Es war nicht von Anfang an geplant, auch die Hausfassade zum jetzigen Zeitpunkt anzufassen, zuerst sollte sich das Bankkonto wieder etwas erholen können. Doch zu groß war die Versuchung und auch zu deutlich der Rat des Planers Franz Kosta, Nägel mit vollständigen Köpfen zu machen. Also beauftragte ich Alois Langgartner vom gleichen Malerbetrieb, der auch immer wieder für Restauratoren arbeitet und schon im Innern der Villa Kinsele seine Fähigkeiten auf vorzüglichste Art und Weise unter Beweis gestellt hat, auch die Außenwände neu zu streichen.
Die Hauptarbeit war – für mich unerwartet – die Fassade von den in den letzten Jahrzehnten aufgebrachten Schichten, bestehend vornehmlich aus den einfach anzubringenden aber wegen ihrer Luftundurchlässigkeit den Putz gefährdenden Dispersionsfarben der letzten Jahrzehnte, schonend zu befreien. Gleichzeitig wurden die das Gebäude umspannenden Bänder und die Fatschen der Fenster auf alte Farbschichten untersucht. Recht eindeutig, durch die Gebietsverantwortliche des Denkmalamtes Marlies Tschisner bestätigt, stieß man auf einen für die Zeit typischen Grauton. Bestärkt wurden dies Funde durch die Deckenbemalung, welche den Hausbeschützer Hl. Donatus und das Gebäude selbst in frühester Zeit darstellt, die Farbgebung ist nämlich die gleiche.
Für uns war diese Farbzusammensetzung natürlich ganz was Neues, waren wir doch aus der Erinnerung und den Fotos – auch den ältesten! – gewohnt, die Ecken, Bänder und Fensterumrahmungen in Farbtönern zu sehen, welche an Erdrot erinnerten. Die großen Flächen wurden hingegen nur gekalcht, was einen natürlichen Gesamteindruck hinterlässt.
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Fenster in die Vergangenheit (4)
Category: Renovierung
geschrieben von Armin Kobler | 19. August 2024
Die “Terlen”, das dritte Wunder am Dachboden
Nur ein Paar Terlen, wie die Fensterbalken bzw. Fensterläden bei uns genannt werden, haben gefehlt, alle anderen haben am Dachboden über 50 Jahre auf die Wiederverwendung geharrt. Welch ein Glück, auf diesen Bestand wieder zurückgreifen zu können! Sie waren zudem fast alle noch recht gut erhalten, aber wider Erwarten beidseitig rot. Auf den ältesten Fotografien sind sie noch nach lokalem Muster weiß und rot gestrichen, auf einer Abbildung, welche aus den 50ern stammen dürften, sind sie nur mehr einfärbig. Die Tischler Walter und Max Alber haben etwas Farbe entfernt und die Originabemalung wieder entdeckt. Dieses Muster dient uns als weitere Vorlage.
Wenn wir die folgenden historischen Fotos vergleichen, dürfen wir nicht vergessen, dass ab dem Tode Franz Kinseles das Haus einen Niedergang erfahren musste, zeitweilig vermietet und auch nach dem Besitzwechsel 1943 nicht mehr von den Eigentümern bewohnt wurde.
Nach Wochen des geduldigen Restaurierens und des sorgsamen, die Maserung des Holzes bewahrenden Streichens – nicht Spritzens! – konnten die Terlen wieder, wenn auch nur für ein paar Tage, probeweise eingehängt werden. Jetzt kann man sich recht gut vorstellen, wie das Haus am Ende aussehen wird. Um sie nicht bei der Restaurierung der Fassade einer fast sicheren Verschmutzung auszusetzen, wurden sie zwischenzeitlich wieder ausgehängt und am Dachboden deponiert. Dort werden sie aber hoffentlich nur ein paar Wochen verbleiben, nicht mehr 50 Jahre!
Im folgenden ein paar Bilder von der Restaurierung und Montage (Foto: Walter und Max Alber):
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Fenster in die Vergangenheit (3)
Category: Renovierung
geschrieben von Armin Kobler | 19. August 2024
“In dem zweyten Stok aber ain Stuben…”
… heißt es in den Schätzungsberichten, welche 1778 im Zuge des Konkurses Joseph Andre Lanners angefertigt wurden. Und sowohl für Walter Alber wie Markus Pescoller – in vorigen Beiträgen habe ich diese vorgestellt – stammt diese Täfelung aus jener Zeit. An der Art der Holzverkleidung kann man den Charakter des Hauses festmachen: Brustgetäfel und die Aussparungen bei dei Tür- und Fensterleibungen zeigen, dass es sich seinerzeit um ein herrschaftliches Haus mit Sommernutzung handelte, die thermische Isolierung stand deshalb nicht im Vordergrund. Ein besonderes Merkmal unserer Täfelung sind die elegant geschnitzten Röschen im oberen Bereich. Laut Walter Alber, der viele Stuben besonders in Oberbozen aber auch außerhalb inzwischen gesehen und auch restauriert hat, ein Unikum.
Als meine Eltern 1970/71 das Haus an ihre Bedürfnisse anpassten und es einer umfassenden Modernisierung unterzogen, wählten sie diesen Raum als ihr Schlafzimmer aus. Das Holz der Täfelungen war ihnen aber zuviel des Guten, die hölzerne Decke genügte ihren Vorstellungen. Auch der Holzboden wurde unsichtbar gemacht in dem er – ganz dem herrschenden Zeitgeist gemäß – mit einem Teppichboden überzogen wurde.
Ob aus Bequemlichkeitsgründen – der Stiegenaufgang ist gleich daneben – oder in weiser Voraussicht, ich weiß es nicht, das Getäfel wurde jedenfalls nach der wenig zimperlich erfolgten Demontage nicht verkauft oder gar entsorgt, sondern in einer Dachbodenecke für über 50 Jahre gelagert.
Nachdem der Tischler in der Folge einer Beschau den doch relativ guten Zustand der Materialien bestätigt hat, stellte sich uns die Frage, ob wir sie wieder einbauen oder doch den Wohnvorstellungen der 70er-Jahre Visibilität geben wollen.
Letztere Epoche hat dokumentarisch betrachtet genauso ihr Recht auf Sichtbarkeit, auch wenn wir heute (und morgen?) den Umgang der damaligen Zeit mit der historischen Bausubstanz überwiegend problematisch sehen. Der finanzielle Einsatz ist verständlicherweise beträchtlich und doch haben wir uns für die Restaurierung und den Wiedereinbau der alten Täfelung entschieden. Sie hat das Alter des Hauses, was schon an sich beeindruckend ist, besitzt besondere Eigenheiten und gibt den Raum was Besonderes. Ich denke, dass die getroffene Entscheidung stimmig ist und die Vorteile überwiegen.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
Die Entdeckung der umfangreichen, teilweise perfekt konservierten Decken- und der weniger gut erhaltenen, aber trotzdem beeindruckenden Wandmalereien im Musikzimmer war wohl die sichtbarste Überraschung der Hausrenovierung.
Inzwischen können wir auch die Gestaltungen zeitlich ordnen: die barocken Deckenmalereien stammen aus der Frühphase des Gebäudes, die Wände waren weiß gekalkt. In einem zweiten Moment erhielten die Deckenbretter und -Balken am Übergang zu den Wänden dicke, ockerfarbenen Umrandungen, wie ich sie auch in anderen Oberbozner Häusern schon gesehen habe. Gegen 1850 dürften die weißen Pflafonds eingezogen worden sein, ab dann wurden die Wände im Wohnzimmer mit Hilfe von Schablonen mehrmals à la mode verschieden farbig gestaltet. 1898 bekamen dann die beiden Räume im Erdgeschoss jeweils ein Brust- und Vollgetäfel, die Schablonenmalerei verschwand hinter Holz unten und weißer Farbe oben. So fand meine Familie das Haus 1969 vor. Niemand wusste vom dem verborgenen Prunk.
Natürlich wollten wir die das Haus so charakterisierende barocke Pracht sichtbar lassen, aber auf die uns lieb gewordenen Holztäfelungen – wenn sie auch jüngerem Datums und vom Historismus inspiriert waren – nicht verzichten, bieten sie doch besonders bei ganzjähriger Bewohnung eine unübertroffene Behaglichkeit. Ein paar glückliche Umstände haben uns bei der Entscheidungsfindung sehr geholfen: im vorderen Wohnzimmer, genau dort, wo die Deckenmalereien am vollständigsten erhalten sind, war ein Brustgetäfel eingebaut, d.h. zwischen der sehr farbigen Decke und dem naturbelassenen Holz der Täfelung befinden sich ca. 80 cm weiße Wand, was das Nebeneinander dieser sehr verschiedenenen Gestaltungen ermöglicht.
