Covergirl ist unsere Villa Kinsele nicht geworden, aber…
Category: Renovierung
geschrieben von Armin Kobler | 20. November 2024
…trotzdem ist ein vielbeachteter Beitrag in der Bauen-Beilage der Wochenzeitschrift ff entstanden. Mich freut es für unseren Architekten Franz Kosta, gibt ihm diese Publikation doch die wohlverdiente mediale Sichtbarkeit. Ja, ich weiß, im Text sind auch einige Ungenauigkeiten zu finden, darauf hatte ich zu keiner Zeit Einfluss. Aber die Message, welche unterstützt durch die tollen Aufnahmen von Alexandra Clement vermittelt werden soll, kommt m.E. trotzdem gut herüber, der Artikel hat damit sein Ziel nicht verfehlt.
Die Bahn war schuld (1)
Category: Oberbozen,Siedlungsgeschichte
geschrieben von Armin Kobler | 20. November 2024
… oder war es doch der Wille der Sommerfrischgesellschaft?
Mit dem Aufkommen des Interesses am westlichen Ausläufer des Rittnerberges durch die Bozner Patrizier – zuerst durch den Sandsteinabbau, danach durch die Möglichkeit des sommerlichen Aufenthalts – wurde dieser in der Folge Oberbozen (auch Oberbotzen, Oberpozen) genannt. Vorher bildeteten die verstreut liegenden Bauernhöfe der Gegend die St.-Jakob-Malgrei. Die namensgebende, den Heiligen Georg und Jakob geweihte, gotische Kirche auf dem schon in der Vorzeit besiedelten Hügel war lange Zeit das einzige Gotteshaus der Gegend.
“… das 4. [Viertel] ist Ober Pozen, ein sehr schons, lustiges ort von ebne wisn und larchenen Woltung; die kirh da rast bey San Jörgen; “ (Wolkenstein v. M.S., 1600)
Im Zuge der Besiedelung durch die Sommerfrischlerfamilien ab 1609, als Balthasar Heisserer am Karlerhof das erste Hitzerefugium errichten ließ, wurden von diesen auch vier Kirchen in unmittelbarer Nähe der Behausungen errichtet. Es sind dies von Westen nach Osten: Maria Einsiedeln (privat), Maria Himmelfahrt (die größte, öffentlich), Maria Magdalena (privat) und Maria Schnee (früher privat, jetzt öffentlich). Um die neu erbauten Häuser zu verorten, wurden die Namen der drei letztgenannten Kirchen verwendet. Am meisten Villen entstanden rund um die spätere Pfarrkirche Maria Himmelfahrt, etwas weniger in St.Magdalena und gar nur zwei im Ortsteil Maria Schnee.
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Abb. 1 bis 5: die historischen Kirchen Oberbozens (aus Rampl 2007).
Die Einteilung hat sich offensichtlich bewährt, wurde sie doch in den jeweiligen Landesbeschreibungen (Abb. 6) und mit dem Aufkeimen eines zaghaften Tourismus auch in den allmählich erscheinenden Fremdenführern (Abb. 7 und 8) verwendet.
Bemerkenswerte Ergebnisse hat die Recherche im historischen Teil des Grundbuches zu Tage gebracht. Und zwar werden für den westlichen Ausläufer des Rittner Mittelgebirges nur zwei Flurnamen verwendet: Oberbozen und Maria Schnee. Zwischen 1907 und 1910, als das Grundbuch in der heute bekannten Form angelegt worden ist, gab es schon, wenn auch nur seit kurzem, die Rittnerbahn. Besonders der parallel dazu entstandene Oberbozner Grund- und Bauverein (dessen Tätigkeit wird in Zukunft ein eigener Beitrag gewidmet), hatte schon in diesen ersten Jahren des Umbruchs die bauliche Entwicklung des Ortes in beträchlichem Ausmaß vorangetrieben; vom Ortsteil mit den wenigsten Behausungen sollte er bald der an Anzahl bedeutendste werden.
Abb. 6: ausgewählte Ausschnitte aus dem historischen Teil des Grundbuchs Ritten I, 1909. Abgebildet ist jeweils das A1-Blatt, weil es u.a. die Benennung des Riedes (Ortsteil, Lage) enthält.
Alle anderen den Grundbuchskörper bildenden Parzellen der Gegend wurden mit der Verortung Oberbozen eingetragen, seien es die im Westen wie die im Osten von Maria Schnee gelegenen, z.B. steht bei allen Häusern in Maria Himmelfahrt und Sankt Magdalena aber auch bei den Höfen Wieser, Köck und Geyrer Oberbozen in der Spalte Benennung des Riedes. Die Abbildung 7 veranschaulicht zum besseren Verständnis auf der heutigen Orthophotokarte die ungefähre Abgrenzung der Bezeichnungen.
Ich kann mir diese Eigentümlichkeit damit erklären, dass schon in den Jahren rund um die Errichtung der Rittnerbahn geplant war, – die Rolle des Oberbozner Grund- und Bauvereins ist auch diesbezüglich deutlich sichtbar – die Gegend um Maria Schnee als zukünftiges Zentrum der baulichen Entwicklung schlussendlich auch namentlich hervorzuheben. Doch gekommen ist es dann doch ganz anders…
(Fortsetzung folgt)
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
Wolff, Karl Felix (1909). Führer durch Bozen-Gries: unter besonderer Berücksichtigung der vier neuen Bergbahnen und der großen Dolomitenstraße. Eigenverlag.
Wenn man die Bau- und Eigentumsgeschichte ab ca. 1907 erforschen will, dann sind die Grundbucheintragungen ein unerlässliches Hilfsmittel. Grafisch kann man Situationen mit Hilfe der ersten umfassenden Katasterkarte sehr übersichtlich sogar bis zur 1858 zurückverfolgen. Und das Gute dabei ist, dass man dabei ist, auch die historischen Teile der beide Institutionen zu digitalisieren, womit der Zugriff der Bürger weiter erleichtert wird.
Grundbuch und Kataster in Südtirol sowie in den anderen Provinzen Italiens, welche nach 1918 zu Italien geschlagen wurden, stammen noch von der österreichischen Verwaltung und wurden wohlweislich von den neuen Machthabern, begrenzt auf die obgenannte Gebiete, übernommen. Das österreichische Grundbuchssystem hat sich nach allgemeiner Meinung ab dem 12. Jahrhundert bzw. seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts aus dem Institut der “Landtafeln”, das in einigen Gebieten der Habsburger Monarchie – nämlich in Böhmen, Mähren und Oberschlesien – bestanden hat, entwickelt. Dort hatte sich nach und nach der Grundsatz durchgesetzt, dass Rechte an Liegenschaften nur nach erfolgter Kundmachung und zwar durch Eintragung in bestimmte Verzeichnisse (Tabulae, Tafeln) erworben werden. Die Eintragung in das Verzeichnis hatte demnach nicht nur bloße Beweiskraft, sondern auch substantielle, rechtsbegründende Wirkung: der Inhalt des Verzeichnisses konnte nicht bestritten werden und die mangelnde Kenntnis der Eintragungen des Verzeichnisses war irrelevant. (Landesverwaltung 2024)
Das Kataster gibt hingegen Auskunft über die Lage und die Größe sämtlicher Grundstücke und Gebäude sowie deren Nutzung. Auf unserem Gebiet – sowie in Teilen anderer Provinzen Norditaliens, die früher ebenso zum alten Kaiserreich gehörten, wie Trient, Belluno, Trieste usw. – ist noch heute der österreichische Grundkataster in Kraft, der von Kaiser Franz I. von Österreich mit allerhöchstem Patent vom 23. Dezember 1817 zum Zweck des Grundsteuerausgleiches eingeführt wurde: “… In Erwägung der Missverhältnisse, welche bey der Umlegung der Grundsteuer nach dem bestehenden Maßstabe der Verteilung für ganze Provinzen, Kreise, Distrikte und Gemeinden, wie für einzelne Contribution hervorgehen …”. So wollte man einen geometrischen parzellenbezogenen Kataster aufbauen, gestützt auf die Vermessung und die “stabile” Schätzung. Für jede einzelne Parzelle musste mittels direkter Schätzung der ständige steuerpflichtige Wert bestimmt werden, d.h. der Nettoertrag mit Bezug auf die Jahre mit durchschnittlicher Produktivität. (Landesverwaltung 2024)
Es ist daher ausreichend, die Parzellennummer zu kennen, um mehr über die Geschichte und den gegenwärtigen Status der Liegenschaft zu erfahren und mittels der Einlagezahl alle Informationen, die die Immobilieneinheit betreffen, zu erhalten. Die Applikation GeoBrowser MapView der Südtiroler Landesverwaltung ist ein probates Hilfsmittel, das die Vorteile der Digitalisierung sehr gut ersichtlich macht. Sicherlich stand nicht die Hilfestellung für Hobbyhistorikern im Vordergrund, aber ohne ihr würde ich für meine siedlungsgeschichtlichen Nachforschungen zehn Mal mehr Zeit brauchen.
Im GeoBrowser MapView stehen vielfältige Daten zur Verfügung. Neben den Daten der Landeskartografie, sind auch Daten der Landesagentur für Umwelt und Klimaschutz, der Landesagentur für Bevölkerungsschutz, des Landesamts für Geologie und Baustoffprüfung, der Landesabteilungen Denkmalpflege, Forstwirtschaft, Landwirtschaft, Straßendienst, Mobilität, Grundbuch und Kataster, des Landesinstituts für Statistik (ASTAT), des Landesamts für Industrie und Gruben und auch des Südtiroler Gemeindenverbandes. (Landesverwaltung 2024)
Von jedem mit dem Internet verbundenem Computer kann darauf zugegriffen werden, die einzelnen Schichten können aktiviert werden, wodurch der Informationsfluss nochmal intensiviert wird und zeitliche Vergleiche z.B. möglich werden. Man kann in den Karten Abstände und sogar Umfänge und Flächen von unregelmäßigen Polygonen berechnen lassen. Die Verwendung bedarf keiner Registrierung und Anmeldung, einzig der Zugriff auf die Katastermappe von 1858 setzt einen SPID-Zuganges voraus (warum gerade dies entzieht sich meiner Kenntnis).
Alles, was mit den Grundstücken und Gebäuden vor der Eröffnung des Grundbuches (am Ritten 1907) passiert ist, ist hingen in der Vergängerinstitution, den Verfachbüchern zu finden. Dort wurden alle Verträge registriert, also “verfacht”. Sie liegen im Landesarchiv auf und können dort konsultiert werden. Sich in den Verfachbüchern auskennen und daraus Informnationen zu beziehen gehört dann schon zur der mir verwehrten Königsklasse in der Recherche.
Für die wertvolle Hilfe und die Geduld möchte ich Hr. Wolfgang Winkler vom Grundbuchamt Bozen herzlich danken.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
Der Hinweis auf die Sonnenuhr war der endgültige Beweis, dass Hans von Hoffensthal in seinem Roman Marion Flora (1914) mit Luisl’s Vaterhaus die Villa Kinsele gemeint hat.
Zu ihrer Rechten lag das alte Oberbozen hinter den Lärchenhöhen; zunächst den paar Häusern von Maria Schnee, Luisl’s Vaterhaus, neben dem die kleine Kirche hockte, die Höfe vom Doppelbauer und vom Hofer, dieser mit ein paar zausigen Albern, jener mit einer alten Lärche, jeder aber mit einer von moosigem Stroh bedachten Scheune. … „So,“ sie traut ein paar Schritte an die Südseite des Hauses und sah auf den Zeiger der Sonnenuhr, „es ist gegen drei.“
Doch was ist von dieser Sonnenuhr geblieben? Leider nur mehr ein paar unvollstängie bzw, unscharfe Fotos. Um 1890 dürfte sie noch in gutem Zustand gewesen sein, siehe Foto oben. Als etwas später kann man das zweite hier dargestellte Bild datieren, es stellt den mittleren Teil der Sonnenuhr dar, sie scheint noch gut erhalten gewesen zu sein. Es zeigt die Sonne als Frau mit Strahlenkranz, welche der Erde Früchte schenkt. An den vier Ecken sind Sternbilder sichtbar. Die Schrift am unteren Ende – Omne Bonum Ex Sole – bedeutet auf deutsch so viel wie “Alles Gute kommt von der Sonne”.
Auf auf dem Foto unten, das um 1960 entstanden ist, kann man keine Details auch bei starker Vergrößerung erkennen, die Farben erscheinen aber im Vergleich zur ersten Aufnahme etwas weniger stark, wahrscheinlich von Sonne und Wetter schon etwas gebleicht. Interessant, so nebenbei bemerkt, wenn man die Fotos 1 und 3 betrachtet, die Jalousien bzw. Winterfenster, welche in der alten Stube im ersten Stock und nur dort, die Terlen, d.h. die einfachen Fensterläden, ersetzt haben. War das eine Art Probelauf für das ganze Haus oder sollten in diesem Raum spezielle Lichtverhältnisse geschaffen werden?
Zur Zeit des Umbaus 1970 – so erinnere ich mich jedenfalls an die Aussagen meiner Mutter – soll die Sonnenuhr schon in einem erbärmlichen Zustand gewesen sein und die Arbeiten am Haus sollen deren Zustand dermaßen verschlimmert haben, dass eine Renovierung unmöglich war oder keinen Sinn ergeben hätte. Deshalb wurde die Fläche einfach nur weiß gehalten, einzig das Gestänge blieb von der Sonnenuhr übrig.
Natürlich haben wir im Laufe der farblichen Fassadenerneuerung nachschauen lassen, ob sich unter den Farbschichten die alte Sonnenuhr verbirgt, die Suche blieb aber eigenartigerweise komplett erfolglos. Auf diese Art der Zeitmessung wollten wir doch nicht verzichten, das Gestänge ist ja auch über die Jahre erhalten geblieben, weswegen in Absprache mit dem Denkmalamt das Team des Alois Langartner eine ganz einfach gestaltete Uhr malte. in diesem Sinn sollten wir uns den bekannten Satz zu Herzen nehmen: “Mach es wie die Sonnenuhr, zähl die heiteren Stunden nur.”
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
Hoffensthal, Hans von (1914). Marion Flora. Berlin: Fleischel.
Fenster in die Vergangenheit (5)
Category: Renovierung
geschrieben von Armin Kobler | 20. November 2024
Das neue alte Gesicht
Es war nicht von Anfang an geplant, auch die Hausfassade zum jetzigen Zeitpunkt anzufassen, zuerst sollte sich das Bankkonto wieder etwas erholen können. Doch zu groß war die Versuchung und auch zu deutlich der Rat des Planers Franz Kosta, Nägel mit vollständigen Köpfen zu machen. Also beauftragte ich Alois Langgartner vom gleichen Malerbetrieb, der auch immer wieder für Restauratoren arbeitet und schon im Innern der Villa Kinsele seine Fähigkeiten auf vorzüglichste Art und Weise unter Beweis gestellt hat, auch die Außenwände neu zu streichen.
Die Hauptarbeit war – für mich unerwartet – die Fassade von den in den letzten Jahrzehnten aufgebrachten Schichten, bestehend vornehmlich aus den einfach anzubringenden aber wegen ihrer Luftundurchlässigkeit den Putz gefährdenden Dispersionsfarben der letzten Jahrzehnte, schonend zu befreien. Gleichzeitig wurden die das Gebäude umspannenden Bänder und die Fatschen der Fenster auf alte Farbschichten untersucht. Recht eindeutig, durch die Gebietsverantwortliche des Denkmalamtes Marlies Tschisner bestätigt, stieß man auf einen für die Zeit typischen Grauton. Bestärkt wurden dies Funde durch die Deckenbemalung, welche den Hausbeschützer Hl. Donatus und das Gebäude selbst in frühester Zeit darstellt, die Farbgebung ist nämlich die gleiche.
Für uns war diese Farbzusammensetzung natürlich ganz was Neues, waren wir doch aus der Erinnerung und den Fotos – auch den ältesten! – gewohnt, die Ecken, Bänder und Fensterumrahmungen in Farbtönern zu sehen, welche an Erdrot erinnerten. Die großen Flächen wurden hingegen nur gekalcht, was einen natürlichen Gesamteindruck hinterlässt.
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Die acht Bozner Seligkeiten (8)
Category: Menschen
geschrieben von Armin Kobler | 20. November 2024
am Beispiel der Familie Kinsele
“Als achte verlangen die einen genau, Man müsste verwandt sein mit der Frau Von Zallinger oder – wofür ich bin – Verheiratet mit einer Boznerin; Denn dieses war zu jeder Zeit Die höchste Bozner Seligkeit.”
Für eine Boznerin hat es bei den Kinselemännern nicht sogleich gereicht. Franz Sales heiratete eine Brixnerin (Anna Helene v. Stickler), ebenso sein Sohn Joseph (Theresia v. Walther). Dessen Bruder Aloys hat sich mit Anna Vittorelli aus dem bayerischen Öttingen vermählt. Dafür hat es in der dritten Generation ordentlich geklappt: Richard hat mit Erfolg um die Hand der Bozner Bürgermeistertochter Franziska Kapeller angehalten, sein jüngerer Bruder Franz war zuerst mit Aloisia Caldrari aus Bozen vermählt, in der zweiten seiner drei Ehen sogar mit einer v. Zallinger (Rosa), wenn auch nur ganz kurz, verheiratet. In der vierten und letzen Generation im Mannesstamme war die erste Frau des Robert eine Boznerin, und zwar die Cafetierstochter Johanna Gasteiger; aber auch diese verstarb nach nicht einmal einem Jahr Ehe.
Waren aber alle Autoren sich einig über die achte Bozner Seligkeit? Hans von Hoffensthal rückt in seinem Roman “Das dritte Licht” (1911) die Boznerinnen in ein bisschen anderes Licht: “Die Frauen? Bigott, laufen in die Kirche. Die Mädchen laufen auf der Gasse – hoho – man zwinkert ihnen zu, es wären keine üblen Geschöpfe darunter – sie lachen dumm, ja, das können sie, aber etwas Weiteres – Hand davon.”
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
Unterhofer, Beatrix (1996). Hans von Hoffensthal: ein Leben in der Sommerfrische. Bozen: Edition Raetia.
Sandstein
Category: Renovierung
geschrieben von Armin Kobler | 20. November 2024
Aus diesem Gestein besteht ein großer Teil des Rittner Gebirgsstockes. Demzufolge war es bis zum Bau der Straße und in der Folge der Verbreitung des Porphyrs das dominante Material auf den Baustellen. Zumeist blassrötlich, aber auch manchmal mit leicht gelblichen oder gar grauen Tönen charakterisiert der Rittner Sandstein innen und außen die historischen Gebäude. Auch rund um die Villa Kinsele waren – in meiner Erinnerung quadratische – Sandsteinpatten verlegt. Leider wurden sie vor über fünfzig Jahren durch bruchstückartige graue Porphyplatten ersetzt.
Im Rahmen der Restaurierungsarbeiten war es mir wichtig, dieses prägende Element des Außenbereichs wieder herzustellen. Ein unerwartet schwieriges Unterfangen, wie sich herausstellen sollte, da alle Sandsteinbrüche Südtirols zur Zeit wegen verfallener Abbaukonzessionen geschlossen sind. Restbestände waren nur in ungenügender Menge vorhanden. Nachfragen bei allen einschlägigen Händlern in Südtirol erbrachten diesbezüglich nur negative Antworten. Es blieb uns also nichts anderes übrig, als mit Hilfe des Internets nach passendem Sandstein auch außerhalb Südtirols zu suchen. In die engere Wahl kam ein Sandstein aus der Toskana, einer aus der Gegend von Heidelberg und einer aus Schlesien. Nachdem wir die uns zugeschickten Muster vor Ort mit der vorhandenen Bandbreite an Originalen verglichen haben, entschieden wir uns für letzteren. Natürlich wäre es uns lieber gewesen, etwas vor Ort zu finden. Aber schlussendlich war Schlesien aus Tiroler Sicht zur Zeit der Erbauung der Villa Kinsele auch noch nicht Ausland!
Was ist übrigens Sandstein genau? Wikipedia sagt: “Sandstein ist ein klastisches Sedimentgestein mit einem Anteil von mindestens 50 % Sandkörnern, …. Die Sandkörner bestehen aus verschiedenen Mineralen, meistens jedoch aus Quarz.” “Die Farbe von Sandstein kann, genauso wie die von Sand, variieren, übliche Farben sind grau (ohne Beimengungen – wie zum Beispiel Ruhrsandstein aus Hohensyburg), gelb (durch enthaltenes Limonit – Ibbenbürener Sandstein), braun, rot (durch Hämatit – wie bei rotem Wesersandstein) und weiß (wie bei grau, nur ist die Oberflächenreflexion eine andere – Beispiel Rackwitzer Sandstein). Grün ist unter anderem der früher südlich des westfälischen Soest abgebaute Grünsandstein; der heute bei Anröchte abgebaute glaukonithaltige Kalksandstein fällt hingegen etwas dunkler aus als der seit dem Mittelalter verwendete Grünsandstein.”
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Fotos: W. Stabler
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen
Nur ein Paar Terlen, wie die Fensterbalken bzw. Fensterläden bei uns genannt werden, haben gefehlt, alle anderen haben am Dachboden über 50 Jahre auf die Wiederverwendung geharrt. Welch ein Glück, auf diesen Bestand wieder zurückgreifen zu können! Sie waren zudem fast alle noch recht gut erhalten, aber wider Erwarten beidseitig rot. Auf den ältesten Fotografien sind sie noch nach lokalem Muster weiß und rot gestrichen, auf einer Abbildung, welche aus den 50ern stammen dürften, sind sie nur mehr einfärbig. Die Tischler Walter und Max Alber haben etwas Farbe entfernt und die Originabemalung wieder entdeckt. Dieses Muster dient uns als weitere Vorlage.
Wenn wir die folgenden historischen Fotos vergleichen, dürfen wir nicht vergessen, dass ab dem Tode Franz Kinseles das Haus einen Niedergang erfahren musste, zeitweilig vermietet und auch nach dem Besitzwechsel 1943 nicht mehr von den Eigentümern bewohnt wurde.
Nach Wochen des geduldigen Restaurierens und des sorgsamen, die Maserung des Holzes bewahrenden Streichens – nicht Spritzens! – konnten die Terlen wieder, wenn auch nur für ein paar Tage, probeweise eingehängt werden. Jetzt kann man sich recht gut vorstellen, wie das Haus am Ende aussehen wird. Um sie nicht bei der Restaurierung der Fassade einer fast sicheren Verschmutzung auszusetzen, wurden sie zwischenzeitlich wieder ausgehängt und am Dachboden deponiert. Dort werden sie aber hoffentlich nur ein paar Wochen verbleiben, nicht mehr 50 Jahre!
Im folgenden ein paar Bilder von der Restaurierung und Montage (Foto: Walter und Max Alber):
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Fenster in die Vergangenheit (3)
Category: Renovierung
geschrieben von Armin Kobler | 20. November 2024
“In dem zweyten Stok aber ain Stuben…”
… heißt es in den Schätzungsberichten, welche 1778 im Zuge des Konkurses Joseph Andre Lanners angefertigt wurden. Und sowohl für Walter Alber wie Markus Pescoller – in vorigen Beiträgen habe ich diese vorgestellt – stammt diese Täfelung aus jener Zeit. An der Art der Holzverkleidung kann man den Charakter des Hauses festmachen: Brustgetäfel und die Aussparungen bei dei Tür- und Fensterleibungen zeigen, dass es sich seinerzeit um ein herrschaftliches Haus mit Sommernutzung handelte, die thermische Isolierung stand deshalb nicht im Vordergrund. Ein besonderes Merkmal unserer Täfelung sind die elegant geschnitzten Röschen im oberen Bereich. Laut Walter Alber, der viele Stuben besonders in Oberbozen aber auch außerhalb inzwischen gesehen und auch restauriert hat, ein Unikum.
Als meine Eltern 1970/71 das Haus an ihre Bedürfnisse anpassten und es einer umfassenden Modernisierung unterzogen, wählten sie diesen Raum als ihr Schlafzimmer aus. Das Holz der Täfelungen war ihnen aber zuviel des Guten, die hölzerne Decke genügte ihren Vorstellungen. Auch der Holzboden wurde unsichtbar gemacht in dem er – ganz dem herrschenden Zeitgeist gemäß – mit einem Teppichboden überzogen wurde.
Ob aus Bequemlichkeitsgründen – der Stiegenaufgang ist gleich daneben – oder in weiser Voraussicht, ich weiß es nicht, das Getäfel wurde jedenfalls nach der wenig zimperlich erfolgten Demontage nicht verkauft oder gar entsorgt, sondern in einer Dachbodenecke für über 50 Jahre gelagert.
Nachdem der Tischler in der Folge einer Beschau den doch relativ guten Zustand der Materialien bestätigt hat, stellte sich uns die Frage, ob wir sie wieder einbauen oder doch den Wohnvorstellungen der 70er-Jahre Visibilität geben wollen.
Letztere Epoche hat dokumentarisch betrachtet genauso ihr Recht auf Sichtbarkeit, auch wenn wir heute (und morgen?) den Umgang der damaligen Zeit mit der historischen Bausubstanz überwiegend problematisch sehen. Der finanzielle Einsatz ist verständlicherweise beträchtlich und doch haben wir uns für die Restaurierung und den Wiedereinbau der alten Täfelung entschieden. Sie hat das Alter des Hauses, was schon an sich beeindruckend ist, besitzt besondere Eigenheiten und gibt den Raum was Besonderes. Ich denke, dass die getroffene Entscheidung stimmig ist und die Vorteile überwiegen.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
“… und zum siebten hab’ Man – dieser Punkt ist weniger klar – Nur einmal jedes halbe Jahr Die Wäsche, weil man Gott sei Dank, Sie reichlich hat in Truh’ und Schrank.”
So detailliert die verschiedenen vorliegenden Vermächtnisse und Inventarlisten auch den jeweiligen Eigentumsstand – von den Gebäuden bis hinunter zu Weinkellergeschirr und einzelnen Löffeln und Tellern – darstellten, Hinweise auf Gewand und Wäsche fehlen komplett. Deshalb kann nur angenommen werden, dass zumindest die Kinseles der ersten, sehr wohlhabenden Generationen sicherlich kein Problem hatten, so viel Wäsche zu besitzen, dass sie nicht öfter als zwei Mal im Jahr Waschgänge organisieren mussten.
Ist so die Villa Kinsele entstanden?
Category: Hausgeschichte,Renovierung
geschrieben von Armin Kobler | 20. November 2024
Die ältesten Verträge bringen Licht ins Dunkel
Richard Niedermair aus St. Lorenzen, der mich bei den Recherchen tatkräftig unterstützt, hat im Verfachbuch des seinerzeit für Oberbozen zuständigen Gerichts Stein am Ritten einen wichtigen Kaufvertrag gefunden und transkribiert. Die Inhalte beanworten gleich mehrere Fragen: Seit wann gibt es am Standort der heutigen Villa Kinsele eine Sommerfrischbehausung? Wem gehörte sie? Welchen Hintergrund haben einige bisher unerklärlich gebliebenen Funde? Warum ist sie am Oberhofer angebaut und nicht wie fast alle anderen Sommerfrischhäuser aus der Zeit freistehend?
Im Verfachbuch Stein am Ritten 1726, folio 570, ist der Kauf zwischen “Herr Andreen Laners aus Bozen und Mathias Prackhwieser Oberhofer und seiner Ehewirtin [Ursula] Lintnerin” festgehalten. Der Eigentümerwechsel betrifft “… Oberpozen die daselbs bei d behausung nit Unlengsten hiezue Erpauten zwo Camern sambt all d ybrigen Umb- unnd Ingepeyen, Item kheller, Kichele, dillen re Stallele und dgleichen und zwar Specialiter alles ds Jenige was Unter den Obdach sollichen Neu Gepey sich befindet, wie auch ain darbey ligendes Stuckh Ertreich khreitle garthen.“
D.h., in der heutigen Sprache ausgedrückt, Andre Lanner kauft von den Oberhofer-Eheleuten 1726 ein vor kurzem angebautes Gebäude. Es ist laut der Beschreibung aber kleiner als die spätere Villa, wie sie Franz Sales Kinsele 1779 ersteigern wird. Ich nehme an, dass dieses “Neu Gepey” nur den Teil ostwärts vom heutigen Gang beinhaltet hat. In dieser Form hat das Haus den Ansprüchen Lanners nicht genügt, er hat es in der Folge – wann wissen wir (noch) nicht – Richtung Westen erweitert.
Was begründet diese Hypothese? Als der Wandschrank unter der Stiege für die Restaurierung ausgebaut wurde, kam unerwartet ein zugemauertes Fenster, auf dem Grundriss “1”, zutage. Diese Mauer begrenzte also ursprünglich das Gebäude nach Außen. Warum die Küchentüre (2) über eine Oberlichte verfügt, war uns auch ein Rätsel. Das Ablösen der Farbanstriche darauf war dann aber aufschlussreich: man konnte jetzt ehemalige Aussparungen an den horizontalen Teilen des Rahmens erkennen. Da waren Eisengitter befestigt, das war einmal Teil einer Außentür!
Damit dem Wandschrank (3) in der Speis mit seinen original Barockdekormalerei die doch intensiven Maurerarbeiten gut übersteht, wurde auch er zu Beginn vorsichtshalber ausgebaut. Dahinter kam ein Holzträger zum Vorschein, der auf ein früheres Fenster hindeutet. Tatsächlich war das Oberhofergebäude früher schmäler, ein Fenster dort zu haben war durchaus möglich und sinnvoll.
