohl eine besondere Ironie des Schicksals.
Beim Schreiben dieses Beitrages bin ich übrigens auf einen sehr ausführlichen Aufsatz von Gustav Pfeifer gestoßen. In “Kommunalheraldik und Diktatur. Am Beispiel des Stadtwappens von Bozen (1926–1943)” greift der Südtiroler Landesarchivar weit aus und lässt kaum Fragen offen. Und auch hier werden einige, durchaus prominentere, prefaschistische Fünfzack-Ausnahmen genannt.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
Pfeifer, Gustav (2008). Kommunalheraldik und Diktatur. Am Beispiel des Stadtwappens von Bozen (1926–1943). In: Geschichte Und Region/Storia e Regione, 17, 138–158.
Der Kreis beginnt sich zu schließen
Category: Menschen,Zeitschiene
geschrieben von Armin Kobler | 25. Februar 2024
Ausschnitt aus einer Mitteilung von Evi Pechlaner, Südtiroler Landesarchiv:
Der „Ahnherr“ der Bozner Familie Kinsele war Franz Sales Kinsele, der der Sohn eines aus dem Vinschgau zugewanderten Bäckermeisters war und nach einer Ausbildung zum Kaufmann eine äußerst erfolgreiche Karriere startete. Er erlangte 1771 das Bozner Bürgerrecht und war zeitweise Geschäftsführer, später Teilhaber des erfolgreichen Bozner Handelshauses Georg Anton Menz. Er war mit Helene Stickler von Gassenfeld verehelicht. Schon 1784 wurde Kinsele ein Wappenbrief verliehen, einige Jahre später gründete er eine eigene Großhandlung. Sein Sohn Josef Kinsele erlangte 1839 die Erhebung in den Adelsstand mit dem Prädikat „von Eckberg“.
Danke besonders der Mithilfe von Frau Evi Pechlaner aus dem Landesarchiv, aber auch auf Grund der Daten aus Hall (Alexander Zanesco) habe ich einen vorläufigen Stammbaum erstellen können. Der zukünftig hoffentlich wieder ermöglichte Einblick in die Pfarrmatrikeln ist für seine Vervollständigung notwendig. Ich weiß z.B. noch nicht, wer die Mutter von Johanna Kinsele ist. Zudem fehlt hier noch der Josef, welcher in Grinzing bei Wien begraben ist, auch wenn ich mir denken könnte, er müsste – rein vom Sterbejahr her betrachtet – ein Sohn des Joseph oder, wegen des Fehlens des Adelstitels aber eher, des Alois gewesen sein.
Interessant, dass Robert 1913, also mit 42 Jahren, vom ungarischen Staatsbürger Josef Strausz adoptiert wurde. Zu welchem Zweck? jedenfalls könnte diese Beziehung das Vorhandensein von ungarischen Schriftstücken erklären.
Die nächsten Schritte zielen in drei Richtungen: 1. Vervollständigung des Stammbaums 2. Auf der Basis von diesem Klärung der Eigentumsabfolgen der Villa Kinsele 3. Suche nach Nachkommen und, sofern erfolgreich, Kontaktaufnahme mit diesen.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen: