Frau Evi Pechlaner vom Südtiroler Landesarchiv hat dankenswerterweise schnell und ausführlich geantwortet. Ein paar Auszüge:
Das Südtiroler Landesarchiv verwahrt die sogenannten Verfachbücher, also die Vorläufer des Grundbuches, in die meistenteils die Verträge um Immobilien (Verlassenschaftsabhandlungen, Kaufverträge usw.) eingetragen wurden. Dabei wurden die Verträge chronologisch aufgenommen und jährlich zu Büchern gebunden, weshalb sich die Suche nach Verträgen manchmal etwas zeitintensiv gestalten kann. Für den Beginn einer Recherche in den Verfachbüchern ist es wichtig, den historischen (handgeschriebenen) Grundbuchsauszug zur Hand zu nehmen. Der erste auf dem B-Blatt aufgeführte Vertrag ist zugleich der letzte, der in die Verfachbücher eingetragen wurde und sollte idealerweise eine Erwähnung des vorhergehenden Vertrages enthalten, sodass man sich Vertrag für Vertrag in die Vergangenheit des Hauses vorarbeiten kann.
Der „Ahnherr“ der Bozner Familie Kinsele war Franz Sales Kinsele, der der Sohn eines aus dem Vinschgau zugewanderten Bäckermeisters war und nach einer Ausbildung zum Kaufmann eine äußerst erfolgreiche Karriere startete. Er erlangte 1771 das Bozner Bürgerrecht und war zeitweise Geschäftsführer, später Teilhaber des erfolgreichen Bozner Handelshauses Georg Anton Menz. Er war mit Helene Stickler von Gassenfeld verehelicht. Schon 1784 wurde Kinsele ein Wappenbrief verliehen, einige Jahre später gründete er eine eigene Großhandlung. Sein Sohn Josef Kinsele erlangte 1839 die Erhebung in den Adelsstand mit dem Prädikat „von Eckberg“.
Auch von Magdalena Amonn habe ich eine Antwort bekommen:
Es gibt ein Buch, „Die Schützenscheiben von Oberbozen“, erschienen im Jahr 1994, in dem alle Mitglieder von 1668 bis 1990 enthalten sind. Hier habe ich folgende Mitglieder mit dem Namen Kinsele gefunden: Aufnahme 1815: Joseph Kinsele Aufnahme 1857: Dr. Richard Kinsele Aufnahme 1892: Dr. Anton Kinsele
Arch. Wolfgang Piller, wie schon oben erwähnt, hat mir auch zurückgeschrieben. Er verfügt über keine Unterlagen seines Vaters bezüglich des Hausumbaus von 1970. Schade…
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
Eyrl, Georg Baron von (1925). Beiträge zu einer geschichtlichen Darstellung der Entwicklung der Sommerfrisch-Ansiedelungen auf dem Ritten. In: Der Schlern – Zeitschrift Des Vereines Für Heimatschutz, 6, 183–186.
Das Haus ist nach 3 Seiten frei aber wegen der dasselbe umge- benden großen Bäume u. schiefen Wiese sehr schwer zu fotografirn. Bitte um freundl. Returnirung. Oberbozen bei Bozen Südtirol Kinsele-Haus, München Ysenburgstrasse 1
Wenn man sich die Fotos und Bilder bis 1945 ansieht – die Zeit bis zum Umbau 1970 fehlt bildlich leider momentan noch, – fällt zumindest ein zusätzlicher Baum auf. Unschwer an den typischen Blättern erkennbar, handelt es sich um eine hochgewachsene Rosskastanie, deren Stamm sich vor der schmalen Westseite des Hauses befunden haben muss.
Das ist einer der Hinweise darauf, dass die Villa Kinsele die meiste Zeit als reines Sommerfrischhaus verwendet wurde. Die ganztägige Beschattung durch mindestens drei große Laubbäume hätte außerhalb der heißesten Wochen im Jahr die Wohnqualität wohl zu stark vermindert. Ein weiterer Hinweis ist das Fehlen von Öfen bis zu einem gewissen Zeitpunkt. Irgendwann, wahrscheinlich in der Zeit ab 1880, muss aber ein Umdenken in dieser Sache stattgefunden haben. In dem unteren Aquarell vom Juli 1945, mit PE signiert, ist nämlich erstmals ein nachträglich angebauter zweiter Kamin zu sehen. Er kam vom Kachelofen in der hinteren Stube. Wahrscheinlich hat man diesen dort platziert, da der dazugehörige Kamin ohne größeren Baueingriff außen errichtet werden konnte. Leider wurde der Kachelofen im Laufe der Umbauarbeiten 1970 entfernt. In der vorderen Stube entstand ein neuer mit einem zusätzlichen, zentralen Kamin. Auf dem Aquarell verdeckt der ominöse dritte Baum die Westfassade weniger stark als auf den Fotos. Meiner bescheidenen Meinung nach wurde hier die künstlerische Freiheit verwendet, um das Bild aussagekräftiger zu gestalten.
Ein weiteres Detail fällt bei dem Foto oben – darauf klicken vergrößert es wie immer – auf: der Dachfirst des letztlich sogenannten Wegerhauses ist als eine Art Aussichtsbalkon gestaltet. Wie lange der existierte kann ich nicht sagen; als wir einzogen war er jedenfalls nicht mehr vorhanden. Irgendwann davor muss das Dach auch neu eingedeckt worden sein. Statt den gleichfalls auf dem Foto ersichtlichen Holzschindeln waren die für eine bestimmte Zeit typischen hellgrauen Zementfaserplatten angebracht.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
E, P. (1945). Villa Kinsele von Westen 1945. [Aquarell].
“Villa Kinsele mit Maria-Schnee-Kirchlein”
Category: Hausgeschichte,Zeitschiene
geschrieben von Armin Kobler | 8. Januar 2021
Zuerst einmal möchte ich erklären, wieso ich das Gebäude so nenne. Unter Villa stellt man sich heute weiß Gott was für einen Luxus vor, der heute sicherlich nicht vorhanden ist. Insofern könnte man meinen, die Bezeichnung sei übertrieben. Früher aber, als ein Sommerfrischhaus den “Herrischen” vorbehalten war, strahlte es sicherlich Luxus und Begehrlichkeit aus. Ausschlaggebend war aber, dass Georg Baron Eyrl in seiner Arbeit über die Sommerfrischhäuser auf dem Ritten (Schlern 6/1925), diese immer als Villa bezeichnet.
Meines Wissens ist die Villa Kinsele das östlichste Haus der historischen Sommerfrischsiedlung , welche um den gleichnamigen Schießstand als gesellschaftlichen Mittelpunkt gruppiert ist. Auf dem abgebildeten Ausschnitt des Geobrowsers sind auch die Nummern der Grund- und Bauparzellen angeführt; letztere haben einen Punkt vor der ersten Zahl (wie immer werden die Abbildungen durch Daraufklicken vergrößert). Die Villa Kinsele hat die Bauparzellennummer (BP) 361, leicht erkennbar mit dem grauen Dach, in der Mitte des Fotos. Dazu gehören eine Grünfläche an der Südseite vor dem Gebäude, Grundparzelle (GP) 3197/2, sowie zwei Wiesen, welche das Gebäude halbkreisförmig umschließen (GP 3196 und 3197/1). Nordseitig schließt sich das Kirchlein Maria Schnee BP 360), im Eigentum der Pfarre Oberbozen, an. Das zweite Gebäude dieses Komplexes ist das nach den langjährigen Eigentümern benannte Wegerhaus (BP 359). Dazu gehörten schon immer der ehemaliger Park (GP 3194 und 3200) und der darin befindliche historische Pavillon (BP 864/2), welchen übrigens Eleonore Kinsele für ein Exlibris ihres Cousins Anton Kinsele abgezeichnet hat.
Dass die heute so genannten Villa Kinsele und Wegerhaus eine zumindest teilweise gemeinsame Geschichte haben, lassen mehrere Hinweise vermuten. Der obgenannte Georg Baron Eyrl führt nämlich nur die “Villa Kinsele mit Maria Schnee” an, was bedeutet, dass das Wegerhaus damals ein Teil davon war. Zudem konnte man vor dem Umbau im Jahre 1970 im Balkonzimmer der Villa Kinsele gut eine zugemauerte Tür erkennen, welche direkt in das angebaute Wegerhaus führte. Andrerseits unterscheiden sich architektonisch die beiden Baulichkeiten. Als Laie der ich bin, vermute ich, dass die Villa Kinsele ihr ursprüngliches barockes Aussehen bewahrt hat, während das Wegerhaus – wahrscheinlich im 19. Jahrhundert – sichtbar umgebaut wurde.
Das dritte Gebäude diese Komplexes ist das ehemalige Wohngebäude eines Bauernhofes, dem “Hofer” (BP 362). Seine Wirtschaftsgebäude standen dort, wo sich das heutige Gastlokal “Babsi” (BP 3093) befindet und im Park des Hotel Post; an jener Stelle, wo bis vor ein paar Jahren ein Pavillon von der örtlichen Musikkapelle genutzt wurde. Der Bauernhof wurde am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts an den Nordrand des Dorfes verlegt, die Gebäudlichkeiten verloren daraufhin ihre landwirtschaftliche Nutzung. Auf dem Luftbild kann man den markant großen Stall/Stadel des Hoferbauern noch erkennen und Ortskundige werden bemerken, dass das großzügig erbaute Hofensemble angrenzend an die Bäckerei Hackhofer noch fehlt. Die Villa Kinsele ist von ihren Bäumen ziemlich zugedeckt, die darunter befindlichen Hotels Post (damals Friedl) und das Viktoria sind hingegen leicht erkennbar.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
Eyrl, Georg Baron von (1925). Beiträge zu einer geschichtlichen Darstellung der Entwicklung der Sommerfrisch-Ansiedelungen auf dem Ritten. In: Der Schlern – Zeitschrift Des Vereines Für Heimatschutz, 6, 183–186.
Holzner, Maria (2008). 100 Jahre Park-Hotel Holzner. Eigenverlag.
Können wir die Linde retten?
Category: Hausgeschichte,Renovierung,Zeitschiene
geschrieben von Armin Kobler | 8. Januar 2021
in einem früheren Beitrag habe ich von dem bedeutendem Astbruch an unserer Linde berichtet. Nachdem ihr möglichst langer Erhalt uns in Sinne eines Ensemble sehr wichtig ist, habe ich nicht lange gewartet und einen früheren Kollegen aus unseren gemeinsamen Laimburg-Zeiten um Rat gebeten. Valentin Lobis, seit Jahren als erfolgreicher Gutachter im Baumpflegewesen unterwegs, war letztlich vor Ort und hat sich beide Bäume, also auch die Rosskastanie angeschaut und abgeklopft. Die im Stamm der Linde vorgefundene weitverbreitete Fäulnis hat wahrscheinlich vor 50 Jahren begonnen. Ungefähr in dieser Zeit wurde sie meines Wissens auch das erste Mal radikal zurückgeschnitten.
Ein spezialisiertes Baumpflegeunternehmen wird sich im März/April unter seiner Aufsicht des Baumes annehmen. Es gilt im Sinne der Stabilität und des Fortbestandes, mehrere tiefer gelegene Kronenstockwerke aufzubauen und die hohe Spitze schrittweise im Lauf der nächsten Jahre zurückzunehmen. Nach dem Austrieb wird Valentin den Baum auch bestimmen und meine Annahme, dass es sich um eine Winterlinde (Tilia cordata) handelt, bestätigen oder verwerfen. Er zweifelt etwas daran, weil seit Jahrhunderten in Mitteleuropa ganz viel Hybriden verbreitet sind.
Die Rosskastanie ist in einem bedeutend besseren Zustand. Aber auch ihr müssen gezielt einige Äste entnommen werden, damit sie eine weitestgehend gesicherte Zukunft hat. Wie prägend die zwei (eigentlich drei) Bäume für die Villa Kinsele seit jeher waren, zeigen auch die unten angeführten Bilder von 1900. Interessant wäre natürlich eine Altersbestimmung der Bäume. Beim nächsten Zusammentreffen muss ich Valentin fragen, ob diese heutzutage minimalinvasiv erfolgen kann, d.h. ohne dem Gesundheitszustand abträglich zu sein.
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Anonym (1900). Villa Kinsele Südfassade gegen Westen [Fotografie].
Noch sind sie namenlos
Category: Hausgeschichte,Menschen,Zeitschiene
geschrieben von Armin Kobler | 8. Januar 2021
Diese Fotografien sind mir besonders wichtig. Einerseits, weil sie das Haus aus verschiedenen Blickwinkeln abbilden, andrerseits, weil darauf die früheren Bewohner ersichtlich sind. Noch sind sie mir unbekannt. Bei ein paar habe ich Vermutungen, bei anderen nicht einmal das.
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Wie immer werden die Bilder vergrößert dargestellt sobald man darauf klickt.
Das Musikzimmer
Category: Hausgeschichte,Zeitschiene
geschrieben von Armin Kobler | 8. Januar 2021
In den Erzählungen meiner Mutter (1926 – 1997), welche diese wiederum von damals schon älteren Herrschaften Oberbozens vernommen hat, war immer wieder von einem großen Musikzimmer die Rede. Ein saalartiger Raum, in dem es musikalische Darbietungen aber auch Hausbälle der Sommerfrischgesellschaft gegeben haben soll. Meine geschäftstüchtige Großtante, welche ja nie dieses Haus bewohnte und es eher als eine reine Investitionsmöglichkeit ansah, ließ bald nach dem Erwerb aus dem “Großem Zimmer” ein komplette Wohnung darin entstehen. Auf dem Gebäudekatastereintrag von 1940 ist der Salon noch zu sehen:
Dass diese Überlieferungen wahr sind, wird durch eine Inventurliste aus dem Jahr 1898 ersichtlich:
1 Flügel, sehr gut erhalten…
Die These dass das Foto der obigen Dame in Oberbozen und wahrscheinlich in diesem Musikzimmer gemacht wurde (Franz Kosta ist es aufgefallen), wird unterstützt durch die Tatsache, dass die beiden Portraits links und rechts auf dem Dachboden gefunden wurden. Wer waren aber diese Brinkmanns?
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Graupenstein, Friedrich Wilhelm (1863). Herr Brinkmann [Lithografie].
Womit alles begann
Category: Hausgeschichte,Menschen,Zeitschiene
geschrieben von Armin Kobler | 8. Januar 2021
Der erste Anhaltspunkt für die Recherchen sind diese Grundbuchsauszüge und der Kaufvertrag von 1943, welche ich in den Hausunterlagen meines Vaters gefunden habe. Alles ins Italienische übersetzt, Deutsch ist als Amtssprache nicht mehr gültig. Es fällt auf, dass das Haus im Laufe der Jahre immer wieder mit Hypotheken belastet wurde.
Dieser Eintrag lässt mich darauf schließen, dass Luise von Rehorovszky die Frau von Robert Kinsele gewesen sein könnte. Nach ihrem Ableben dürfte das Haus in das Eigentum von Johanna Kinsele, Medizinalratsgattin in Linz, und Eleonore Kinsele, Private in Solbald Hall, übergegangen sein, denn diese scheinen im teilweise zweisprachigen Kaufvertrag auf. Franz Kinsele ist also ihr Vater. Geburtsdaten fehlen aber.
Am 25. Juli 1943 ist Mussolini gestürzt worden, am 3. September schloss sein Nachfolger Badoglio den Waffenstillstand mit den Alliierten, am 9. September besetzten deutsche Truppen Italien. Am 13. August, als der Kaufvertrag mit meiner Großtante Antonie von Menz, geborene Sanin abgeschlossen wurde, erkannte man darin von diesem Umsturz noch nichts. König Viktor Emanuel war noch Kaiser von Äthiopien und auch die Rassengesetze waren noch gültig; es wird erklärt, dass alle Vertragspartner der arischen Rasse angehören.
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(1943). Kaufvertrag Villa Kinsele durch Antonie von Menz.
Vorhandene Pläne
Category: Hausgeschichte,Renovierung,Zeitschiene
geschrieben von Armin Kobler | 8. Januar 2021
Wer begleitet uns übrigens im Renovierungs-/Umbauprojekt? Es ist Franz Kosta aus Salurn. Nachdem wir seit Jahren sein Arbeiten, besonders im Bestand, verfolgt haben, fiel unsere Wahl auf ihm. Wichtig war für mich auch, dass er über ein profundes Geschichtswissen verfügt. Die Tatsache, dass er der Mann der Germanistin Cäcilia Wegscheider ist, welche sich u.a. mit Flurnamen, ein weiteres meiner Lieblingsthemen, beschäftigt, und alte Dokumente entschlüsseln kann, ist sicherlich ein zusätzliches Plus für das Gelingen dieses Gesamtprojektes.
Bestandespläne sind der Ausgangspunkt für erste Überlegungen und Entwürfe. Meine Eltern ließen das Haus 1970 von Ing. Konrad Piller umbauen. Leider liegt von damals nichts als dieser Plan auf, auch nicht im Archiv der Gemeinde Ritten. Keine Schnitte, keine Ansichten. Auch sein Sohn, der Bozner Architekt Wolfgang Piller, konnte uns nicht weiterhelfen.
Meinen Freund Geom. Michael Vieider habe ich gebeten, am Gebäudkataster nachzuschauen, was dort diesbezüglich aufliegt. Er wird auch alle notwendigen zusätzlichen Vermessungen vornehmen.
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Die Heirat Richard Kinseles 1860 mit Franziska Kapeller (1835 bis 1891) war sicherlich hinsichtlich mehrerer Aspekte ein guter Zug, war sie doch die Tochter des Bozner Bürgermeisters Anton Kapeller, welcher von 1851 bis 1861 im Amt war. Wenn man der deutlich liberal eingestellten “Inn-Zeitung” vom 26. Oktober 1864 Glauben schenken kann, hat Richaed Kinsele konkrete Ambitionen hinsichtlich des Bürgermeistesessels gehabt. Die geschilderte Vorgangsweise klingt recht gefinkelt und das Ränkespiel zeigt deutliche Parallelen zur heutigen Politik auf (früher war eben nicht alles besser, nur so nebenbei bemerkt). Kapeller hätte also 1864 wieder kandidieren sollen und Richard Kinsele wäre ihm als Sekretär beigestellt worden. Nachdem der Bürgermeister aber wegen seines fortgeschrittenen Alters immer mehr auf die Hilfe Kinseles angewiesen gewesen wäre, würde Letzterer immer mehr zum De-facto-Regierenden und das nächste Mal als logischer Nachfolger gewählt werden.
Die angeführte Zeitung schildert sehr detailreich die verschiedenen Wahlgänge. Kinsele und Kapeller hatten sich zu diesem Zweck mit den Gegenspielern der Liberalen, den Klerikalen, zusammengetan. Die Wahlvorgänge scheinen aus heutiger Sicht sehr komplex gewesen zu sein, Tatsache ist, dass die Rechnung für beide nicht aufgegangen ist.
Bürgermeister wurde also der Liberale Dr. Josef Streiter, nach dem die heutige Gasse im Zentrum Bozens benannt ist.
Besser geklappt hat es vorher mit der Wahl zum Landtagabgeordneten. Richard Kinsele wurde 1864 von den Mitgliedern der Bozner Handelskammer dorthin entsandt. Eine gute Presse, wie man so sagt, scheint er weiterhin nicht gehabt zu haben. Die nämliche Inn-Zeitung (7.3.1864), wirft Kinsele, “für den keine großen Sympathien herrschen”, vor, von Franz v. Kofler protegiert zu sein. Hätten die anderen namhaft gemachten Kandidaten ihr Interesse bekundet, wären wohl diese gewählt worden, so die Zeitung. Im zweiten Wahlgang erhielt er dann die notwendige Mehrheit. Er versprach im Vorfeld “liberal zu sein und die Interessen des Handelsstandes auf das nachdrücklichste zu fördern”. Warum er dann schon 1866 von diesem Amt zurücktrat, entzieht sich meiner Kenntniss.
Aktiv war er auch in der von Franz von Kofler gegründeten, inzwischen zu einer Aktiengesellschaft umgewandelten “Baumwoll- und Filosell-Spinnerei” in St. Anton bei Bozen. Zusätzlich dazu spielte er eine Rolle bei den “Augsburger Gaswerken”, welche auch in Österreich und damit Bozen, aktiv waren. Bei der “Sparkassa zu Bozen” war er als Zensorenstellverter im Vorstand.
1849 trat Richard Kinsele zusammen mit seiner Mutter und seinen anderen sechs Geschwistern die umfangreiche Erbschaft des Alois Kinsele (geb. 1796) an. Gemeinsam mit seinem Bruder Franz kaufte er 1869 die Villa Kinsele den Miterben ab, 1873 überließ er dem Bruder Franz seinen Anteil am Haus. 1866 schon hatte er jenes Sommerfrischhaus in Maria Schnee, welches vorher im Eigentum der Wilhelmine Witwe Kofler geb. Grätzl war, ersteigert. Stammt die von uns zugemauert vorgefunden Verbindungstür vom Balkonzimmer zum Nachbarhaus etwa aus der Zeit des gemeinsamen Miteigentums?
Es verwundert nicht, dass er als bekannter Oberbozner Sommerfrischler auch für zwei Perioden Oberschützenmeister am dortigen Schießstand war. Ob er auch für die Kultur viel übrig hatte, weiß man nicht. Interessant wäre zu erfahren, was aus der Gemäldesammlung seines Onkels Josef von Kinsele zu Eckberg geworden ist. Diese soll ja zu dessen Lebzeiten die größte weit und breit gewesen sein.
Der Ehe mit Franziska Kapeller entsprossen zwei Kinder, Anton Kinsele (1865 bis 1946) und Franziska (Fanny) Kinsele (1869 bis 1956). Beide blieben unverheiratet und ohne Nachkommen. Sie verkauften das Haus in Oberbozen 1921 und lebten als Optanten für das Deutsche Reich schlussendlich in Hall in Tirol.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
Braitenberg, Carl von / Andergassen, Leo / Walther, Franz von / Kofler, Oswald and Braitenberg, Carl von (1994). Die Schützenscheiben von Oberbozen: Symbole eines ritterlichen Exercitiums (Völlig umgearbeitete und ums Doppelte erw. Neuaufl.). Bozen: Edition Raetia.
Anonym (1865, March 10). Rechnungs-Abschluß der Sparkassa zu Bozen für das Solarjahr 1864. In: Beilage Der Bozner Zeitung, pp. 5–12.
Ein Mann will nach oben
Category: Hausgeschichte,Menschen
geschrieben von Armin Kobler | 8. Januar 2021
Franz Xaver Kinsele, der Aufsteiger
Er hat die Bozner Kinsele groß und reich gemacht, als Franz Xaver Kinsele getauft, in den Publikationen aber immer als Franz Sales Kinsele (20.1.1737 bis 5.1.1812) benannt. Doch schon sein Vater war für die Zeit überdurchschnittlich unternehmungslustig: Vitus Kinsele, aus Morter im Vintschgau stammend, war Bäckermeister (“Pistor”) zuerst in Rom und dann in Bozen.
Anfänglich war Franz bei den Augsburger Kaufherren Perinet und Provino angestellt, bis er als Handlungsdirektor in die Großhandlung Georg Anton Menz berufen wurde. Zuvor aber musste er um die Verleihung des Bozner Bürgerrechts ansuchen. Am 12. Dezember 1771 erhielt er es, nachdem sein zukünftiger Arbeitgeber 200 Gulden dafür bezahlt hat. Elf Jahre stand er der Firma erfolgreich vor und war mit einem Viertel gewinnbeteiligt. Als 1783 Anton Melchior von Menz in die Großhandlung einstieg, blieb Franz Kinsele Gesellschafter zu einem Viertel. Noch unter Josef II erhielt er einen Wappenbrief. 1810 stieg er gänzlich aus und gründete sein eigenes Handelshaus. Er hat auch das Sommerfrischhaus in Oberbozen käuflich erstanden, und zwar aus der Konkursmasse des Andre Lan(n)ers, und somit den heute verwendeten Namen der Villa begründet.
1776 heiratete er die Brixnerin Anna Helene von Stickler, welche einer alten Tiroler Bortenwirkerfamilie entstammte. Der Ehe entsprangen fünf Töchter und zwei Söhne, wobei die Vermählungen der Kinder durchwegs der Konsolidierung der Stellung der Familie dienlich waren. Das Handelshaus der Kinsele wurde vom Sohn Josef (1785 bis 1839) weitergeführt.
Womit die Kinsele gehandelt haben und warum genau auch sie die Handelstätigkeiten eingestellt haben, wäre zu eruieren. Dazu werde ich das Archiv des Merkantilgebäudes kontaktieren müssen. Die Informationen über Franz Sales Kinsele stammen größtenteils aus zwei Quellen: Evi Pechlaner: Anton Melchior von Menz (1757–1801), ein Bozner Kaufherr und Musikmäzen. Tiroler Heimat, 81. Band, 2017. Rudolf Granichstaedten-Czerva: Bozener Kaufherren: (1550 – 1850); ihre Geschichte und ihre Familien. Verlag für Sippenforschung und Wappenkunde Starke, 1941. Als ich begonnen habe, den Beitrag zu schreiben, fiel mir sogleich der Titel ein. “Ein Mann will nach oben” ist der Name einer Fernsehserie, welche meiner Generation, sofern sie deutschsprachige Sender konsumierte, bleibende Erinnerungen hinterlassen hat.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
1939 stirbt Robert Kinsele. Johanna und Eleonore erben von ihrem Bruder die Villa Kinsele. Aloisia von Rehorovszky, die Stiefmutter bzw. Mutter der beiden Halbschwestern, bekommt das entsprechende Recht auf Fruchtgenuss. Als sie 1941 stirbt, leben Johanna und Eleonore aber schon seit etlichen Jahren nicht mehr in ihrer Heimatstadt Bozen. Erstere ist mit dem Arzt Josef Lartschneider in Linz verheiratet, letztere lebt hingegen zuerst in München und später in Hall in Tirol. 1943 verkaufen sie über einen Notar das Haus an meine Großtante Antonie von Menz, sie selbst können oder wollen zum Vertragsabschluss gar nicht anreisen. Damit enden unspektakulär mehr als 150 Jahre Kinsele in Maria Schnee, es bleibt der Name der Villa.
Bei der langen Suche nach Nachkommen der damaligen Besitzerfamilie bediene ich mich natürlich des Internets und als ich u.a. ohne große Hoffnungen nach Lartschneider in Oberösterreich suchte, kam doch wirklich ein älterer, aber doch schon digitaler Telefonbucheintrag zum Vorschein: TanjaLartschneider, Kremsmünster. Natürlich habe ich die Chance ergriffen und die Dame angerufen. Zum Glück hat sich Fr. Tanja Kastler, geborene Lartschneider, nicht belästigt gefühlt, sie war eher angenehm überrascht wie mir schien, und sogleich sehr kooperativ. Es ergaben sich interessante Gespräche und ein reger Emailverkehr. Ihr verdanke ich z.B. die Fotos der Familie Kinsele-Lartschneider, der Eleonore Kinsele, deren Mutter Aloisia von Rehorovszky und von Richard Kinsele und seiner Frau Franziska Kapeller. Tanja ist die Urenkelin der Johanna Kinsele, welche den Arzt Josef Lartschneider aus Bozen geheiratet hat, danach mit der Familie nach Linz gezogen ist und später, wie oben schon erwähnt, zusammen mit ihrer jüngeren Halbschwester Eleonore (Lori) die Villa verkauft hat.
Im April ist es endlich gelungen, uns in Südtirol zu treffen, logischerweise am Ritten in Maria Schnee. Mit dabei war Tanjas Mann Robert Kastler und die jüngste in dieser Linie, Tochter Franziska. Es war zumindest für mich ein sehr bewegender Moment, nach den vielen Jahren, wo doch die vergangene Familie Kinsele während der Sommeraufenthalte in Oberbozen immer im Hintergrund irgendwie präsent war (siehe die Seite Was und wieso? dieses Blogs), und besonders jetzt, wo ich mich doch schon recht intensiv mit der Familie und ihrer Zeit auseinandergesetzt habe. Wir hatten uns viel zu erzählen und Monika und ich hoffen, dass wir diese Freundschaft auch über die Kinsele-Beziehung hinaus ausbauen können.
Der Veduten-Schwindel
Category: Hausgeschichte,Oberbozen
geschrieben von Armin Kobler | 8. Januar 2021
Es ist wahrlich ein Trugschluss zu meinen, früher, ja früher, hätten es die Leute mit der Wahrheit viel genauer genommen. Ein salopper Umgang mit Tatsachen oder z.B. geistigem Eigentum war anscheinend gang und gäbe. Ein typisches Beispiel für eine Ansicht, wo deutlich nachgeholfen wurde, ist diese kolorierte Postkarte. Der Schlern ist zwar richtig dargestellt, was die Blickrichtung betrifft, aber er ist von unserer oberen Wiese nicht ersichtlich, weil er viel niederer ist als hier dargestellt. Aber so ist die Postkarte halt viel interessanter. Und wenn man tatsächlich an vielen Orten des Rittens den Schlern recht eindrucksvoll zu sehen bekommt, dann muss dies eben überall dort möglich sein, auch in Maria Schnee. Wäre noch schöner!
Was ich an dieser Aufnahme zusätzlich bemerkenswert finde, ist, dass man bei diesem Blickwinkel endlich genau sehen kann, wo der zweite Rosskastanienbaum, der wahrscheinlich in den 50ern entfernt wurde, wirklich stand: genau zwischen den Fenstern der vorderen und der hinteren Stube. Dass er ordentlich Schatten gespendet hat, steht auch außer Frage. Ich hoffe schon, dass das wenigsten stimmt.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
Anonym. (1900). Maria Schnee mit Schlern. Sammlung A. Kobler.
Diffizile Aufgabe
Category: Hausgeschichte,Renovierung
geschrieben von Armin Kobler | 8. Januar 2021
samt vielen Zweifeln.
„Als lebendige Zeugnisse jahrhundertealter Traditionen der Völker vermitteln die Denkmäler in der Gegenwart eine geistige Botschaft der Vergangenheit. Die Menschheit, die sich der universellen Geltung menschlicher Werte mehr und mehr bewußt wird, sieht in den Denkmälern ein gemeinsames Erbe und fühlt sich kommenden Generationen gegenüber für ihre Bewahrung gemeinsam verantwortlich. Sie hat die Verpflichtung, ihnen die Denkmäler im ganzen Reichtum ihrer Authentizität weiterzugeben. …”
Die Arbeiten in der Villa Kinsele erwiesen sich als weitaus spannender als vermutet. Gleichwohl ich mir bereits auf Grund der fachmännischen Begleitung durch den Architekten Franz Kosta und den Holzrestaurator Walter Alber neuere Erkenntnisse erwartete, wurde ich, bzw. wir alle, von den neuesten Entdeckungen sehr überrascht. Immer wieder stoßen wir auf unerwartete Details, die unsere Theorien der Hausgeschichte nicht bestätigen und dann wieder auf Dinge, welche wir schon vermutet hatten. Über diese Funde wird noch detailliert berichtet werden.
Doch wie geht man mit diesen Entdeckungen um? Tatsache ist, dass in den fast 400 Jahren das Haus immer wieder verändert wurde. Dabei wurden Elemente entfernt, andere kamen dazu und neuere wiederum haben im besten Fall frühere nur verdeckt und nicht zerstört. Das Haus besteht also teilweise aus verschiedenen Hüllen, welche durch die Renovierung auch partiell oder gänzlich sichtbar gemacht werden können.
Darüber, dass so einige Veränderungen der jüngeren und jüngsten Geschichte rückgängig gemacht werden können oder sogar müssen, sind wir uns wahrscheinlich einig. Waren es doch Umbauten, welche verallgemeinernd wirken, dem Haus seine Alleinstellung verringert haben. Aber auf welche Zeitepoche greift man schlussendlich zurück, in den Räumen, wo man den Luxus hat, aussuchen zu können?