Bis zuletzt verstanden wir auch nicht wirklich, warum in der Kammer im oberen Stock (4) die Bodenbretter nicht eine durchgehende Länge aufweisen, sondern an der Ostseite über die ganze Wandlänge verlängert wurden. Walter Alber hat sogleich einen ehemaligen Stiegenaufgang vermutet. Aber wofür soll es einen zweiten gebraucht haben? Für einen getrennten Dienstbotenaufgang z.B. war das Haus doch zu wenig herrschaftlich. Also doch keine Treppe? Jetzt wissen wir es, dort verlief im Ursprungsgebäude die Stiege, welche das Obergeschoss erschlossen hat. Recht breit war sie nicht, vielleicht war sie auch nur aus Holz.
Mit dem Zimmerer Urban Pechlaner haben wir uns letztlich den Dachstuhl ein wenig genauer angeschaut. Er hat dort aber keinen Hinweis auf eine Hauserweiterung vorgefunden. Er meint, dass das Dach des ersten Gebäudes wahrscheinlich anders ausgerichtet war und der Dachstuhl deshalb im Laufe der Vergrößerungsarbeiten gänzlich erneuert wurde.
Was uns jetzt noch fehlt, ist das Jahr der Hauserweiterung, die dem Gebäude die heutige, charakterisierende L-Form gegeben hat. Sie muss gemäß der Aktenlage zwischen 1726 und 1779 erfolgt sein, wobei ich mutmaße, dass sie bald einmal nach dem Erwerb des Oberhofer-Nebengebäude stattgefunden haben muss. Warum dies? Weil in der 1778 anlässlich des Konkurses durchgeführten Schätzung Klüfte in den Mauern und Wassereintritt durch schadhaftes Dach als wertmindernd verzeichnet wurden. Dies lässt doch ein bestimmtes Mindestalter vermuten.
Jedenfalls wurde mit diesem Aktenfund und seiner Auswertung ein großer Schritt nach vorne hinsichtlich der Baugeschichte gemacht. Ob das zweite Sommerfrischhaus im Verbund einen ähnlichen Ursprung aufzuweisen hat? Wir werden zusammen versuchen auch dies zu ergründen.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen
Transkription: Richard Niedermair (1778, June 22). Lanner Konkurs 1779 (Merc. Mag. Signatur: 3.280 Fasz 32).
Die Fensteröffner
Category: Renovierung
geschrieben von Armin Kobler | 20. November 2024
Im Laufe der Renovierung werden so einige Fenster in die Vergangenheit sichtbar. Wo es geht, werden sie aufgemacht, bei den Öffnungen, wo dies nicht möglich ist, soll sinngemäß dafür zumindest ein Guckloch die verschiedenen Stilepochen dokumentieren. Damit dieses ambitionierte Vorhaben auch möglichst vollständig erreicht wird, haben Architekt Franz Kosta und ich kompetente Fachleute an unserer Seite: Die Firma Schweigkofler hat, wie schon mehrmals berichtet, zuerst einmal die baulichen Grundlagen geschaffen. Für die folgenden Arbeiten am Werkstoff Holz (Stubentäfelungen, Wandschränke, Türen und Terlen, Böden) wurden Walter Alber und sein Sohn Max engagiert, die Mal- und Gipsarbeiten hat hingegen Alois Langgartner übernommen. Für die abschließende Renovierung der Holzdeckenmalereien wurde der Betrieb des Markus Pescoller gefragt. Schon bei den Besprechungen dabei zu sein, ist für mich immer sehr aufschlussreich, geht es doch dabei nie um eine rein fachliche Expertise sondern werden die Überlegungen dazu in einem geschichtlichen Kontext diskutiert.
Die acht Bozner Seligkeiten (6)
Category: Menschen
geschrieben von Armin Kobler | 20. November 2024
am Beispiel der Familie Kinsele
“… Und sintemal Ein jeder dieses Jammertal Verlassen muss zu seiner Zeit Und nach der Bozner Seligkeit Zur ewigen wird eingeladen, Ist sechstens unter den Arkaden Am Friedhof ein Familiengrab Vonnöten, …”
Ausdauer, die bei Bedarf in Hartnäckigkeit übergeht, ein bestimmter Grad an Detailversessenheit und natürlich eine ordentliche Portion Fortune braucht man, um bei Nachforschungen dieser Art erfolgreich zu sein. Meine Anfrage an die Friedhofsverwaltung der Gemeinde Bozen, ob sich im städtischen Friedhof Oberau noch Gräber von Kinseles befinden, blieb nämlich unbeantwortet und zu wissen, dass nach der Auflassung des Pfarrfriedhofs im Zentrum der Stadt keine Familienmitglieder in Bozen selbst mehr verschieden sind, weshalb eine Übersiedelung auf den neuen städtischen Friedhof in Oberau sehr unwahrscheinlich war, ließ die Hoffnung auf das Auffinden von Grabstätten stark schwinden.
Dass es aber zumindest ein stattliches Grabmal gegeben haben muss, war ich mir ob des wirtschaftlichen und sozialen Standes der Familie von Anfang an sicher. Bestätigt wurde ich in dieser Überzeugung später, als mir als Netzfund “Die heimische Bildhauerfamilie Reinalter” und darin die Abbildung des Denkmals Josef von Kinseles mit der Ortsangabe Pfarrfriedhof Bozen untergekommen ist. Einer glücklichen Fügung ist es dann zu verdanken, dass ich in dem hinsichtlich der Bozner Geschichte sehr aufschlussreichen Buch “Bozner Obstplatz” von Günter Rauch auf Seite 42 nicht nur ein Detail des obgenannten Werkes abgebildet fand, sondern auch Gries und nicht mehr Bozen als Standort angegeben war. Die Rückfrage beim Buchautor, der das Foto zudem selbst gemacht hat, bestätigte den Ort. Nach einer kurzen Suche am Friedhof um der alten Grieser Pfarrkirche fand ich dann endlich an der Nordmauer das Grabmal, und konnte es mit einem nicht unerheblichen Grad an Genugtuung – dies sei mir gegönnt – bestaunen.
Anfänglich hatte ich vermutet, in der Rainalter-Publikation sei fälschlicherweise der Ort Bozen angegeben worden und Gries als Standort ließe sich damit erklären, dass der Kinsels’sche Egghof (“… zu Eckberg”) sich in Fagen/Gries befindet. Inzwischen zweifle ich die Richtigigkeit der Standortangabe nicht mehr an, sondern vermute stark, dass auf Betreiben der letzten – zudem kinderlosen – Kinseles in Bozen, Fanny und Anton, das Denkmal durch die Versetzung nach Gries vor der voraussichtlichen Zerstörung im Laufe der Auflassung des Pfarrfriedhofes Bozen bewahrt werden sollte. Die generellen Aussagen in “Wege zu den Friedhöfen und Grabstätten” der Gemeinde Bozen unterstützen mich darin.
Anton Rainalter (1788-1851) war seinerzeit einer der gefragtesten Bildhauer in Tirol, besonders im südlicheren Teil desselben. Sein weniger bekannter, von Schluderns nach Bozen gezogener Vater Andreas hat mit der Bildhauerei begonnen, der Sohn lernte den Beruf bei ihm und für ein paar Jahre auch an den Akademieen der Bildenden Künste in München und Wien, konnte aber auf Grund von finanziellen Engpässen die Ausbildung nicht zu Ende bringen. Trotzdem war er sehr beliebt und schuf neben einigen weltlichen Skulpturen auch über 50 Grabdenkmäler, welche sich die vermögenden Bozner Familien unter den Arkaden des Pfarrfriedhofes aufstellen ließen.
Hinsichtlich des Kinsels’schen Grabmals lasse ich den Enkel Rainhard Rainalter zu Wort kommen:
Wie man sieht, waren die Kinseles nachweislich nicht erst seit Richard Kinsele (Mitglied der “Erste freiwillige akademischen Tiroler Schützenkompanie in Wien”, ich berichtete) freisinnig eingestellt. Über das Verhältnis der Familie zur Religion werden demnächst auf diesen Seiten Beobachtungen und Betrachtungen behandelt werden.
Trotz der Wertschätzung, welche er als Künstler zeitlebens genoss, wurde Anton Rainalter nach dem Ableben zunächst wenig Anerkennung zuteil, ihn selbst wollte man nämlich nicht mit einem Grabdenkmal unter den Arkaden würdigen. Das wollten nicht alle so hinnehmen, weswegen wenig später ein Gedicht von anonymer Hand im “Bozner Wochenblatt” veröffentlich wurde:
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen
Rabanser, Hansjörg (2019). Andreas Alois Dipauli und das elterliche Grabdenkmal in der Pfarrkirche von Aldein. In: Wissenschaftliches Jahrbuch der Tiroler Landesmuseen, 12, 129–149.
Redaktion (1851, January 15). Rainalters Manen. In: Bozner Wochenblatt, p. 2.
Nicht gekennzeichnete Fotos sind vom Blogautor.
Maria Schnee
Category: Oberbozen
geschrieben von Armin Kobler | 20. November 2024
Ein kräftiger Schneefall hat Ende Februar Oberbozen wieder in eine tiefweiße Winterlandschaft verwandelt.
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Die acht Bozner Seligkeiten (5)
Category: Bozen
geschrieben von Armin Kobler | 20. November 2024
am Beispiel der Familie Kinsele
“Dazu als Ergänzung im weltlichen Sinne Hat fünftens man eine Loge inne.”
Ein Jahrhundert lang hatten die Bozner ihr Theater am Musterplatz, im Gebäudekomplex des 1759 entstandenen luxuriösen Gasthofes Kaiserkrone, bekannt auch als Palais Pock, nach dessen Erbauer. Ich zitiere Franco Laitempergher (1978):
“Dann ist die Hotelresidenz im Besitz von Stefan Landsmann, der sie 1804 während der Belagerung [falsch übersetzt, sollte Besetzung heißen] des Landes durch die bayrischen und französichen Truppen unter Napoleon um 23.500 Gulden verkauft u.z. an eine Gesellschaft mit 47 Mitgliedern, die zu den reichsten Familien der Stadt gehören; diese Gesellschaft hat die Absicht, im Garten des Hotels ein Theater zu bauen. Die Arbeiten am Theater (heute Upim) beginnen im Februar 1804 und sind im August 1805 abgeschlossen. Das Projekt des Theaters stammt von Andrea Caminada aus Rovereto, die Szene von Carlo Ederle, die Fresken von Domenico Zeni. Das Theater hat 800 Plätze. Es besteht aus einem Parkett, einer doppelten Reihe von Logen mit insgesamt 33 und einer Galerie. Die meisten Logen sind den Mitgliedern vorbehalten. Die Zentralloge gebührt den angesehenen Persönlichkeiten und der Merkantilmagistrat kauft eine Doppelloge um 1100 Gulden. Die Theatersaison wird im September 1805 mit der Oper «Pamela nubile» eröffnet.”
Hinsichtlich des Theaters mussten die Kinsele von fürwahr tiefster Glückseligkeit erfüllt gewesen sein. Schon in der Verlassenschaft des Franz Sales Kinsele 1812 wird eine Loge weitergegeben, Joseph und Aloys Kinsele erben von ihrem Vater jeweils “Die Hälfte aus der hiesigen Theater Actie und Loge oder 450 fl.” Aloys Kinsele hinterlässt widerum: “Eine einfache Loge im Stadttheater zu Bozen mit Nr. 28 bezeichnet.” und “Die Loge Nr. 6 im hiesigen Stadttheater, welche Herr Josef von Kinsele erbsweise übenahm.”
Bis zur letzten Kinselegeneration bleiben Familienmitglieder dem alten Theater verbunden; Anton Kinsele scheint als einer der verbliebenen Logenbesitzer auf, als das Theater in der Kaiserkrone 1904 aus Brandschutzgründen schließen muss. Franco Laitempergher (1978) weiter:
“1907 werden die 17 Logeninhaber entschädigt, unter denen der Bankier Sigismund Schwarz, Georg von Eyerl, Franz von Kofler, die Witwe des Architekten Bittner, von dem der Entwurf der Herz-Jesu-Kirche in der Rauschertorgasse stammt, Doktor Streiter, Anton Kinsele, Luise Zallinger von Walther, die Familie Thaler, Carli, Mumelter.” “1929 verkauft die Witwe von Lamberto Ressi, Gräfin Elvira Bonasi, die Räume des Theaters an die Gesellschaft «Cinema Centrale» und im südlichen Teil des Komplexes auf der Seite der Poststraße wird die «Rinascente» untergebracht.”
Damit erlischt aber nicht die Überzeugung der Kinsele für das Theater. Obwohl die Familie nur mehr einen Bruchteil des früheren Vermögens besitzt, scheint der Name Kinsele in der Liste der unterstützenden Familien auf, als für das neu im Bahnhofspark zu errichtende Stadttheater Geldmittel gesammelt werden. Dieses großzügig bemessene, der jüngeren Stadtentwicklung angemessene Gebäude wird von 1913 bis 1918 erbaut und leider schon 1943 durch die Bomben des zweiten Weltkrieges fast gänzlich zerstört. Nach 1945 wurden die Ruinen vollständig abgebrochen, heute errinnert nichts mehr an den von Max Littmann geplanten Theaterbau.
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Die Entdeckung der umfangreichen, teilweise perfekt konservierten Decken- und der weniger gut erhaltenen, aber trotzdem beeindruckenden Wandmalereien im Musikzimmer war wohl die sichtbarste Überraschung der Hausrenovierung.
Inzwischen können wir auch die Gestaltungen zeitlich ordnen: die barocken Deckenmalereien stammen aus der Frühphase des Gebäudes, die Wände waren weiß gekalkt. In einem zweiten Moment erhielten die Deckenbretter und -Balken am Übergang zu den Wänden dicke, ockerfarbenen Umrandungen, wie ich sie auch in anderen Oberbozner Häusern schon gesehen habe. Gegen 1850 dürften die weißen Pflafonds eingezogen worden sein, ab dann wurden die Wände im Wohnzimmer mit Hilfe von Schablonen mehrmals à la mode verschieden farbig gestaltet. 1898 bekamen dann die beiden Räume im Erdgeschoss jeweils ein Brust- und Vollgetäfel, die Schablonenmalerei verschwand hinter Holz unten und weißer Farbe oben. So fand meine Familie das Haus 1969 vor. Niemand wusste vom dem verborgenen Prunk.
Natürlich wollten wir die das Haus so charakterisierende barocke Pracht sichtbar lassen, aber auf die uns lieb gewordenen Holztäfelungen – wenn sie auch jüngerem Datums und vom Historismus inspiriert waren – nicht verzichten, bieten sie doch besonders bei ganzjähriger Bewohnung eine unübertroffene Behaglichkeit. Ein paar glückliche Umstände haben uns bei der Entscheidungsfindung sehr geholfen: im vorderen Wohnzimmer, genau dort, wo die Deckenmalereien am vollständigsten erhalten sind, war ein Brustgetäfel eingebaut, d.h. zwischen der sehr farbigen Decke und dem naturbelassenen Holz der Täfelung befinden sich ca. 80 cm weiße Wand, was das Nebeneinander dieser sehr verschiedenenen Gestaltungen ermöglicht.
Im hinteren Raum reicht die Täfelung hingegen bis an die Decke, da hätte diese Anordnung nicht funktioniert, die sehr unterschiedlichen Stile wären direkt aufeinander getroffen. Dort war aber die Hälfte der Deckenmalerei auch nicht mehr erhalten, da sie ein Opfer des Badeinbaus im Obergeschoss vor 50 Jahren wurde. Deshalb fiel es uns dort weniger schwer, nach längeren Überlegungen und im Einklang mit den denkmalpflergerischen Prinzipien, wieder einen weißen Plafond, als schlussendlich sauberste Lösung, einzuziehen. Das Bildwerk bleibt dabei natürlich unversehrt. Der Hl. Antonius wird halt nicht mehr direkt auf uns herabblicken; wer übrigens der zweite Heilige im Raum war, werden wir leider nie erfahren.
Im “Großen Zimmer”, so wurde in den Inventarlisten aus dem vorvorigen Jahrundert der westliche Raum im Obergeschoss genannt, haben wir ja Fragmente einer früher an jeder der vier Wände befindlichen Wandmalerei entdeckt. An der Decke sind zudem die Spuren von Stuckaturelementen ersichtlich. Dort, wo sich der am besten erhaltene Teil des Bildwerks befindet, wurde dieses schonend restauriert und – natürlich als solches sichtbar! – vervollständigt.
Die acht Bozner Seligkeiten (4)
Category: Menschen
geschrieben von Armin Kobler | 20. November 2024
am Beispiel der Familie Kinsele
“Sei viertens jedem ein Kirchenstuhl eigen.”
Ob die Kinsele einen eigenen, als solchen erkennbaren Kirchenstuhl – sicher in der Dompfarrkirche Maria Himmelfahrt in Bozen gemeint! – besaßen, kann ich nicht bestätigen, in diese Richtung habe ich noch keine Untersuchungen angestrengt, es ist aber anzunehmen. Dass es Ähnliches in der Oberbozner Pfarrkirche, ebenfalls Maria Himmelfahrt geweiht, überhaupt gegeben hat oder wie regelmäßig in der an die Villa Kinsele angrenzenden kleine Kirche Maria Schnee damals Messen gelesen wurden, entzieht sich ebenfalls meinem Wissen.
Als 1779 Franz Sales Kinsele das Oberbozner Sommerfrischhaus aus der Konkursmasse des Andre Lanner ersteigerte, waren die barocken Deckenmalereien mit den mindestens neun, die Deckenbemalung dominierenden Heiligenmedaillons sehr wahrscheinlich schon vorhanden. Eine eventuell tief gelebte, für die Zeit typische Frömmigkeit dürfte spätestens zur Mitte des 19. Jahrhunderts in der Familie Kinsele merklich abgeschwächt worden sein. Ab 1830 verbreitete sich nämlich selbst im erzkatholischen Tirol mit seiner fast gänzlich agrarisch geprägten Bevölkerung der Liberalismus, wenn auch auf die zahlenmäßig überschaubaren Kreise des aufstrebenden Bürgertums und der weltlichen Intellektuellen beschränkt.
Nachdem die Kinsele aufgehört hatten, Kaufleute zu sein, verlegten sie ihre Aktivität auf akademische Berufe. Spätestens an den Universitäten, wo die männlichen Nachkommen hautpsächlich Recht, aber auch Medizin und Pharmazie studierten, kamen sie mit dieser dort vorherrschenden Geistesströmung intensiv in Kontakt.
Richard Kinsele erlebte das prägende Revolutionsjahr 1848 in der Reichshaupt- und Residenzstadt und folgte der “Ersten freiwillige akademischen Tiroler Schützenkompanie in Wien” des Adolf Pichler an die Südgrenze Tirols. Sein jüngerer Bruder Josef studierte im Kriegsjahr 1866 in Innsbruck, als ihn der Ruf der ad hoc zusammengestellten studentischen Scharfschützenkompanie ereilte, welche ebenfalls in Welschtirol operierte. Maximilian und sein Bruder Robert waren Mitglieder der schlagenden Verbindung Rhaetia in Innsbruck und bekannterweise kann man studentische Burschenschaften durchaus als die Wiegen des freiheitlichen, großdeutschen Denkens definieren. Ihr Cousin Anton schlussendlich war auch bei der Rhaetia und ein bekennender, politisch aktiver Deutschnationaler.
Der Liberalismus trug in Österreich nie so antiklerikale Züge wie die freisinnigen Geistesströmungen in Deutschland oder gar in Italien. Die angestrebte vollständige Religionsfreiheit hinsichtlich Glaubensrichtung und auch -Intensität brachte aber bei deren Anhängern in jedem Fall eine Abkehr von strenger, unreflektierter Frömmigkeit mit sich.
Deshalb wage ich folgende Vermutung zu äußern: Der Grund, warum wahrscheinlich um 1850 die barocken Deckenmalerein im Erdgeschoss durch einen weiß verputzen Zwischenboden vollständig verdeckt wurden, liegt m.E. nicht nur darin, dass man sich modebedingt von der barocken, farblich überschwänglichen Farbenpracht abkehrte. Ich mutmaße, die inzwischen freisinnig gewordenen Eigentümer waren auch der dominierenden Anwesenheit der vielen Heiligen überdrüssig.
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Ja, ein Ende der Arbeiten ist absehbar, der Zustand der Räumlichkeiten nähert sich dem der Bewohnbarkeit. Am deutlichsten wird es in den Küchen und Bädern ersichtlich, sei es in Wohnung Lori wie in der nach Robert benannten (zumindest vorläufig tragen die Wohnungen die Namen der drei letzten Kinselegeschwister Robert, Johanna und Lore).
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Aber auch dort, wo nur die Täfelungen montiert sind, kommt so langsam Wohnlichkeit auf. Und endlich haben wir auch wieder zwei vollständig funktionierende Haustüren. Wie immer gegen Ende, ist der tatsächliche Baufortschritt nicht so augenscheinlich. Die umfangreichen Elektrikerarbeiten – alle drei Wohnungen sollten möglichst selbständig mit Strom, Wärme, Wasser und Internet versorgt werden – sieht man nicht. Das Fehlen der Beleuchtungskörper fällt hingegen schon auf, aber diese sind inzwischen auch schon bestellt. Und die Außengestaltung werden wir ebenfalls zeitnahe angehen.
Sehnsuchtsgipfel Rittnerhorn
Category: Verschiedenes
geschrieben von Armin Kobler | 20. November 2024
Willst Du das Land Tirol mit einem Blick überschauen, so musst du das Rittner Horn besteigen. (Volksweisheit um 1900)
Sicherlich gab es schon – ziemlich wahrscheinlich berittene – Ausflüge der historischen Sommerfrischler auf das Rittner Horn, seit diese in Lengmoos oder dem entfernteren Oberbozen ihre Sommer verbrachten. Aber mit dem Beginn der touristischen Erschließung der Alpen im 19. Jahrhundert wurde das 2.260 m hohe Rittner Horn, das sich eigentlich auf dem Barbianer Gemeindegebiet befindet, immer öfter besucht. Zum einen, weil der Anstieg nicht steil ist und deshalb auch für bergunerfahrene Touristen bewältigbar, zum zweiten weil die dargebotene Rundsicht in alle Himmelsrichtungen ob ihrer Weite fürwahr beeindruckend ist.
