Fenster in die Vergangenheit (2)

Die Malereien

Die Entdeckung der umfangreichen, teilweise perfekt konservierten Decken- und der weniger gut erhaltenen, aber trotzdem beeindruckenden Wandmalereien im Musikzimmer war wohl die sichtbarste Überraschung der Hausrenovierung.

Inzwischen können wir auch die Gestaltungen zeitlich ordnen: die barocken Deckenmalereien stammen aus der Frühphase des Gebäudes, die Wände waren weiß gekalkt. In einem zweiten Moment erhielten die Deckenbretter und -Balken am Übergang zu den Wänden dicke, ockerfarbenen Umrandungen, wie ich sie auch in anderen Oberbozner Häusern schon gesehen habe. Gegen 1850 dürften die weißen Pflafonds eingezogen worden sein, ab dann wurden die Wände im Wohnzimmer mit Hilfe von Schablonen mehrmals à la mode verschieden farbig gestaltet. 1898 bekamen dann die beiden Räume im Erdgeschoss jeweils ein Brust- und Vollgetäfel, die Schablonenmalerei verschwand hinter Holz unten und weißer Farbe oben. So fand meine Familie das Haus 1969 vor. Niemand wusste vom dem verborgenen Prunk.

Ein sehr aussagekräftiges Fenster in die Vergangenheit, diese Farbaussparung. Eine Zeitreise von oben nach unten: zuerst die barocke Deckenmalerei, dann die ockergelb und rote Umrandung der Bretter und Balken, danach die beiden Schablonenmalereien zur Zeit des Biedermaiers und des Historismus nachdem die Decke geschlossen wurde, zuletzt die Anbringung der Holztäfelung (nicht im Bild).



Natürlich wollten wir die das Haus so charakterisierende barocke Pracht sichtbar lassen, aber auf die uns lieb gewordenen Holztäfelungen – wenn sie auch jüngerem Datums und vom Historismus inspiriert waren – nicht verzichten, bieten sie doch besonders bei ganzjähriger Bewohnung eine unübertroffene Behaglichkeit. Ein paar glückliche Umstände haben uns bei der Entscheidungsfindung sehr geholfen: im vorderen Wohnzimmer, genau dort, wo die Deckenmalereien am vollständigsten erhalten sind, war ein Brustgetäfel eingebaut, d.h. zwischen der sehr farbigen Decke und dem naturbelassenen Holz der Täfelung befinden sich ca. 80 cm weiße Wand, was das Nebeneinander dieser sehr verschiedenenen Gestaltungen ermöglicht.

Die vordere Stube, nachdem die Täfelung wieder eingebaut wurde. Der weiß gestrichene Mauerteil ermöglicht es hier, dass zwei Perioden, Barock und Historismus, in einem Raum in Erscheinung treten.

Im hinteren Raum reicht die Täfelung hingegen bis an die Decke, da hätte diese Anordnung nicht funktioniert, die sehr unterschiedlichen Stile wären direkt aufeinander getroffen. Dort war aber die Hälfte der Deckenmalerei auch nicht mehr erhalten, da sie ein Opfer des Badeinbaus im Obergeschoss vor 50 Jahren wurde. Deshalb fiel es uns dort weniger schwer, nach längeren Überlegungen und im Einklang mit den denkmalpflergerischen Prinzipien, wieder einen weißen Plafond, als schlussendlich sauberste Lösung, einzuziehen. Das Bildwerk bleibt dabei natürlich unversehrt. Der Hl. Antonius wird halt nicht mehr direkt auf uns herabblicken; wer übrigens der zweite Heilige im Raum war, werden wir leider nie erfahren.

Die hintere Stube, in Zukunft Schlafzimmer, mit der neuen alten Gipsdecke. Hier kann nur eine Epoche, jene des neugotischen Historismus um 1890, dargestellt werden.