Soll es der Barock mit seinen opulenten Deckengemälden sein, dem Zeitalter, in dem die Oberbozner Sommerfrischhäuser mehrheitlich entstanden sind, die bekannte Sommerkolonie gegründet wurde? Oder soll die sich an der deutschen Renaissance inspirierende Holzstube erhalten bleiben, welche vor circa 120 Jahren ganz à la mode unter Verwendung teils älterer, teils zeitgenössischer Elemente eingebaut wurde um das Haus auch im Winter bewohnbar zu machen?
Hinsichtlich der Art, wie man mit zu nutzender historischer Bausubstanz umzugehen hat, hat sich die Herangehensweise mit der Zeit immer wieder, auch sehr stark, verändert. Von einem stilistischen Reinheitsgebot, das Weiterbauen auch nach viel vergangener Zeit nur in der begonnenen Manier erlaubt (1) , über das Weiterbauen mit zeitgenössischer Formensprache, klar abgegrenzt zum historischen Bestand (2) bis zum sorg- und respektlosen Umgang mit dem Alten (3), wie es unsere Vorfahren größtenteils gelebt haben, spannt sich die Art des Umgangs.
Als international anerkannte Richtlinie in der Denkmalpflege gilt die 1964 verfasste Charta von Venedig. Auf sie wird immer wieder Bezug genommen, ein Grund mehr, diesen gar nicht zu langen Text aufmerksam zu lesen. Hinsichtlich unseres Projektes sind m.E. folgende Artikel von Bedeutung:
Artikel 5 Die Erhaltung der Denkmäler wird immer begünstigt durch eine der Gesellschaft nützliche Funktion. Ein solcher Gebrauch ist daher wünschenswert, darf aber Struktur und Gestalt der Denkmäler nicht verändern. Nur innerhalb dieser Grenzen können durch die Entwicklung gesellschaftlicher Ansprüche und durch Nutzungsänderungen bedingte Eingriffe geplant und bewilligt werden.
Artikel 9 Die Restaurierung ist eine Maßnahme, die Ausnahmecharakter behalten sollte. Ihr Ziel ist es, die ästhetischen und historischen Werte des Denkmals zu bewahren und zu erschließen. Sie gründet sich auf die Respektierung des überlieferten Bestandes und auf authentische Dokumente. Sie findet dort ihre Grenze, wo die Hypothese beginnt. Wenn es aus ästhetischen oder technischen Gründen notwendig ist, etwas wiederherzustellen, von dem man nicht weiß, wie es ausgesehen hat, wird sich das ergänzende Werk von der bestehenden Kopie abheben und den Stempel unserer Zeit tragen. Zu einer Restaurierung gehören vorbereitende und begleitende archäologische, kunst- und geschichtswissenschaftliche Untersuchungen.
Artikel 11 Die Beiträge aller Epochen zu einem Denkmal müssen respektiert werde: Stileinheit ist kein Restaurierungsziel. Wenn ein Werk verschiedene sich überlagernde Zustände aufweist, ist eine Aufdeckung verdeckter Zustände nur dann gerechtfertigt, wenn das zu Entfernende von geringer Bedeutung ist, wenn der aufzudeckende Bestand von hervorragendem historischen, wissenschaftlichen oder ästhetischen Wert ist und wenn sein Erhaltungszustand die Maßnahme rechtfertigt. Das Urteil über den Wert der zur Diskussion stehenden Zustände und die Entscheidung darüber, was beseitigt werden darf, dürfen nicht allein von dem für das Projekt Verantwortlichen abhängen.
Als der Form der Vertiefung und konkreten Umsetzung der Charta-Prinzipien wird ebendort das Strategiemodell – Bauen im Bestand vorgestellt.
Der Besuch im Innsbrucker Ferdinandeum und seiner Ausstellung “Im Detail – Die Welt der Konservierung und Restaurierung” hat nicht nur mein Wissen um die Thematik erweitert, sondern noch einmal das Bewusstsein geschärft. Ich kann den Besuch nur empfehlen, betreffen die Inhalte doch alle Personen, welche mit offenen Augen die Umwelt erfahren.
“Kostbare Gemälde, uralte Bücher, zeitgenössische Kunst und volkskundliche Gebrauchsgegenstände: Egal welchem dieser Exponate Sie im Museum begegnen, die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass es bereits durch die Hände einer Restauratorin oder eines Restaurators gegangen ist.” “Wie lange darf eine zarte Zeichnung im Licht hängen? Wie wird eine fragile Holzskulptur verpackt? Oder wie können edle Trachten vor Mottenbefall bewahrt werden?”
Je mehr Zeit ich verwende, um mich mit der Hausgeschichte im weitesten Sinne zu beschäftigen, desto mehr wächst der Respekt und die gefühlte Verantwortung gegenüber dem nicht von ungefähr denkmalgeschützten Haus. Die fachliche Begleitung durch den Architekten und das Denkmalamt sind unerlässliche Stützen bei der Bewältigung der Aufgabe, aber manche Entscheidungen muss ich als Bauherr selbst treffen. Wenn es auch prioritär bleiben muss, aber als alleiniges Ziel der Arbeiten kann nicht nur die Aufwertung des historischen Objektes sein, auch die zeitgemäße Verwendbarkeit, der finanzielle Rahmen und nicht zuletzt persönliche Vorlieben sollten Platz finden. Ein heikle Aufgabe, denn mein Ansinnen ist außerdem, dass auch die Nachwelt unsere Maßnahmen als zumindest nicht falsch beurteilen wird. Realistische Erwartungen oder Illusion?
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
Immer wieder stoßen wir, wie schon im vorigen Beitrag angeklungen, auf Unerwartetes. Beispielsweise auf die Deckenbemahlung im Gangbereich des Erdgeschosses. Sie ist gleich wie jene, immer schon sichtbare im ersten Stock des Hauses. Oder auf die Dekorationsmalerei, welche ursprünglich alle vier Wände des Musikzimmers gestaltet hat.
An der Decke sind neben den für das Barock so typischen üppigen und bunten Ranken zwei Heilige dargestellt: es sind dies der heilige Sebastian, Schutzheiliger gegen Seuchen und der heilige Florian, der vor Brand bewahren soll. Die Decke wurde wahrscheinlich vor ca. 130 Jahren von unten her mit Brettern zugenagelt, diese dann mit Stroh versehen und verputzt. Ich nehme an, weil sie inzwischen, besonders wegen der Nähe zur Küche mit offenem Herd, zu reinigen bzw. restaurieren gewesen wäre und weil sie nicht mehr in das inzwischen neugotisch gestaltete Ambiente gepasst hat. Das ist natürlich nur ein Hypothese meinerseits, mal schauen, ob sie sich als wahr oder eben nicht herausstellen wird.
