“Ganz unerläßlich ist zum dritten Ein Sommerfrischhaus am luftigen Ritten Und damit verbunden das Recht zum Tragen Des weißen Mantels mit rotem Kragen.”
Jedem, der eine der Veranstaltungen der Oberbozner Schützengesellschaft besucht hat oder bei einem der dortigen Kirchtage zugegen war, dürften die Oberbozner Mäntel aufgefallen sein. Doch lassen wir den ehemaligen Oberschützenmeister Carl von Braitenberg in “Tiroler Schützenscheiben – der Oberbozner Schießstand” (1979, S. 33) zu Wort kommen:
“Bei einem dieser Ausflüge zu Pferd war es wohl […], daß ihre an kleidsamer Tracht geübten Augen an den weißen, rotverbrämten Wollmäntein Gefallen fanden, mit denen sich die Hirten auf der Alm seit jeher gegen Unwetter und Kälte zu schützen gewohnt waren. Solche radförmige Mäntel aus weißer Schafwolle, mit rotem Rande, die so kleidsam um die Schultern geschlungen werden konnten, müßten auch ihren Männern und Brüdern gut anstehen, allerdings dürften sie für schmale städtische Schultern nicht so schwer geschnitten sein wie die ganzrädigen, gewalkten Hirtenmäntel, sondern natürlich aus feinerem Wolltuch mit geringerem Umfange und die schmale rote Verbrämung der Hirtenmäntel müßte zu einem breiteren, roten Saume und Kragen gestaltet werden. So entstand die von den Almhirten übernommene Mode der weißen Radmäntel mit rotem Kragen, fand Anklang bei den Schützen und ihren Frauen und bald hatte jedes Sommerhaus seinen Bestand an solchen „Oberbozner Mänteln” die bis heute noch in Verwendung stehen und eine weitere Eigentümlichkeit dieser Sommerfrische bilden.”
Interessantes Detail: die Klobensteiner Sommerfrischler tragen den weißen Mantel mit schwarzem Saum und Kragen. Ob die Farbe Schwarz der prägenden Anwesenheit des Deutschen Ordens in Lengmoos geschuldet ist oder doch nur deshallb gewählt wurde, um sich von den Oberboznern zu unterscheiden, kann ich nicht sagen.
Was das Sommerfrischhaus als Seligkeit angeht, ist es offensichtlich, dass es einerseits erlaubte, die heißesten Tage im Jahr in angenehmer und – sehr wichtig! – nicht krankmachender Umgebung “… am luftigen Ritten…” zu verbringen, andrerseits sicherlich auch als Zeugnis der erreichten sozialen Stellung diente. Insofern wird Franz Sales Kinsele als Emporkömmling sehr froh gewesen sein, dass sich am 23. Juni 1779 die Möglichkeit ergeben hat, das Sommerfrischaus aus der Konkursmasse des Andre Lanner zu ersteigern. Mit 1.225 Gulden (Ausrufepreis 1.030 Gulden) setze er sich gegen Roman Sebastian von Call durch, der mit 1.200 Gulden sein letztes Gebot abgab.
Der Preis war deshalb nicht besonders hoch angesetzt, weil das Haus, obwohl noch nicht alt (mit dem Wissensstand von 2023 schätze ich, dass es gegen 1680 erbaut wurde), sich nicht mehr im besten Zustand befunden hat (“…Ein- als auswendig einiche Klift”, “Die Bedachung ist an der unteren flig zimlich runios“). Zudem wurde es als nicht besonders groß angesehen und das Fehlen eines Garten angeprangert. Das Protokoll der mit der Schätzung beauftragten “Taxatores” ist deshalb recht aufschlussreich und zeigt auch, dass die Raumeinteilung im wesentlichen bis heute unverändert geblieben ist:
“… nachdeme Sie zwey Taxatores mehrbesagte Behaußung durch alle Zimer, Gemäuer und Bedachung Beaugenscheint; So wurde daraufhin von denenselben der Befund wie folgt erkennet. 1.mo Erfinden sich in dießer Behaußung zu ebenen Fuß hinein linkerhand zwey kleine Zimer. Ein enges Sällele 1 Kuchl, 1 Kuchl Kämerle, Ein kleines Vor- und Ein Wein Kellerle. Dieses alles auf glatter Erden und derowegen forderist der Wein Keller zum Wein auf Behalt zimlich feicht. Wiedan in denen Fußböden da und dort ein Erhebung zuersechen ist. 2.do In zweiten stok sind zwey zimer, Eine Stube und ein kleines Sällele alles in guten stand. 3.tio Untern Dach drey mit Flecken eingeschlagene Kamerlen. 4.tio Die Bedachung ist an der unteren flig zimlich runios und des nächsten von darumen zu reparieren, als in besagten Kamerlen das Wasser in Mehrer Orthen durchgeflossen. 5.to Die Mauren betrefende, an diesen sind auf der obern seite sowohl Ein- als auswendig einiche Klift zuersehen, so von einen schlechten Grund herkomen sein Müssen. Ansonsten aber in guten stand und gelegendlich gebauet. In Ansechung nun in eröfterten Behausung nur eine Kuchl und ein Keller und diese zimlich klein mithin fir zwey Partheien nicht zu gebrauchen, zudeme aber auch eine nächste Reparation und Jährliche Bauhaltung vonnöthen auch nicht Einmahl Ein Garthen darzu gehörig, So wird dieselbe fir Lutheigen Werthzusein gerichtlichen taxiert Per aintausend fünzig Gulden, Dico —–1050 f – k“
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
Braitenberg, Carl von and Kofler, Oswald (1979). Tiroler Schützen-Scheiben, der Oberbozner Schiessstand (Amonn, Walther, Ed.) (2. Aufl.). Bozen: Athesia.
Braitenberg, Carl von / Andergassen, Leo / Walther, Franz von / Kofler, Oswald and Braitenberg, Carl von (1994). Die Schützenscheiben von Oberbozen: Symbole eines ritterlichen Exercitiums (Völlig umgearbeitete und ums Doppelte erw. Neuaufl.). Bozen: Edition Raetia.
Anonym (1900). Frau unterhalb Haus Malinowski im Oberbozner Mantel [Fotografie].
Ein jährliches Andenken
Category: Menschen,Zeitschiene
geschrieben von Armin Kobler | 17. Dezember 2023
Alle Jahre wieder überzieht im Frühling ein Teppich von Narzissen den oberen Teil der unteren Hauswiese. Mindestens seit ich mich erinnern kann, und das sind inzwischen mehr als 50 Jahre, bereichern ganz viele gelbe Farbtupfer den zu Zeit noch recht grauen Oberbozner Vorfrühling. Mit ganz großer Wahrscheinlichkeit hat Kurt Friedl in den Jahren davor die Narzissenzwiebel dort gesetzt. Er bewohnte mit seiner Frau Else und dem gemeinsamen Sohn Alexander 22 Jahre ganzjährig die Villa Kinsele.
Meines Wissen hat meine Großtante an dem 1943 von ihr erworbenen Haus kein Interesse gehabt, das über das Wirtschaftliche hinausgegangen wäre; sie bewohnte ja schon den Ortnerhof, der dem Eigentum ihres Mannes entstammte. Demzufolge konnte sie auch mit dem großen Musikzimmer im oberen Stock nichts anfangen, sie baute eine kleine Wohnung hinein. Diese, samt dem Büro, dem letztlich von meinen Eltern benutzten Schlafzimmer, bewohnte die Familie Friedl seit 1947.
Kurt Friedl entstammt einer Hoteliersfamilie. Ihr gehörte das jetzige Hotel Post. Zumindest bis in die einsprachige italienische Zwischenkriegszeit trug es den Namen der Familie, wie diese Postkarte bezeugt. Man bemerkt auf dem Foto auch, dass der Hoferbauer schon an die neue Hofstelle umgezogen ist, der große Stallstadel im Park des Hotels ist nämlich nicht mehr vorhanden.
Ein leidenschaftliches Hobby des letztlich als Geschäftsführer der Rittner Quellwassergenossenschaft tätigen Oberbozners war das Gärtnern. Tatkräftig unterstützt von seiner Frau Else und dem heranwachsenden Sohn Alexander hegte und pflegte er den zum Haus gehörenden relativ großen Gemüsegarten mit einer beispiellosen Hingabe. Der Garten war weitum einer der schönsten. Auch nach der Übersiedlung konnte er den Garten leihweise behalten, wir hatten dafür während der Sommermonate immer das ganze frische Gemüse, das wir brauchten. Erst als er es irgendwann altersbedingt nicht mehr schaffte, gab er zu unserem Leidwesen den Garten auf. Ich erinnere mich immer gerne an den “Herrn Friedl”. Er war eine angenehme Respektsperson und ein Mensch, der über eine bemerkenswerte Bildung verfügte, weshalb man von ihm immer nur lernen konnte. Spätestens, wenn wie jedes Jahr alle Narzissen blühen, tritt die angenehme Erinnerung an ihn wieder in den Vordergrund.
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