Ansichtskarten der Woche (9)

Abb. 1: “Bahnhof Oberbozen mit Hotel Holzner” (Ansichtskarte, 20er Jahre). Das Klicken auf die Abbildung vergrößert wie immer deren Darstellung am Bildschirm.

Eine Ansichtskarte (Abb. 1) aus der Zeit nach dem ersten Weltkrieg: Das Hotel Oberbozen wurde schon zu Hotel Holzner umbenannt. Eine Garnitur der Rittnerbahn, kommend von Klobenstein, ist Richtung Bozen abfahrtsbereit. Der auch heute noch Hotel Holzner genannte Beherberungsbetrieb, der als Hotel Maria Schnee geplant und als Hotel Oberbozen eröffnet wurde, hat den gehobenen Tourismus am westlichen Rittner Plateau eingeleitet. Das Hotel hat hinsichtlich Lage, Größe und Ausstattung Maßstäbe gesetzt, weswegen dessen Abbildungen zahlreich in die Welt hinaus geschickt wurden. Man erkennt auch das hell getünchte Stationsgebäude und ganz links das Dach des Warenlagers der Bahn. Die sichtbaren Verkehrswege sind mit den heutigen ident, freilich waren die Beläge naturnäher, mit allen Vor- und Nachteilen. Zu der Zeit überwog der ländlicher Chrakter des Rittens noch stark. Letzlich ist gerade durch die harte Gestaltung des Riehl-Platzes, wie dieses Areal jetzt zu Ehren des Erbauers der Rittnerbahn heißt, die Stadt nochmals näher herangerückt.



Abb. 2: “Hotel Holzner in Soprabolzano (m 1193) sul Renon verso Gruppo del Catinaccio (m 2981) ” (Ansichtskarte, Zwischenkriegszeit)

Die Ansichtskarte der Abbildung 2 wurde vom Hotel Hofer, wie das heutige Hotel Post heißt, aus gemacht. Das Gelände, wo der Bahnhof und das Hotel Oberbozen gebaut wurden, ist Teil der “Hoferbreiten” einer großen, leicht nach Süden abfallenden, auch heute noch hauptsächlich landwirtschaftlich genutzten Fläche. Der obere größere Teil ist im Besitz des Hoferbauern, der kleinere untere Teil gehört zum Doppelbauern.

Abb. 3: “Rittnerbahn. Hotel Oberbozen m. d. Dolomiten” (Ansichtskarte, Anfang 20. Jh.)

Die Abbildung 3 zeigt das Hote lOberbozen und den Bahnhof aus einer selten dargestellten Perspektive, von St. Magdalena aus gesehen. Als Maria Schnee noch kaum verbaut war, kam die Lage des Nobelhotels noch besser zur Geltung. Beindruckend die noch freien Flächen oberhalb des Bahnhofs. Ganz links ist der Doppelbauer abgebildet, rechts angrenzend das Hotel Hofer.

In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:

J.F. Amonn. (Anfang 20. Jh.). BHF Oberbozen mit Hotel Holzner [Ansichtskarte]. Sammlung Kobler.

J.F. Amonn. (Zwischenkriegszeit). Hotel Holzner in Soprabolzano (m 1193) sul Renon verso Gruppo del Catinaccio (m 2981) [Ansichtskarte]. Sammlung A. Kobler.

Gugler, J. (Anfang 19. Jh.). Rittnerbahn. Hotel Oberbozen m. d. Dolomiten [Ansichtskarte]. Sammlung A. Kobler.




Spuren der Rittnerbahn

Von wem waren die Grundstücke und was ist geblieben?

Die Geschichte der Bergbahn, die von 1907 bis 1966 den Bozner Waltherplatz mit dem heutigen Rittener Hauptort Klobenstein verband, ist bereits intensiv erforscht worden. Obwohl sie vor fast 60 Jahren durch eine Seilbahn und eine Straße ersetzt wurde, ist das Interesse an ihr nach wie vor groß. Die Tatsache, dass sie eine ingenieurtechnische Meisterleistung darstellt und gleichzeitig eine Technik verkörpert, die sich der Landschaft anpasst und nicht mit auffälligen Kunstbauten brachial über sie hinweggeht sowie dem weit verbreiteten Bedürfnis nach Entschleunigung entgegenkommt, weckt verständlicherweise nicht nur Interesse sondern bei Eisenbahninteressierten auch Sehnsüchte.

Abb. 1: 22. Juli 1956. Meine Eltern wurden gerade in der Kirche Maria Himmelfahrt getraut und begeben sich mit den Hochzeitsgästen zu Fuß in das Hotel Holzner. Kurz vor dem Doppelbauer (Hotel Viktoria) werden sie von einem Richtung Klobenstein fahrenden Zug überholt. Von den gezogenen Beiwägen mit ihren kennzeichnenden offenen Plattformen ist leider kein einziger übrig geblieben (Sammlung Kobler).

Dass diese Wahrnehmung zu einem guten Teil einer verklärten Erinnerung geschuldet ist, sei an dieser Stelle auch angemerkt: Jeder, der nicht als Tourist unterwegs ist, weiß es heute nämlich zu schätzen, dass gegenüber den früheren neun täglichen Fahrten zu je 55 Minuten das Rittner Hochplateau heute im 4-Minuten-Rhythmus nach nur 12 Minuten Fahrzeit erklommen wird.

Abb. 2: Eines der häufigsten Motive bei Ansichtskarten über die Rittnerbahn. Ein bergfahrender Zug oberhalb von St.Magdalena bestehend aus Schublock, einem vierachsigen Personentriebwagen und einem offenen Güterwaggon für den Warentransport. Im Hintergrund die sich in diesen Jahren stark ausdehnende Stadt (Ansichtskarte aus der Zwischenkriegszeit, “BOLZANO – Ferrovia del Renon”, Sammlung Kobler)



Als Referenzwerk über die Rittnerbahn kann man heutiger Stand sicherlich das 2007 erschienene Buch Rittnerbahn: Eisenbahn am Berg – in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von Klaus Demar und Mitautoren nennen. Einen sehr guten und ausführlichen Einblick in Geschichte und Gegenwart der Rittnerbahn bietet auch Wikipedia an. Dort wird zudem auf sehr viel weiterführende, auch im Netz befindliche Quellen verwiesen, dabei sehr interessante aus der Plan-, Bau- und Betriebszeit. Schon zum Zeitpunkt der Eröffnung hat die Bahn ob der Ingenieursleistung für Aufsehen gesorgt. Wie sie in der Fachpresse seinerzeit beispielgebend beschrieben wurde, kann man in Elektrische Kraftbetriebe und Bahnen (Teil 1, Teil 2), in der Zeitschrift des Österreichischen Ingenieur- und Architektenvereins sowie in Die Tiroler Bergbahnen nachlesen.

Abb. 3: Das Streckenprofil der Rittnerbahn (aus Zeitschrift des Österreichischen Ingenieur- und Architektenvereins, 1908, S. 598).

Eine Quelle, die meines Wissens noch nicht aus den Archiven geholt wurde, ist ein Edikt, das im April und im Mai 1907, also bereits gegen Ende der Arbeiten, im Boten für Tirol veröffentlicht wurde (Abb. 4 bis 6). Darin werden alle vom Trassenverlauf betroffenen Grundstücke, getrennt nach den Gemeinden Zwölfmalgreien und Ritten, und deren Eigentümer aufgelistet. Letztere werden aufgefordert, sich innerhalb von 90 Tagen beim betreffenden Gericht zwecks der Entschädigung für die erfolgte “Exprpropriation” anzumelden. Das Bemerkenswerte dieser Tabellen ist, dass eine Vielzahl von früheren Eigentumsverhältnissen in einem Dokument zu Tage tritt. Voraussetzung dafür ist, dass man über ein Mindestmaß von Orstkenntnissen verfügt und den Streckenverlauf nachvollziehen kann. Einige Namen werden dem geneigten Leser dieses Blogs schon einmal oder mehrmals begegnet sein, und der eine oder andere wird die Namen seiner Vorfahren in der Tabelle wiedererkennen.

Abb. 4: Auflistung der betroffenen Grundstücke und deren Eigentümer in der Gemeinde Ritten (Amtsblatt des Boten für Tirol vom 6.4.1907, S. 11. Das Klicken auf die Abbildung vergrößert diese.
Abb. 5: Auflistung der betroffenen Grundstücke und deren Eigentümer in der Gemeinde Ritten (Amtsblatt des Boten für Tirol vom 6.4.1907, S. 12.
Abb. 6: Auflistung der betroffenen Grundstücke und deren Eigentümer in der Gemeinde Zwölfmalgreien (Amtsblatt des Boten für Tirol vom 7.5.1907, S. 9.

Bald sind 120 Jahre seit dem Bau, 60 seit der Auflassung der Steilstrecke vergangen. Was ist von ihr noch sichtbar? Thomas Hainz von RAI Südtirol hat sich im Rahmen der Sendung Bergwelt mit dem obgenannten Autor Klaus Demar auf dem Weg gemacht, um zu schauen, was von der inzwischen zum Industriedenkmal gewordenen Trasse noch übrig geblieben ist. Dabei werden nicht nur alte Fotos sondern auch immer wieder aufschlussreiche Filmsequenzen aus den letzten Betriebsjahren eingespielt. Wirklich sehenswert!

«BergweltEntlang der Rittner Zahnradbahn. Montag 24. Februar 2025, RAI Südtirol.
Eine spannende Tour auf den Spuren der Rittner Zahnradbahn und der Aufbruch zu neuen Skitouren im Hohen Norden Europas. Darüber berichtet die Bergwelt mit Thomas Hainz.
Am Beginn des 20.Jahrhunderts war sie eine Errungenschaft für den aufkommenden Tourismus in Bozen: die Rittner Zahnradbahn. Heute ist sie längst Geschichte. Aber entlang der alten Trasse kann man diesem alten Industriedenkmal noch heute nachspüren und muss dafür auch mal die markierten Pfade auf den Ritten verlassen.»

In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:

Anonym. (1956). Frieda Poli und Erich Kobler nach der Trauung auf dem Weg zum Hotel Holzner [Fotographie].
Anonym. (30er Jahre). BOLZANO – Ferrovia del Renon [Ansichtskarte]. Sammlung Kobler.
Demar, K., Denoth, G., Petrovitsch, H., & Schindl, W. (2007). Rittnerbahn: Eisenbahn am Berg - in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Athesia.
Wikipedia-Autoren. (2023, August 25). Rittner Bahn. Wikipedia. https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Rittner_Bahn&oldid=236731756
Seefehlner, E. E. (1908). Die Rittnerbahn (Tirol). Elektrische Kraftbetriebe Und Bahnen, 6(29), 577–584.
Seefehlner, E. E. (1908). Die Rittnerbahn (Tirol) Schluss. Elektrische Kraftbetriebe Und Bahnen, 6(31), 617–624.
Korger, I. (1908). Die Rittnerbahn. Zeitschrift Des Österreichischen Ingenieur-Und Architektenvereins, 60(37), 598–601.
Armbruster, K. (1914). Die Tiroler Bergbahnen. Verlag für Fachliteratur.
Anonym. (1907, June 4). Edikt. Bote Für Tirol, 11–12.
Anonym. (1907, July 5). Edikt. Bote Für Tirol, 9.
Hainz, T., Oberschmied, U., & Edler, J. (2025). Bergwelt – Entlang der Rittner Zahnradbahn [Video recording]. berg&welt medienproduktion im Auftrag von RAI Südtirol.




Die Bahn war schuld (2)

… oder war es doch der Wille der Sommerfrischgesellschaft?

Zu der verkehrsmäßigen Erschließung des Rittner Hochplateus hatten die Bozner Sommerfrischler immer ein gespaltenes Verhältnis. Die Zahnradbahn zuerst, die Seilbahn danach und zuletzt die vollständige Anbindung an das Straßennetz wurden und werden natürlich auch von ihnen in den Sommermonaten genutzt – deshalb auch die Würdigung eines wesentlichen Förderers aus ihren Reihen durch die Schützenscheibe (Abb. 1) . Man wollte aber gleichzeitig weiterhin größtenteils nur unter sich bleiben; Oberbozen sollte ein ruhiges Rückzugsgebiet der dortigen Hausbesitzer bleiben, kein Ort für Touristen oder Zuzügler.