Der Bereich nahe der Küche hat besonders unter dem Rauch gelitten, da wird es sicher schwierig bis unmöglich werden, einen ästhetisch akzeptablen Zustand wiederherzustellen, schade. Wir lernen hier wieder, wie bedenkenlos auch früher mit Sachen umgegangen wurde, welche nicht mehr in Mode waren.
Auch die Decke im Stubenbereich ist im Prinzip gleich gestaltet, das hat das Herauslösen eines Bodenbrettes im darüber liegenden Musikzimmer ergeben. Nachdem wir die Stuben so erhalten wollen, wie wir sie vorgefunden haben, wird sie dort wohl für’s Erste verborgen bleiben. In einem weitaus besseren Zustand als jene am Gang ist sie in jedem Fall, wie schon das reine Weiß zeigt. Interessant wäre natürlich zu wissen, ob auch dort Heilige in Medaillons dargestellt sind.
Die im Musikzimmer vorgefundenen Wandmalereien – wir nennen den großen Salon mit den sechs Fenstern so, weil sich dort bis in die 50er Jahre u.a. ein Klavierflügel befand – unterstreichen den rappresentativen Charakter des Raumes. Sie stammen anscheinend aus der der Klassik, den pastellfarbenen Flächen und geraden Linien wird von roten schlängelden Rosen geschickt die Strenge genommen. Leider sind diese Seccomalereien stark beschädigt. Einmal, weil sie durchlöchert wurden, damit der spätere Putz daran haften kann und weil die Errichtung der Zwischenmauern in den 50ern – eine komplette Kleinwohnung wurde hineingesetzt – das Aufspitzen der Außenmauern notwendig machte. Ich hoffe, dass wir sie wenigstens an ein paar Stellen wieder renoviert sichtbar machen können und so die Geschichte des Raume zumindest ansatzweise vergegenwärtigen können.
Dachgeschichten
Category: Hausgeschichte,Renovierung
geschrieben von Armin Kobler | 8. Januar 2021
Dieser Auschnitt aus einer Fotografie aus dem Jahre 1900 ist recht aufschlussreich. Beide Dächer sind schindelgedeckt aber doch nicht gleich. Rechts das Wohngebäude des älteren Oberhofers mit den größeren aber auch rustikaleren Schindeln, links die jüngere, aber zugleich auch herrische Villa Kinsele mit der feineren Eindeckung.
Als meine Mutter das Haus 1969 geerbt hat, war das Dach schon nicht mehr in einem idealen Zustand. Besonders an der Nordseite – wahrscheinlich weil dort die Eindeckung nach Niederschlägen immer länger nass blieb und auch der Schnee später wegschmolz – waren die Schindeln in einem sehr schlechten Zustand. Ich erinnere mich noch gut, wie mein Vater während der Regenfälle im Dachboden nach lecken Stellen suchte und diese mit eingeschobenen Blechstücken notdürftig zudeckte. Das Dach über dem Balkonzimmer war zu der Zeit mit den Nonsberger Doppelmuldenziegeln eingedeckt, nachdem der Teil dort in den 50ern oder 60ern sogar eingestürzt sein soll.
Das war alles nicht ideal, weswegen meine Eltern nach einer Lösung suchten. Zumal der Dachstuhl außer über dem Balkonzimmer statisch nur für die relativ leichte Schindeleindeckung dimensioniert war, waren die Möglichkeiten begrenzt. Zuerst wollten sie das Dach wieder gleich eindecken lassen, aber für das teure Unterfangen wurde ihnen kein Beitrag gewährt. Ich kenne nur ihre Version des Gesprächs mit dem verantwortlichen Sachverständigen des Denkmalamtes, die willkürliche, persönliche geprägte Reaktion auf die Anfrage nach der eigentlich zustehenden Subvention soll aber skandalös gewesen sein.
Die Folge war, dass man sich schlussendlich für Bitumenschindeln entschied. Die Firma Gostner aus Vahrn nagelte 1980 auf das bestehende Dach eine Schicht Fichtenbretter, auf die wiederum schwarzgraue Bitumenschindeln geklebt wurden. Das Dach war endlich wieder dicht, aber das Aussehen hat sicherlich – wenn es in diesen 80er-Jahren auch schlimmer hätte ausfallen können – darunter gelitten. Diese zweite Eindeckung über der originalen hat nämlich den vier von ursprünglich sechs Dachgauben das typisch Filigrane genommen und sie zudem optisch ins Dach gedrückt. Auch wurden die vorhandenen Neigungsunterschiede des Traufenverlaufs (oben steiler, unten flacher) unkenntlich gemacht. Positiv war, dass die neue Farbgebung nicht wesentlich von der vorherigen abwich und dass der Dachstuhl erhalten blieb. Gerade Letzteres ist wichtig, da dies für die Zukunft mehrere Lösungen ermöglicht.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
Anonym (1900). Villa Kinsele und Ehepaar Kinsele (eigene Interpretation) [Fotografie].
Eine Fülle von Funden (3)
Category: Hausgeschichte,Renovierung
geschrieben von Armin Kobler | 8. Januar 2021
Deckenmalereien überall
So beginnt Josef Weingartner die Beschreibung der Oberbozner Sommerfrischsiedlung in seinem Standardwerk “Kunstdenkmäler Südtirols” von 1929. Und tatsächlich haben beide Stuben eine typische Deckenbemalung vorzuweisen. Auch hier waren sie von einer unteren Verschalung samt Schilfbespannung und weiß bemalten Putz verdeckt. Nachdem es komplett rauchfreie Räume waren – vergessen wir nie, dass diese Häuser nur im Sommer genutzt wurden und deshalb über keine Öfen verfügten – ist die Bemalung dort wo sie noch existiert sehr gut erhalten geblieben. In der hinteren Stube fehlt leider eine ganze Hälfte, da die Decke dort zum Zweck eine Badeinbaus im oberen Stockwerk mit einem Fehlboden ersetzt wurde. Und auch in der vorderen Stube ist ein Verlust zu beklagen: um die Decke möglichst regelmäßig verputzen zu können wurden die bemalten Balken an einigen Stellen ohne Rücksicht abgehobelt.
Die dargestellten Personen sind in der hinteren Stube der Hl. Antonius von Padua, der oder die sicherlich vorhandene zweite Heilige ist leider verschwunden; in der vorderen der Hl. Ignatius von Loyola und ein weiterer, dessen Namen noch nicht endgültig geklärt ist. In Erwartung weiteren Erkenntnisse darüber wird es in nächster Zeit einen eigenen Beitrag geben. In den Bereichen zwischen den Medaillons sind abwechselnd Blüten- und Früchtekompositionen gemalt. Die Strahlkraft der Farben nach der ganzen vergangenen Zeit ist schon bemerkenswert. Peter von Grabmayr, der Miteigentümer des gleichnamigen Hauses und der St.-Magdalena-Kirche ist, sich eingehend mit der Geschichte der Oberbozner Sommerfrischsiedlung beschäftigt und mit dem ich diesbezüglich in regem Ausstausch stehe, meint dazu: “Die Ranken sind in Farbe und Form der zweiten Periode zuzuordnen, wie sie in den beiden Zallinger-Häusern (jetzt Amonn und Braitenberg) zu finden sind, ebenso Ganahl und Mackowitz.”
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
Weingartner, J. (1929). Die Kunstdenkmäler des Etschlandes Band III. Teil 1. u. 3 - 1.Teil: Ritten, Sarntal, Tschöggelberg und 3.Teil: Uberetsch, Unterland und Regglberg. Benno Filser.
Grabmayr, P. von. (2023). Schriftliche Mitteilung.
Ist so die Villa Kinsele entstanden?
Category: Hausgeschichte,Renovierung
geschrieben von Armin Kobler | 8. Januar 2021
Die ältesten Verträge bringen Licht ins Dunkel
Richard Niedermair aus St. Lorenzen, der mich bei den Recherchen tatkräftig unterstützt, hat im Verfachbuch des seinerzeit für Oberbozen zuständigen Gerichts Stein am Ritten einen wichtigen Kaufvertrag gefunden und transkribiert. Die Inhalte beanworten gleich mehrere Fragen: Seit wann gibt es am Standort der heutigen Villa Kinsele eine Sommerfrischbehausung? Wem gehörte sie? Welchen Hintergrund haben einige bisher unerklärlich gebliebenen Funde? Warum ist sie am Oberhofer angebaut und nicht wie fast alle anderen Sommerfrischhäuser aus der Zeit freistehend?
Im Verfachbuch Stein am Ritten 1726, folio 570, ist der Kauf zwischen “Herr Andreen Laners aus Bozen und Mathias Prackhwieser Oberhofer und seiner Ehewirtin [Ursula] Lintnerin” festgehalten. Der Eigentümerwechsel betrifft “… Oberpozen die daselbs bei d behausung nit Unlengsten hiezue Erpauten zwo Camern sambt all d ybrigen Umb- unnd Ingepeyen, Item kheller, Kichele, dillen re Stallele und dgleichen und zwar Specialiter alles ds Jenige was Unter den Obdach sollichen Neu Gepey sich befindet, wie auch ain darbey ligendes Stuckh Ertreich khreitle garthen.“
D.h., in der heutigen Sprache ausgedrückt, Andre Lanner kauft von den Oberhofer-Eheleuten 1726 ein vor kurzem angebautes Gebäude. Es ist laut der Beschreibung aber kleiner als die spätere Villa, wie sie Franz Sales Kinsele 1779 ersteigern wird. Ich nehme an, dass dieses “Neu Gepey” nur den Teil ostwärts vom heutigen Gang beinhaltet hat. In dieser Form hat das Haus den Ansprüchen Lanners nicht genügt, er hat es in der Folge – wann wissen wir (noch) nicht – Richtung Westen erweitert.
Was begründet diese Hypothese? Als der Wandschrank unter der Stiege für die Restaurierung ausgebaut wurde, kam unerwartet ein zugemauertes Fenster, auf dem Grundriss “1”, zutage. Diese Mauer begrenzte also ursprünglich das Gebäude nach Außen. Warum die Küchentüre (2) über eine Oberlichte verfügt, war uns auch ein Rätsel. Das Ablösen der Farbanstriche darauf war dann aber aufschlussreich: man konnte jetzt ehemalige Aussparungen an den horizontalen Teilen des Rahmens erkennen. Da waren Eisengitter befestigt, das war einmal Teil einer Außentür!
Damit dem Wandschrank (3) in der Speis mit seinen original Barockdekormalerei die doch intensiven Maurerarbeiten gut übersteht, wurde auch er zu Beginn vorsichtshalber ausgebaut. Dahinter kam ein Holzträger zum Vorschein, der auf ein früheres Fenster hindeutet. Tatsächlich war das Oberhofergebäude früher schmäler, ein Fenster dort zu haben war durchaus möglich und sinnvoll.
Bis zuletzt verstanden wir auch nicht wirklich, warum in der Kammer im oberen Stock (4) die Bodenbretter nicht eine durchgehende Länge aufweisen, sondern an der Ostseite über die ganze Wandlänge verlängert wurden. Walter Alber hat sogleich einen ehemaligen Stiegenaufgang vermutet. Aber wofür soll es einen zweiten gebraucht haben? Für einen getrennten Dienstbotenaufgang z.B. war das Haus doch zu wenig herrschaftlich. Also doch keine Treppe? Jetzt wissen wir es, dort verlief im Ursprungsgebäude die Stiege, welche das Obergeschoss erschlossen hat. Recht breit war sie nicht, vielleicht war sie auch nur aus Holz.
Mit dem Zimmerer Urban Pechlaner haben wir uns letztlich den Dachstuhl ein wenig genauer angeschaut. Er hat dort aber keinen Hinweis auf eine Hauserweiterung vorgefunden. Er meint, dass das Dach des ersten Gebäudes wahrscheinlich anders ausgerichtet war und der Dachstuhl deshalb im Laufe der Vergrößerungsarbeiten gänzlich erneuert wurde.
Was uns jetzt noch fehlt, ist das Jahr der Hauserweiterung, die dem Gebäude die heutige, charakterisierende L-Form gegeben hat. Sie muss gemäß der Aktenlage zwischen 1726 und 1779 erfolgt sein, wobei ich mutmaße, dass sie bald einmal nach dem Erwerb des Oberhofer-Nebengebäude stattgefunden haben muss. Warum dies? Weil in der 1778 anlässlich des Konkurses durchgeführten Schätzung Klüfte in den Mauern und Wassereintritt durch schadhaftes Dach als wertmindernd verzeichnet wurden. Dies lässt doch ein bestimmtes Mindestalter vermuten.
Jedenfalls wurde mit diesem Aktenfund und seiner Auswertung ein großer Schritt nach vorne hinsichtlich der Baugeschichte gemacht. Ob das zweite Sommerfrischhaus im Verbund einen ähnlichen Ursprung aufzuweisen hat? Wir werden zusammen versuchen auch dies zu ergründen.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen