In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert erreicht die Ausdehnung der Kinsel’schen Besitzungen in Maria Schnee ihren Höhepunkt: Die Brüder Richard und Franz Kinsele, Söhne von Alois und Enkel von Franz Sales, lösen ihre Geschwister am Eigentum der Villa ab und erweiteren ihren Besitz an dem Platzl vor dem Haus.
Abb. 1: Ex Libris von Anton Kinsele; er liegt auf der Wiese vor dem heute noch bestehenden Pavillon im so genannten Wegerpark. Die Zeichnung stammt von seiner Cousine Eleonore (Lore) Kinsele. 1920 trennen er und seine Schwester sich von diesem Besitz.
1866 ersteigert Richard Kinsele das angebaute, ältere Sommerfrischhaus von Maria Schnee (wir heißen es immer noch Wegerhaus) und verkauft 1873 an den Bruder Franz seinen Anteil an der Villa Kinsele. Aus dieser Zeit dürfte auch die Tür stammen, welche die beiden Villen direkt verband und wir, inzwischen zugemauert, vorgefunden haben. Das Sommerrefugium, dessen Eigentümer vormals die Familien Menz, Grätzl und Kofler waren, vererbt Richard an seine beiden Kinder Anton und Franziska (Fanny). Diese, beide kinderlos, verkaufen es 1920 an die Familie Weger. Eine weitere Erweiterung erfährt die Villa Kinsele 1880, als Franz auch die untere Wiese samt Gemüsegarten erwirbt. Wann die obere Wiese dazukam, weiß ich noch nicht, 1866 scheint sie noch dem Doppelbauern gehört zu haben, siehe Hinweis in Abbildung 2.
Abb. 2: Versteigerungsedikt, veröffentlicht in der “Bozner Zeitung” vom 6.6.1866. Diese Verlautbahrung ist schon deshalb siedlungshistorisch wertvoll, weil man dadurch u.a. erfährt, wer zu diesem Zeitpunkt Eigentümer der angrenzenden Liegenschaften war.
In den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts, als der Anschluss des Rittens an das Verkehrsnetz immer wahrscheinlicher wurde, ließ Franz Kinsele das Haus durch den Einbau von Täfelungen und eines Kachelofens ganzjährig bewohnbar machen (ich berichtete hier). Spätestens zu diesem Zeitpunkt verschwanden die barocken Deckenmalereien in drei Räumen unter Holz und Mörtel. Nach seinem Tod im Jänner 1908 erbte sein Sohn Robert das Haus, seine Stiefmutter Aloisia von Rehorovszky hatte jedoch laut Testament ein lebenslanges Fruchtgenussrecht. Als sie 1941 starb, hatte sie ihren Stiefsohn bereits um zwei Jahre überlebt. Der Besitz ging durch Erbschaft auf die beiden Halbschwestern Johanna und Eleonore über, die aber schon seit Jahren im inzwischen von Südtirol abgetrennten Österreich lebten. Sie sahen wegen der großen Entfernung keine Verwendung mehr dafür bzw. konnten sich die Erhaltung des Gebäudes nicht leisten, weshalb sie die Villa Kinsele und die angrenzenden Grundstücke 1943 für 260.000 Lire an meine Großtante verkauften.
Abb. 3: Annonce in den “Bozner Nachrichten” vom 31.1. und 7.2.1915.
Die Familie muss in der Zwischenkriegszeit deutlich ärmer geworden sein, obwohl Robert Kinsele ein angesehener Arzt war. Nur so lassen sich die zahlreichen Hypotheken – in Summe für 55.000 Lire – erklären, die zum Zeitpunkt des Verkaufs auf dem Haus lasteten. Erste Anzeichen von Geldnot sind aber schon früher zu vermuten, denn spätestens 1915 wurde die gesamte Villa Kinsele zur Miete angeboten (Abb. 3).
Abb 4: Auszug aus dem Grundbuch mit den Hypothekarbeslastungen und dem Eintrag der Tilgung durch die Käuferin.
Die Vermietung des Hauses und die damit einhergehende Vernachlässigung der Erhaltung ist sicherlich als negative Entwicklung zu bewerten. Aber gerade dadurch kam die Villa Kinsele mit dem großen Weltgeschehen in Verbindung. In den nächsten Folgen werden wir sehen wie und warum. Es bleibt spannend oder, besser gesagt, es wird spannender.
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