Im “Großen Zimmer”, so wurde in den Inventarlisten aus dem vorvorigen Jahrundert der westliche Raum im Obergeschoss genannt, haben wir ja Fragmente einer früher an jeder der vier Wände befindlichen Wandmalerei entdeckt. An der Decke sind zudem die Spuren von Stuckaturelementen ersichtlich. Dort, wo sich der am besten erhaltene Teil des Bildwerks befindet, wurde dieses schonend restauriert und – natürlich als solches sichtbar! – vervollständigt.

Ein kleiner Teil konnte gerettet werden. Wenn man sich vor Augen hält, dass alle Wände dieses Raumes so ausgestaltet waren und zudem die Decke mit Stuckaturen gegliedert war, dann kann man sich ansatzweise vorstellen, wie edel das Haus zu seiner Glanzzeit eingerichtet war.



Eine Fülle von Funden (1)

Immer wieder stoßen wir, wie schon im vorigen Beitrag angeklungen, auf Unerwartetes. Beispielsweise auf die Deckenbemahlung im Gangbereich des Erdgeschosses. Sie ist gleich wie jene, immer schon sichtbare im ersten Stock des Hauses. Oder auf die Dekorationsmalerei, welche ursprünglich alle vier Wände des Musikzimmers gestaltet hat.



An der Decke sind neben den für das Barock so typischen üppigen und bunten Ranken zwei Heilige dargestellt: es sind dies der heilige Sebastian, Schutzheiliger gegen Seuchen und der heilige Florian, der vor Brand bewahren soll. Die Decke wurde wahrscheinlich vor ca. 130 Jahren von unten her mit Brettern zugenagelt, diese dann mit Stroh versehen und verputzt. Ich nehme an, weil sie inzwischen, besonders wegen der Nähe zur Küche mit offenem Herd, zu reinigen bzw. restaurieren gewesen wäre und weil sie nicht mehr in das inzwischen neugotisch gestaltete Ambiente gepasst hat. Das ist natürlich nur ein Hypothese meinerseits, mal schauen, ob sie sich als wahr oder eben nicht herausstellen wird.

Der Bereich nahe der Küche hat besonders unter dem Rauch gelitten, da wird es sicher schwierig bis unmöglich werden, einen ästhetisch akzeptablen Zustand wiederherzustellen, schade. Wir lernen hier wieder, wie bedenkenlos auch früher mit Sachen umgegangen wurde, welche nicht mehr in Mode waren.

Auch die Decke im Stubenbereich ist im Prinzip gleich gestaltet, das hat das Herauslösen eines Bodenbrettes im darüber liegenden Musikzimmer ergeben. Nachdem wir die Stuben so erhalten wollen, wie wir sie vorgefunden haben, wird sie dort wohl für’s Erste verborgen bleiben. In einem weitaus besseren Zustand als jene am Gang ist sie in jedem Fall, wie schon das reine Weiß zeigt. Interessant wäre natürlich zu wissen, ob auch dort Heilige in Medaillons dargestellt sind.

Die im Musikzimmer vorgefundenen Wandmalereien – wir nennen den großen Salon mit den sechs Fenstern so, weil sich dort bis in die 50er Jahre u.a. ein Klavierflügel befand – unterstreichen den rappresentativen Charakter des Raumes. Sie stammen anscheinend aus der der Klassik, den pastellfarbenen Flächen und geraden Linien wird von roten schlängelden Rosen geschickt die Strenge genommen. Leider sind diese Seccomalereien stark beschädigt. Einmal, weil sie durchlöchert wurden, damit der spätere Putz daran haften kann und weil die Errichtung der Zwischenmauern in den 50ern – eine komplette Kleinwohnung wurde hineingesetzt – das Aufspitzen der Außenmauern notwendig machte. Ich hoffe, dass wir sie wenigstens an ein paar Stellen wieder renoviert sichtbar machen können und so die Geschichte des Raume zumindest ansatzweise vergegenwärtigen können.