Was Wunder, dass schon 1890 der Österrische Touristenclub am Gipfel ein Schutzhaus errichten ließ. Um das Rittner Horn und sein Umland noch attraktiver zu machen, wurde wenig später seine Erschließung mittels einer, dem technischen Stand von damals entsprechenden dampfbetriebener Zahnradbahn angedacht. Besonders die Pilatus- und Achenseebahn (beide 1889) sowie jene auf den Salzburger Schafberg (1893) dienten als Vorbilder.
Tatsächlich wurde die Bahn dann nur bis Klobenstein projektiert und gebaut, anfänglich war die Endstelle sogar in Oberbozen vorgesehen. Die Gründe dafür waren mehrere: zuerst sah man sich nicht drüber hinaus, 20 km Steilstrecke mit Dampf zu betreiben, später, als elektrisch betriebene Lokomotiven ohne Reichweitenbeschränkung zur Verfügung standen, konnte nicht die vollständige Finanzierung gewährleistet werden, besonders weil der anfänglich vorgesehene Saisonsbetrieb keine ausreichende Einnahmen in Aussicht stellte.
Trotzdem war auch das realisierte Bruchstück für die Entwicklung des Rittens bedeutsam. Wenn man sich nur bewusst vor Augen führt, welche Bautätigkeit in Oberbozen ab 1906 begonnen hat. Umwälzungen, welche aber nicht bei allen Gefallen gefunden haben, weswegen stellvertredend an Hans von Hoffensthal und sein “Abschied von Oberbozen” erinnert werden soll. Am Rittner Horn selbst, dem indirekten Auslöser dieser Entwicklungen, hat sich glücklicherweise relativ wenig getan.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
Hoffensthal, Hans von (1989). Abschied von Oberbozen. Bozen: Athesia.
Josef Kinsele, der Wiener
Category: Menschen
geschrieben von Armin Kobler | 20. November 2024
Sekretär der k. k. niederösterreichischen Finanz-Prokuratur
In Wien ist gestern Herr Dr. Josef Kinsele, Sekretär der k.k. niederösterreichischen Finanz-Prokuratur, ein gebürtiger Bozner nach längerem Leiden gestorben. Der Verstorbene hat hier seine Jugend zugebracht, trat aber nach vollendeten Studien bei der Finanzprokuratur in Wien in den Staatsdienst und kam seitdem nur selten in seine Vaterstadt, wo er übrigens in gutem Andenken stand und einen großen Freundeskreis besaß. (Bozner Zeitung vom 17.12.1892)
1845 geboren, war er der jüngste Kinsele der dritten Bozner Generation. Er studierte in Innsbruck Recht und nahm als Mitglied des akademischen Corps Athesia – ähnlich seinem ältesten Bruder Richard – an der Verteidigung der “welschen Confinien” teil. 1866 war wie 1848 die Südgrenze des Reichs bedroht und wiederum mobilisierten sich die für Idealismus und Patriotismus ohnehin empfänglichen Studenten in Freiwilligencorps.
Anlässlich der 40. Wiederkehr des Ereignisses wurde 1906 in drei Folgen genauestens an den Ablauf der Expedition erinnert. Detailreich werden die Bewegungen der studentischen Scharfschützenkompanie rekonstruiert und der Alltag deren Mitglieder in der blumigen Sprache der damaligen Zeit erzählt. Das Corps wurde zur Bewachung bestimmter Örtlichkeiten in Frontnähe eingesetzt und nur einmal gab es kurzen Feindkontakt. Der Ton des Berichtes ist, was nicht überrascht, durchwegs beschönigend gehalten, schwierig zu glauben, dass es nicht viel unangenehmeres anzumerken gab als: das Fleisch der ausgehungerten ungarischen Ochsen war zäh wie Sohlenleder, so dass man von der Menage eigentlich nur die tägliche Reissuppe als Frühstück genießen konnte, während zu Mittag Polenta oder Risotto als Lückenbüßer für ein Mittagessen den knurrenden Magen befriedigen musste.
In der Wiener Votivkirche heiratete Josef Kinsele 1878 Josefine Lenz, verwitwete Richter, welche die Tochter Clementine mitbrachte. Josefine Lenz war die Witwe des Franz Richter, seinens Zeichens Eigentümer des Grinziger Brauhauses. Die Ehe blieb kinderlos. Als Jurist brachte es Josef Kinsele auf der Karriereleiter bis zum Sekretär der Finanzprokuratur, der Titel Finanzrat blieb ihm knapp verwehrt.
In seinem 1884 verfasstem Testament, ist er voll des Lobes für seine Gattin, so u.a.: Meine Wünsche gehen dahin, daß es ihr auf ihrem ferneren Lebenswege so gut gehen möge, als sie mit ihrem gütigen, edelmütigen Herzen, ihrem liebenswürdigen Wesen verdient. Ich sage ihr Dank, tausendfältigen Dank für die Liebe und Zuneigung die sie mir stets gezeigt und werktätig bewiesen für die unzälbaren Beispiele eines unbegrenzten Vertrauens und einer unwandelbaren Sympathie und einer Treue und Beharrlichkeit, die nur der lautersten Tiefen einer echten Frauenseele entsteigen konnten. Noch unzälige herzliche Küsse sende ich ihr und bitte sie ein freundliches Gedenken dem Manne zu bewahren, der sie so unaussprechlich geliebt und der an ihrer Seite so unsäglich glücklich gelebt.
Warum dann diese, welche ihn fünfzehn Jahre überlebte, auf dem üppigen Grabstein (siehe oben) nicht die Geburts- und Sterbedaten einmeißeln ließ, entzieht sich meiner Kenntniss und lässt nur Vermutungen zu. Im Dezember 2023 wollten wir das Grab besuchen, doch wir mussten leider feststellen, durch die Freidhofsverwaltung bestätigt, dass die Ruhestätte inzwischen aufgelassen wurde.
Das uns vorliegende Testament des Dr. Josef Kinsele ist wie so oft, sofern sie von eher vermögenden Personen, die also was zu vererben hatten, ein interessantes Spiegelbild des geltenden Zeitgeschmackes. So scheinen als Maler der an die Bozner Geschwister zu vererbenden Gemäde die Namen Gottfried Seelos, Carl Munsch, Paul Schäffer, Ocker, und Kanzoni auf.
Für die Hausgeschichte der Villa Kinsele ist hingegen die folgende Anweisung sehr wichtig, jetzt wissen wir endlich, von wem sie sind: Die in meiner Verlassenschaft vorfindlichen Jagdtrophäen sollen zwischen meinen Brüdern Richard Kinsele und Franz Kinsele beziehungsweise deren Söhne Anton Kinsele und Max. Kinsele geteilt und, so lange sie andauern in den beiden derzeit Kinseléschen Häusern in Maria Schnee aufbewahrt werden. Sie sind auch danach dort geblieben.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:
R, F. (1906, August 4). Gedenkblatt an den Feldzug 1866 in Welschtirol der “Innsbrucker freiw. akad. Scharfschützenkompanie”. In: Tiroler Volksblatt, pp. 1–3.
R, F. (1906, August 8). Gedenkblatt an den Feldzug 1866 in Welschtirol der “Innsbrucker freiw. akad. Scharfschützenkompanie”. In: Tiroler Volksblatt, pp. 1–2.
R, F. (1906, August 11). Gedenkblatt an den Feldzug 1866 in Welschtirol der “Innsbrucker freiw. akad. Scharfschützenkompanie”. In: Tiroler Volksblatt, pp. 1–2.