Abb1: Scheibe des Oberbozner Schießstandes: Nr. 111, Jubiläumsfest des Edmund von Zallinger-Thurn 1913. “…der Wasserleitung, Eisenbahn in’s Leben rief: Ein Hoch dem Mann!” (Braitenberg et al. 1994)

Hans von Hoffensthal, hat mit seinem – ich kann es nicht oft genug wiederholen – wunderbar melancholischen Essay “Abschied von Oberbozen” 1907 dieser Haltung ein hervorstechendes Denkmal gesetzt. Ganz so schlimm, wie es der Bozner Dichter voraussah, ist es dann, zumindest was die alte Sommerfrischesiedlung angeht, zum Glück doch nicht gekommen, die Bozner wussten sich zu wehren. Man kann diese Haltung natürlich als opportunistisch, gar als Ausdruck von Snobbismus interpretieren, aber auf diese Weise ist uns allen ein einzigartiges Ensemble mit hohem kulturellen Wert erhalten geblieben.



Anders als, um in der Nähe zu bleiben, Lengmoos und Klobenstein. Dem geübten Blick entgehen dort nicht die größtenteils sogar älteren Sommerfrischbehausungen. Sie sind aber in der Zwischenzeit von anderen Gebäuden umzingelt und in der dörflichen Siedlungsstruktur des Rittner Hauptortes aufgegangen.

Als es in den ersten Jahren nach 1900 darum ging, die “Trace”, wie man damals schrieb, konkret zu planen, galt es natürlich auch,die topografischen Gegebenheiten des Bergrückens und die technischen Möglichkeiten berücksichtigend, zu entscheiden, welche Ortsteile von der Bahn unmittelbar erschlossen werden sollten. Nachdem der erste Trassenverlauf, der über Unterinn und Klobenstein sogar das Rittnerhorn erreichen sollte, verworfen wurde, sollte die Bahn über den Rebhügel von St. Magdalena und ober der Rivelaunschlucht Oberbozen anfahren und dann bis Klobenstein weitergeführt werden. Doch wo und wie intensiv sollte Oberbozen von der neuen Infrastruktur berührt werden? 1904 hat das Aktions-Komitee zur Förderung des Rittnerbahn-Baus eine üppige Broschüre mit viel Text und schönen Illustrationen drucken lassen; aber wo genau die Haltestellen an der Strecke geplant waren, konnten oder wollten die Macher nicht einzeichnen (Abb. 2).

Abb. 2: Schematischer Trassenverlauf der geplanten Rittner Zahnradbahn (Aktions-Komitee 1904)

Nicht die gesamte Sommerfrischegesellschaft stand der Erschließung negativ gegenüber. Laut Demar (2007) forderten während den Bauverhandlungen Alois v. Mackozitz und Anton von Walther auch im Namen von anderen Oberbozner Hausbesitzern eine Haltestelle in erreichbarer Nähe. Schlussendlich endete die Zahnstange, wo also die Schublok ab- und angekuppelt wurde, zwischen Maria Himmelfahrt und St. Magdalena, etwas unterhalb der Häusergruppen. Passagiere konnten dort zwar aus- und einsteigen, die Struktur wurde aber bewusst klein gehalten. Auch wenn sie gleistechnisch 1909 erweitert wurde, ihr Name blieb “Haltestelle Himmelfahrt”, nicht Bahnhof!

In Maria Schnee, auf der Hoferbreiten, entstand dann der erste komplett ausgestattete Bahnhof der Strecke nach Bozen, mit gemauertem Gebäude, großzügiger Passagieraufnahme, Warteraum und auch einer Verladerampe samt Schuppen für Güter. Es war also geplant, dass in diesem, bis zu diesem Zeitpunkt kleinsten Ortsteil Oberbozen Größeres entstehen sollte. Es begann damit, dass in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof von der Rittnerbahngesellschaft das luxeriöse “Hotel Maria Schnee” erbaut wurde. Der Bahnhof bekam hingegen von Anfang an, klar auch an den Fahrplänen erkennbar (Abb.3), den Namen Oberbozen.

Abb. 3: aus “Der Tiroler” 1907.

Hinsichtlich der Logik nicht nachvollziehbar, aber angesichts der angestrebten touristischen und baulichen Entwicklung in diesem Ortsteil – man kann durchaus von einer Goldgräberstimmung sprechen (Abb. 4) – , versprach der Name Oberbozen mehr Ausstrahlung und damit Attraktivität. Gleichzeitig wurde die Aufmerksamkeit der Touristen vermehrt auf diesen östlichen Teil Oberbozens gelenkt, was den ruhesuchenden historischen Sommerfrischlern, die ja hauptsächlich in Maria Himmelfahrt und St. Magdalena ihre Häuser hatten, nur Recht sein konnte.

Abb. 4: aus Wolf (1907). “… 200 Landhäuser…”!

Das Hotel selbst, zuerst verpachtet, dann verkauft, wurde nach kürzester Zeit in Hotel Oberbozen umbenannt. In den zwanziger Jahren bekam es dann den noch heute gültigen Namen der zuerst Pächter- dann Eigentümerfamilie Holzner. Diesem ersten Bauboom wurde durch den Ausbruch des ersten Weltkrieges ein jähes Ende bereitet. In knapp zehn Jahren war die Gegend um das Kirchlein Maria Schnee mit hauptsächlich Villen und Beherbergungsbetrieben nicht nur zur größten Siedlung Oberbozens angewachsen, sondern war erstmals auch mit dörflichen Strukturen wie einer Bäckerei, einer Metzgerei und Geschäften ausgestattet (Abb. 5).

Abb. 5: Maria Schnee in den ersten Jahren nach der Eröffnung der Rittnerbahn. Rechts im Vordergrund das heutige Hotel Holzner, das noch ursprüngliche Bahnhofsgebäude mit dem Warenmagazin, wo heute die Remise steht. Zwölf der neunzehn im Vordergrund sichtbaren Gebäude sind zur Zeit des Bahnbaues entstanden (Postkarte Sammlung Kobler).

Nachdem die Bahn damals eine Monopolstellung für den Transport von Menschen sowie Waren hatte und demzufolge sich auch die Benennung der Bahnstationen bewusstseinsbildend auf die Menschen auswirkte, begann man immer öfter den Ortsteil, welchen man seit zweihundert Jahre Maria Schnee geheißen hat, als Oberbozen zu bezeichnen. Der Name, der ursprünglich für den ganzen westlichen Teil des Rittner Plateaus gegolten hatte, wurde umgangssprachlich jetzt also auf einen von der Ausdehnung her kleineren, aber hinsichtlich der Bedeutung immer wichtiger werdenden Teil reduziert. Die westlicher gelegenen, mehr oder weniger unverändert gebliebenen Siedlungsplätze Sankt Magdalena und Maria Himmelfahrt wurden hingegen von der Bevölkerung zunehmend unter letzerem Namen zusammengefasst. In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen findet man noch althergebrachte Erwähnungen (Abb. 6), aber danach wird nur mehr zwischen Himmelfahrt – auf das Maria wird im täglichen Sprachgebrauch verzichtet – und Oberbozen unterschieden (Abb. 7).

Abb. 6: aus “Alpenländerbote”, 1933.
Abb. 7: aus “Dolomiten”, 1950. Begräbnis von Peter Gostner und Josef Zwerger.

Um auf die Frage im Titel zu kommen: Das Aktionskomitee der Rittnerbahn und der Oberbozner Grund- und Bauverein – die großen “Player” bei der baulichen Entwicklung Oberbozens – ignorierten sicherlich nicht die Bedenken und Wünsche der historischen Sommerfrischlerfamilien. Edmund von Zallinger und Wilhelm von Walther bei der Rittner Bahn (Abb. 8) sowie Anton Kinsele und Anton von Walther in der Immobiliengesellschaft waren alle Mitglieder der Oberbozner Schützengesellschaft. Mit der Verlagerung der baulichen Entwicklung nach Maria Schnee/Oberbozen wurden zwei Ziele erreicht: Maria Himmelfahrt und St. Magdalena blieben mehr oder weniger ursprünglich und die Immobilienmakler konnten sich auf Maria Schnee und Umgebung konzentrieren, wo sie sich in der Grundstücksentwicklung aufgrund der einfacheren Eigentumsverhältnisse sowieso leichter taten.