Im hinteren Raum reicht die Täfelung hingegen bis an die Decke, da hätte diese Anordnung nicht funktioniert, die sehr unterschiedlichen Stile wären direkt aufeinander getroffen. Dort war aber die Hälfte der Deckenmalerei auch nicht mehr erhalten, da sie ein Opfer des Badeinbaus im Obergeschoss vor 50 Jahren wurde. Deshalb fiel es uns dort weniger schwer, nach längeren Überlegungen und im Einklang mit den denkmalpflergerischen Prinzipien, wieder einen weißen Plafond, als schlussendlich sauberste Lösung, einzuziehen. Das Bildwerk bleibt dabei natürlich unversehrt. Der Hl. Antonius wird halt nicht mehr direkt auf uns herabblicken; wer übrigens der zweite Heilige im Raum war, werden wir leider nie erfahren.
Im “Großen Zimmer”, so wurde in den Inventarlisten aus dem vorvorigen Jahrundert der westliche Raum im Obergeschoss genannt, haben wir ja Fragmente einer früher an jeder der vier Wände befindlichen Wandmalerei entdeckt. An der Decke sind zudem die Spuren von Stuckaturelementen ersichtlich. Dort, wo sich der am besten erhaltene Teil des Bildwerks befindet, wurde dieses schonend restauriert und – natürlich als solches sichtbar! – vervollständigt.
Fenster in die Vergangenheit (1)
Category: Renovierung
geschrieben von Armin Kobler | 19. August 2024
Die Böden
Wie schon in früheren Beitragen über die Hausgeschichte angemerkt, sind wir bei den Renovierungsarbeiten auf verschiedene zeitliche Abschnitte gestoßen. Barock, Rokoko, Biedermaier und Historismus haben die Villa Kinsele im Wesentlichen geprägt. Wieviel ist wovon noch vorhanden und was und wieviel davon zeigen? Frau Marlies Tschisner, welche uns als Gebietsverantwortliche für Kunstgeschichte, profane und sakrale Bauten von seiten des Dekmalamtes unterstützt, hat bei einem Lokalaugenschein einmal den Bregriff “Fenster in die Vergangenheit” verwendet. Ich finde ihn sehr treffend.
In der Küche haben wir unter dem obligaten Linoleumboden der 70er Jahre und halb faulen Holzfaserplatten sowie Teerpappe einen unerwarteten Belag vorgefunden: Keramikfliesen der Firma Otto Kaufmann aus Niedersedlitz bei Dresden, hergestellt um 1900. Ein Teil der Umbauarbeiten, welche sehr wahrscheinlich vom damaligen Eigentümer Franz Kinsele und seiner Frau Aloisia von Rehorovsky (ich berichtete hier) ausgegangen sein dürften. Wie man sieht, war die Zeit, wo man fast ausschließlich vor Ort vorgefundene Baumaterialien verwendet hat, vorbei.
Zirka zwei Quadratmeter konnten ohne Beschädigung wiedergewonnen und gereinigt werden. Als kleines Zeitfenster zur vorletzten Jahrhundertwende haben wir damit eine kleine Ecke am Originalort, der ansonsten mit zeitgenössischen Möbeln und Geräten ausgestatteten Küche, gestaltet. Die mit der Lieferung und Verlegung der neuen Sandsteinböden beauftragte Firma südtirol.stein hat für einen einen überaus sauberen Übergang gesorgt.
Leider sind die so charakteristischen, noch dazu am Ritten gewonnenen Sandsteinplatten des Eingangsbereichs im ersten und zweiten Stock dem großen Umbau damals zum Opfer gefallen. Aus einem – aus heutiger Sicht! – Missverhältnis zwischen dem Wunsch nach Pflegeleichtigkeit und dem Respekt vor dem Gebautem wurden sie durch kleine gelbrote Klinker ersetzt.
Es war ein ausgesprochenes Glück, dass wir im Haus selbst noch über eine Quelle an diesem Material verfügten. Im Dachgeschoss waren nämlich zum Zwecke der Brandsperre Sandsteinplatten als Boden verbaut. Zudem musste der kleine Balkon an der Westseite erneuert werden, dort wurde der steinerne Belag durch passendes Lärchenholz ersetzt.
Die vorgefundene Menge an verwendbaren Platten erlaubte schlussendlich nur im Erdgeschoss die historische Verlegung im Rautenverband, im ersten Stock musste materialsparender, in rechtwinkligen Bahnen vorgegangen werden. Bis zuletzt fürchteten wir, mit dem vorhanden Material nicht auszukommen, aber die engagierten Mitarbeiter der Baufirma Schweigkofler haben gekonnt jede vorgefundene Größe an den richtigen Platz gesetzt.
Schon allein deshalb, weil eine Fußbodenheizung das alte Heizkörpersystem ersetzen wird, mussten alle Holzböden ausgebaut werden. Eine gute Gelegenheit, sie zu bürsten, zu reinigen, und so auszugleichen, dass die abgwohnten Oberflächen wieder möglichst flach werden. Auch dieses Mal machte sich die Expertise von Walter Alber in der Werkstatt und an der Baustelle bezahlt.
Wir hatten das Glück, dass dort wo Teppichböden für modernen Wohnkomfort sorgen sollten, diese auf Sperrholzplatten geklebt wurden, welche wiederum leicht und ohne Schäden für den Unterbau entfernt werden konnten. Die verwendeten Holzarten waren Fichten und Föhre, beides Holzarten, welche am Ritten verbreitet sind.
Die Böden wurden auf den die Heizschlangen führenden Ausgleichsboden geklebt. Die Weitergabe der Wärme an die Umgebung braucht gegenüber einen Steinboden zwar etwas länger, die heutigen automatisierten Regelsysteme können damit aber gut umgehen.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
Alle Fotos, sofern nicht anders angemerkt, sind vom Blogautor.
Die Fensteröffner
Category: Renovierung
geschrieben von Armin Kobler | 19. August 2024
Im Laufe der Renovierung werden so einige Fenster in die Vergangenheit sichtbar. Wo es geht, werden sie aufgemacht, bei den Öffnungen, wo dies nicht möglich ist, soll sinngemäß dafür zumindest ein Guckloch die verschiedenen Stilepochen dokumentieren. Damit dieses ambitionierte Vorhaben auch möglichst vollständig erreicht wird, haben Architekt Franz Kosta und ich kompetente Fachleute an unserer Seite: Die Firma Schweigkofler hat, wie schon mehrmals berichtet, zuerst einmal die baulichen Grundlagen geschaffen. Für die folgenden Arbeiten am Werkstoff Holz (Stubentäfelungen, Wandschränke, Türen und Terlen, Böden) wurden Walter Alber und sein Sohn Max engagiert, die Mal- und Gipsarbeiten hat hingegen Alois Langgartner übernommen. Für die abschließende Renovierung der Holzdeckenmalereien wurde der Betrieb des Markus Pescoller gefragt. Schon bei den Besprechungen dabei zu sein, ist für mich immer sehr aufschlussreich, geht es doch dabei nie um eine rein fachliche Expertise sondern werden die Überlegungen dazu in einem geschichtlichen Kontext diskutiert.
“… und sah auf den Zeiger der Sonnenuhr,”
Category: Renovierung
geschrieben von Armin Kobler | 19. August 2024
Der Hinweis auf die Sonnenuhr war der endgültige Beweis, dass Hans von Hoffensthal in seinem Roman Marion Flora (1914) mit Luisl’s Vaterhaus die Villa Kinsele gemeint hat.
Zu ihrer Rechten lag das alte Oberbozen hinter den Lärchenhöhen; zunächst den paar Häusern von Maria Schnee, Luisl’s Vaterhaus, neben dem die kleine Kirche hockte, die Höfe vom Doppelbauer und vom Hofer, dieser mit ein paar zausigen Albern, jener mit einer alten Lärche, jeder aber mit einer von moosigem Stroh bedachten Scheune. … „So,“ sie traut ein paar Schritte an die Südseite des Hauses und sah auf den Zeiger der Sonnenuhr, „es ist gegen drei.“
Doch was ist von dieser Sonnenuhr geblieben? Leider nur mehr ein paar unvollstängie bzw, unscharfe Fotos. Um 1890 dürfte sie noch in gutem Zustand gewesen sein, siehe Foto oben. Als etwas später kann man das zweite hier dargestellte Bild datieren, es stellt den mittleren Teil der Sonnenuhr dar, sie scheint noch gut erhalten gewesen zu sein. Es zeigt die Sonne als Frau mit Strahlenkranz, welche der Erde Früchte schenkt. An den vier Ecken sind Sternbilder sichtbar. Die Schrift am unteren Ende – Omne Bonum Ex Sole – bedeutet auf deutsch so viel wie “Alles Gute kommt von der Sonne”.
Auf auf dem Foto unten, das um 1960 entstanden ist, kann man keine Details auch bei starker Vergrößerung erkennen, die Farben erscheinen aber im Vergleich zur ersten Aufnahme etwas weniger stark, wahrscheinlich von Sonne und Wetter schon etwas gebleicht. Interessant, so nebenbei bemerkt, wenn man die Fotos 1 und 3 betrachtet, die Jalousien bzw. Winterfenster, welche in der alten Stube im ersten Stock und nur dort, die Terlen, d.h. die einfachen Fensterläden, ersetzt haben. War das eine Art Probelauf für das ganze Haus oder sollten in diesem Raum spezielle Lichtverhältnisse geschaffen werden?
Zur Zeit des Umbaus 1970 – so erinnere ich mich jedenfalls an die Aussagen meiner Mutter – soll die Sonnenuhr schon in einem erbärmlichen Zustand gewesen sein und die Arbeiten am Haus sollen deren Zustand dermaßen verschlimmert haben, dass eine Renovierung unmöglich war oder keinen Sinn ergeben hätte. Deshalb wurde die Fläche einfach nur weiß gehalten, einzig das Gestänge blieb von der Sonnenuhr übrig.
Natürlich haben wir im Laufe der farblichen Fassadenerneuerung nachschauen lassen, ob sich unter den Farbschichten die alte Sonnenuhr verbirgt, die Suche blieb aber eigenartigerweise komplett erfolglos. Auf diese Art der Zeitmessung wollten wir doch nicht verzichten, das Gestänge ist ja auch über die Jahre erhalten geblieben, weswegen in Absprache mit dem Denkmalamt das Team des Alois Langartner eine ganz einfach gestaltete Uhr malte. in diesem Sinn sollten wir uns den bekannten Satz zu Herzen nehmen: “Mach es wie die Sonnenuhr, zähl die heiteren Stunden nur.”
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
Hoffensthal, Hans von (1914). Marion Flora. Berlin: Fleischel.
Robert Kinsele als Fotograf
Category: Menschen,Zeitschiene
geschrieben von Armin Kobler | 19. August 2024
In einem Brief an seine Halbschwester Eleonore gibt Robert Kinsele umfangreiche Tips für das Entwickeln von Filmen und dem Vergrößern. Deshalb ist nicht ausgeschlossen, dass zumindest einige Fotos aus dem uns verfügbarem Nachlass von ihm stammen. Dass er das Fotografieren auf hohem Niveau beherrscht haben muss, bezeugt die Tatsache, dass er mit anderen Fotografen am Bildband “Südtirol”, herausgegeben und eingeleitet von Josef Julius Schätz (Verlag F. Bruckmann AG, München 1928), mitgearbeitet hat. Interessiert daran, ob Robert bei diesem Werk eventuell auch Bilder vom Ritten beigesteuert hat, habe ich das Werk im Buchantiquariat käuflich erstanden. Drei Bilder von ihm wurden darin publiziert, keines aber von Oberbozen:
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Bemerkenswert ist die Einleitung. Sie ist mit einem Pathos geschrieben, der uns heute total fremd geworden ist. Deshalb möchte ich sie euch nicht vorenthalten.