Abb. 8: Die Mitglieder des Aktions-Komitees der Rittner Bahn (Aktions-Komitee 1904).

Heute erinnern sich kaum noch Leute, auch nicht Einheimische, an die alte Dreiteilung Oberbozens. Man muss oft schon von Glück reden, wenn das Kirchlein Maria Schnee selbst als solches beim Namen erkannt wird, schon schade… Schlussendlich ist diese Geschichte ein gutes Beispiel für ein universales Prinzip: die normative Kraft des Faktischen.

(Schluss)

In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:

Braitenberg, C. von, Andergassen, L., Walther, F. von, Kofler, O., & Braitenberg, C. von. (1994). Die Schützenscheiben von Oberbozen: Symbole eines ritterlichen Exercitiums (Völlig umgearbeitete und ums Doppelte erw. Neuaufl.). Edition Raetia.
Aktionskomitee. (1904). Die Rittnerbahn. Eigenverlag.
Generaldirektion der k. k. priv. Südbahngesellschaft. (1907, September 19). Rittner Bahn. Der Tiroler, 7.
Demar, K., Denoth, G., Petrovitsch, H., & Schindl, W. (2007). Rittnerbahn: Eisenbahn am Berg - in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Athesia.
Wolff, K. F. (1907). Der Ritten und die Rittner Bahn. Deutscher Buchhandlung Verlag.
Anonym. (1910). Flugaufnahme Maria Schnee [Fotografie Postkarte]. Sammlung A. Kobler.
Anonym. (1933, November 19). Nachrichten aus Südtirol. Alpenländerbote, 13.
Anonym. (1950, August 30). Abschied von zwei Oberboznern. Dolomiten, 6.




Die Bahn war schuld (1)

… oder war es doch der Wille der Sommerfrischgesellschaft?

Mit dem Aufkommen des Interesses am westlichen Ausläufer des Rittnerberges durch die Bozner Patrizier – zuerst durch den Sandsteinabbau, danach durch die Möglichkeit des sommerlichen Aufenthalts – wurde dieser in der Folge Oberbozen (auch Oberbotzen, Oberpozen) genannt. Vorher bildeteten die verstreut liegenden Bauernhöfe der Gegend die St.-Jakob-Malgrei. Die namensgebende, den Heiligen Georg und Jakob geweihte, gotische Kirche auf dem schon in der Vorzeit besiedelten Hügel war lange Zeit das einzige Gotteshaus der Gegend.

“… das 4. [Viertel] ist Ober Pozen, ein sehr schons, lustiges ort von ebne wisn und larchenen Woltung; die kirh da rast bey San Jörgen; “
(Wolkenstein v. M.S., 1600)

Im Zuge der Besiedelung durch die Sommerfrischlerfamilien ab 1609, als Balthasar Heisserer am Karlerhof das erste Hitzerefugium errichten ließ, wurden von diesen auch vier Kirchen in unmittelbarer Nähe der Behausungen errichtet. Es sind dies von Westen nach Osten: Maria Einsiedeln (privat), Maria Himmelfahrt (die größte, öffentlich), Maria Magdalena (privat) und Maria Schnee (früher privat, jetzt öffentlich). Um die neu erbauten Häuser zu verorten, wurden die Namen der drei letztgenannten Kirchen verwendet. Am meisten Villen entstanden rund um die spätere Pfarrkirche Maria Himmelfahrt, etwas weniger in St.Magdalena und gar nur zwei im Ortsteil Maria Schnee.


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Abb. 1 bis 5: die historischen Kirchen Oberbozens (aus Rampl 2007).

Die Einteilung hat sich offensichtlich bewährt, wurde sie doch in den jeweiligen Landesbeschreibungen (Abb. 6) und mit dem Aufkeimen eines zaghaften Tourismus auch in den allmählich erscheinenden Fremdenführern (Abb. 7 und 8) verwendet.



Abb.6: aus Staffler 1846. Sollten in der Aufzählung ganze Höfe als Häuser gegolten haben, dann müssten laut dem franziszeischen Katastermappen von 1858 neben den beiden genannten Sommerfrischhäusern der Ober- und Unterhofer, der Doppelbauer, das Gebäude des jetzigen Rittnerhofs und der alte Ziegelstadl, jetzt Riz-Villa, gemeint sein.
Abb. 7: aus Lewald A. 1838.
Abb. 8: aus Wolf. 1909.

Bemerkenswerte Ergebnisse hat die Recherche im historischen Teil des Grundbuches zu Tage gebracht. Und zwar werden für den westlichen Ausläufer des Rittner Mittelgebirges nur zwei Flurnamen verwendet: Oberbozen und Maria Schnee. Zwischen 1907 und 1910, als das Grundbuch in der heute bekannten Form angelegt worden ist, gab es schon, wenn auch nur seit kurzem, die Rittnerbahn. Besonders der parallel dazu entstandene Oberbozner Grund- und Bauverein (dessen Tätigkeit wird in Zukunft ein eigener Beitrag gewidmet), hatte schon in diesen ersten Jahren des Umbruchs die bauliche Entwicklung des Ortes in beträchlichem Ausmaß vorangetrieben; vom Ortsteil mit den wenigsten Behausungen sollte er bald der an Anzahl bedeutendste werden.

Abb. 6: ausgewählte Ausschnitte aus dem historischen Teil des Grundbuchs Ritten I, 1909. Abgebildet ist jeweils das A1-Blatt, weil es u.a. die Benennung des Riedes (Ortsteil, Lage) enthält.

Alle anderen den Grundbuchskörper bildenden Parzellen der Gegend wurden mit der Verortung Oberbozen eingetragen, seien es die im Westen wie die im Osten von Maria Schnee gelegenen, z.B. steht bei allen Häusern in Maria Himmelfahrt und Sankt Magdalena aber auch bei den Höfen Wieser, Köck und Geyrer Oberbozen in der Spalte Benennung des Riedes. Die Abbildung 7 veranschaulicht zum besseren Verständnis auf der heutigen Orthophotokarte die ungefähre Abgrenzung der Bezeichnungen.

Abb. 7: Aus dem Geobrowser, Auschnitt Oberbozen, 2023. Der rote Rahmen begrenzt in groben Zügen alle jene Grund- und Bauparzellen, bei denen als Ried “Maria Schnee” angegeben wurde.

Ich kann mir diese Eigentümlichkeit damit erklären, dass schon in den Jahren rund um die Errichtung der Rittnerbahn geplant war, – die Rolle des Oberbozner Grund- und Bauvereins ist auch diesbezüglich deutlich sichtbar – die Gegend um Maria Schnee als zukünftiges Zentrum der baulichen Entwicklung schlussendlich auch namentlich hervorzuheben. Doch gekommen ist es dann doch ganz anders…

Abb. 8: Die Trasse der Rittnerbahn ist noch nicht ersichtlich, weswegen diese Ansichtskarte vor 1907 entstanden sein muss. Vor dem Bahnbau waren die Oberbozner Ortsteile Maria Himmelfahrt und St. Magdalena eine Postkarte wert, das wesentlich dünner besiedelte Maria Schnee noch nicht.

(Fortsetzung folgt)

In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:

v. Wolkenstein, M. S., & ArGe, I. H. (1936). Landesbeschreibung von Südtirol. Schlern-Schriften, 34.
Rampl, W. (2007). Walter Rampl’s Tirol Kirchenführer. Walter Rampl’s Tirol Kirchenführer. https://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=4583509
Staffler, J. J. (1846). Tirol und Vorarlberg, topographisch, mit geschichtlichen Bemerkungen (Vol. 2). Felician Rauch.
Lewald, A. (1839). Handbuch für Reisende durch Tirol, nach Verona, Venedig, oder Brescia. Hoffmann.
Wolff, K. F. (1909). Führer durch Bozen-Gries: unter besonderer Berücksichtigung der vier neuen Bergbahnen und der großen Dolomitenstraße. Eigenverlag.
Grundbuch | Grundbuch und Gebäudekataster | Autonome Provinz Bozen - Südtirol. (n.d.). Landesverwaltung. Retrieved November 20, 2024, from https://www.provinz.bz.it/bauen-wohnen/kataster-grundbuch/grundbuch.asp
GeoBrowser Südtirol. (n.d.). Retrieved November 24, 2023, from https://maps.civis.bz.it/
J.F. Amonn. (Um 19hundert). Oberbozen, 1193 m, in Tirol [Ansichtskarte]. Sammlung A. Kobler.




Sehnsuchtsgipfel Rittnerhorn

Willst Du das Land Tirol mit einem Blick überschauen, so musst du das Rittner Horn besteigen.
(Volksweisheit um 1900)

Vor dem im Winter geschlossenen Schutzhaus verweilen in der angenehmen Mittagssonne etliche Skitourengeher und Schneeschuhwanderer. Wie immer bewirkt das Klicken auf das Bild seine Vergrößerung.

Sicherlich gab es schon – ziemlich wahrscheinlich berittene – Ausflüge der historischen Sommerfrischler auf das Rittner Horn, seit diese in Lengmoos oder dem entfernteren Oberbozen ihre Sommer verbrachten. Aber mit dem Beginn der touristischen Erschließung der Alpen im 19. Jahrhundert wurde das 2.260 m hohe Rittner Horn, das sich eigentlich auf dem Barbianer Gemeindegebiet befindet, immer öfter besucht. Zum einen, weil der Anstieg nicht steil ist und deshalb auch für bergunerfahrene Touristen bewältigbar, zum zweiten weil die dargebotene Rundsicht in alle Himmelsrichtungen ob ihrer Weite fürwahr beeindruckend ist.



Das Rittnerhorn mit letzten Schneeresten, von Herrenkohlern aus gesehen. In der Mitte Oberbozen, rechts darunter zuerst die Erdpyramiden, danach die Streusiedlung Signat.

Was Wunder, dass schon 1890 der Österrische Touristenclub am Gipfel ein Schutzhaus errichten ließ. Um das Rittner Horn und sein Umland noch attraktiver zu machen, wurde wenig später seine Erschließung mittels einer, dem technischen Stand von damals entsprechenden dampfbetriebener Zahnradbahn angedacht. Besonders die Pilatus- und Achenseebahn (beide 1889) sowie jene auf den Salzburger Schafberg (1893) dienten als Vorbilder.

Das Rittnerhorn, von der Villandererseite aus gesehen. Gut ersichtlich die kugelförmige Antenne an der Spitze des Mastes der Funkumsetzerstation.

Tatsächlich wurde die Bahn dann nur bis Klobenstein projektiert und gebaut, anfänglich war die Endstelle sogar in Oberbozen vorgesehen. Die Gründe dafür waren mehrere: zuerst sah man sich nicht drüber hinaus, 20 km Steilstrecke mit Dampf zu betreiben, später, als elektrisch betriebene Lokomotiven ohne Reichweitenbeschränkung zur Verfügung standen, konnte nicht die vollständige Finanzierung gewährleistet werden, besonders weil der anfänglich vorgesehene Saisonsbetrieb keine ausreichende Einnahmen in Aussicht stellte.

Am 10. August 1950 stürzten im dichten Nebel Sepp Zwerger und Peter Gostner unmittelbar hinter dem Schutzhaus eine Felswand hinab. Dieser Stein erinnert an den für beide tödlichen Unfall.

Trotzdem war auch das realisierte Bruchstück für die Entwicklung des Rittens bedeutsam. Wenn man sich nur bewusst vor Augen führt, welche Bautätigkeit in Oberbozen ab 1906 begonnen hat. Umwälzungen, welche aber nicht bei allen Gefallen gefunden haben, weswegen stellvertredend an Hans von Hoffensthal und sein “Abschied von Oberbozen” erinnert werden soll. Am Rittner Horn selbst, dem indirekten Auslöser dieser Entwicklungen, hat sich glücklicherweise relativ wenig getan.

In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:

Wikipedia-Autoren. (2021, August 30). Rittner Horn. Wikipedia. https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Rittner_Horn&oldid=215193687
Demar, K., Denoth, G., Petrovitsch, H., & Schindl, W. (2007). Rittnerbahn: Eisenbahn am Berg - in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Athesia.
Hoffensthal, H. von. (1989). Abschied von Oberbozen. Athesia.