Südtirol, Südtirol! Klingt es nicht wie von Bergen und von Burgen, von greisem erkerigem Häuserwerk und kühlem Laubengang, von meistersingerhafter Bürgerbehäbigkeit und Zunft und Innungsbrauch, von Glockenchor und schwerem pontifikalem Glanze. — Südtirol! Klingt es nicht wie Wappenschild und Minnegesang, wie der Widerschein der Humpen, voll vom Gefunkel edlen Weins, welchen Virgilius und Strabo so hoch gelobt, welchen Kaiser Augustus so gerne getrunken hat, der die durstigen Schlünde der Bajuvaren kühlte, da sie als wanderndes Volk mit Weib und Kind fröhlichen Einzug im Paradies des Etschlandes hielten. — Südtirol! Klingt es nicht wie die Erfüllung jeglicher Bergsehnsucht — von den hohen Gletschereinsamkeiten bis zu der über alles irdische Maß hinausgeworfenen Dämonie der Dolomiten, die Tag um Tag wie die Tore des Morgens erglühen… Ein seltsames Land! Ein Land, Schönheit zeugend, Schönheit spendend, die Schönheit selbst. Wo ist ein anderes, das auf so kleinem Raume eine solche Mannigfaltigkeit des Klimas und der Flora und einen so bunten Wechsel der landschaftlichen Bilder aufweist wie Südtirol. Hier scheint die Sonne inniger, hier wachsen Mandel und Feige, Rosen und Kastanien, Korn und Wein. Hier prangen wundersaın vereinigt Tannen und Zypressen. Ewiges Eis leuchtet nieder zu den göttlichen Gärten. In geheimnisvollen Seen spiegeln sich die wildesten Wunder des Steins, hohe Felsenbauten, tausendfach zerzackt, zerzinnt, und von den Blitzen des Himmels zerspellt. Doch noch anderes gilt es zu verstehen. Hier ist der Bauer von Adel und altem Geblüt, hier dokumentierte zu allen Zeiten ein traditionenstolzes Bürgertum Kultur, Kunstsinn und Wohlhabenheit. Für den, dessen Verhältnis zu allen Künsten, also auch der Architektur, sich wesentlich vom Geist und von der Seele aus orientiert, hat das Bild der Südtiroler Stadt seinen besonderen Rang. Diese ehrwürdigen Gassen, voll von Turmfenstern, Treppengiebeln, Lauben, Erkern, Pfeilern und Hallen, die so erhaben über die Rationalisierungsdürre unserer Zeitanschauung stehen, sind sie nicht bauliche Zeugen einer großen Vergangenheit, vom gleichen Geiste geprägt wie Hall, wie Rattenberg und Rothenburg, wie Alt-Nürnberg und Alt-Frankfurt – klein von Umfang, aber mit weiter geistiger Schau. Aus solchen Stätten stillschaffenden geistigen Menschentums kam viel Kultur. O, wir sollten die Schönheit dieser Städtchen bewundernd genießen, wir sollten in seliger Sammlung dieses Mittelaltermärchen durchschreiten, wo uns immer und überall das Gefühl umfängt: Hier ist die Heimat, wir sind daheim. Wir sollten Gipfel um Gipfel dieses Landes besteigen, um hundertmal den Anblick einer Landschaft von einzigartiger Schönheit genießen. Die Bilder dieses Buches werden uns viel von dem uns stammverwandten Lande erzählen, von dem Lande, das in unserem Herzen fortlebt. Allen Mitarbeitern, die das Werk durch ihre Kunst und durch ihr Wissen mit aller liebevollen Bereitwilligkeit gefördert haben, sei hier innig gedankt.
JOS. JUL. SCHÄTZ
Die 200 Seiten des Bildbandes betrachten ist eine Reise in die Vergangenheit. Besonders wenn man die Fotos genauer anschaut, welche die besiedelten Talschaften betreffen, merkt man, was sich in den vergangenen hundert Jahren, speziell nach dem zweiten Weltkrieg, getan hat. Rein was die Schönheit betrifft, ist diese nicht mehr die Gleiche. Ein paar Beispielbilder anderer Fotografen:
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Einer im Vergleich nüchterneren Sprache bedient sich der Bozner Maler und Dichter Hubert Mumelter:
Südtirol
Gott trug den Namen in die Schönheit hinein: Verheißung denen, die der Sonne warten, ein ew’ger Traum von blauen Frühlingsfahrten tief in der Sehnsucht Land hinein.
Da leuchtest du, du holdes Ostertal und winkst mit deiner Hügel weißem Blühen; hoch über abendlichen Burgen glühen die Berge, ein betörendes Fanal.
Groß ist dein Sommer, wolkenlos und klar, und wölbt sich heiter goldnem Herbst entgegen; die Reben reifen süß in seinem Segen und leuchtend ruhst du im vollbrachten Jahr.
Und still verklärt gehst du zum Winter ein, träumst tief in dich in diesen braunen Tagen und hörst entzückt dein frühes Herz schon schlagen, denn Gott trug dich in seinen Frühling ein.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen: