Robert Kinsele als Fotograf

In einem Brief an seine Halbschwester Eleonore gibt Robert Kinsele umfangreiche Tips für das Entwickeln von Filmen und dem Vergrößern. Deshalb ist nicht ausgeschlossen, dass zumindest einige Fotos aus dem uns verfügbarem Nachlass von ihm stammen. Dass er das Fotografieren auf hohem Niveau beherrscht haben muss, bezeugt die Tatsache, dass er mit anderen Fotografen am Bildband “Südtirol”, herausgegeben und eingeleitet von Josef Julius Schätz (Verlag F. Bruckmann AG, München 1928), mitgearbeitet hat. Interessiert daran, ob Robert bei diesem Werk eventuell auch Bilder vom Ritten beigesteuert hat, habe ich das Werk im Buchantiquariat käuflich erstanden. Drei Bilder von ihm wurden darin publiziert, keines aber von Oberbozen:


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Bemerkenswert ist die Einleitung. Sie ist mit einem Pathos geschrieben, der uns heute total fremd geworden ist. Deshalb möchte ich sie euch nicht vorenthalten.

Südtirol, Südtirol! Klingt es nicht wie von Bergen und von Burgen, von greisem erkerigem Häuserwerk und kühlem Laubengang, von meistersingerhafter Bürgerbehäbigkeit und Zunft und Innungsbrauch, von Glockenchor und schwerem pontifikalem Glanze. — Südtirol! Klingt es nicht wie Wappenschild und Minnegesang, wie der Widerschein der Humpen, voll vom Gefunkel edlen Weins, welchen Virgilius und Strabo so hoch gelobt, welchen Kaiser Augustus so gerne getrunken hat, der die durstigen Schlünde der Bajuvaren kühlte, da sie als wanderndes Volk mit Weib und Kind fröhlichen Einzug im Paradies des Etschlandes hielten. — Südtirol! Klingt es nicht wie die Erfüllung jeglicher Bergsehnsucht — von den hohen Gletschereinsamkeiten bis zu der über alles irdische Maß hinausgeworfenen Dämonie der Dolomiten, die Tag um Tag wie die Tore des Morgens erglühen…
Ein seltsames Land! Ein Land, Schönheit zeugend, Schönheit spendend, die Schönheit selbst. Wo ist ein anderes, das auf so kleinem Raume eine solche Mannigfaltigkeit des Klimas und der Flora und einen so bunten Wechsel der landschaftlichen Bilder aufweist wie Südtirol. Hier scheint die Sonne inniger, hier wachsen Mandel und Feige, Rosen und Kastanien, Korn und Wein. Hier prangen wundersaın vereinigt Tannen und Zypressen. Ewiges Eis leuchtet nieder zu den göttlichen Gärten. In geheimnisvollen Seen spiegeln sich die wildesten Wunder des Steins, hohe Felsenbauten, tausendfach zerzackt, zerzinnt, und von den Blitzen des Himmels zerspellt.
Doch noch anderes gilt es zu verstehen. Hier ist der Bauer von Adel und altem Geblüt, hier dokumentierte zu allen Zeiten ein traditionenstolzes Bürgertum Kultur, Kunstsinn und Wohlhabenheit. Für den, dessen Verhältnis zu allen Künsten, also auch der Architektur, sich wesentlich vom Geist und von der Seele aus orientiert, hat das Bild der Südtiroler Stadt seinen besonderen Rang. Diese ehrwürdigen Gassen, voll von Turmfenstern, Treppengiebeln, Lauben, Erkern, Pfeilern und Hallen, die so erhaben über die Rationalisierungsdürre unserer Zeitanschauung stehen, sind sie nicht bauliche Zeugen einer großen Vergangenheit, vom gleichen Geiste geprägt wie Hall, wie Rattenberg und Rothenburg, wie Alt-Nürnberg und Alt-Frankfurt – klein von Umfang, aber mit weiter geistiger Schau. Aus solchen Stätten stillschaffenden geistigen Menschentums kam viel Kultur. O, wir sollten die Schönheit dieser Städtchen bewundernd genießen, wir sollten in seliger Sammlung dieses Mittelaltermärchen durchschreiten, wo uns immer und überall das Gefühl umfängt: Hier ist die Heimat, wir sind daheim. Wir sollten Gipfel um Gipfel dieses Landes besteigen, um hundertmal den Anblick einer Landschaft von einzigartiger Schönheit genießen.
Die Bilder dieses Buches werden uns viel von dem uns stammverwandten Lande erzählen, von dem Lande, das in unserem Herzen fortlebt. Allen Mitarbeitern, die das Werk durch ihre Kunst und durch ihr Wissen mit aller liebevollen Bereitwilligkeit gefördert haben, sei hier innig gedankt.

JOS. JUL. SCHÄTZ

Die 200 Seiten des Bildbandes betrachten ist eine Reise in die Vergangenheit. Besonders wenn man die Fotos genauer anschaut, welche die besiedelten Talschaften betreffen, merkt man, was sich in den vergangenen hundert Jahren, speziell nach dem zweiten Weltkrieg, getan hat. Rein was die Schönheit betrifft, ist diese nicht mehr die Gleiche.
Ein paar Beispielbilder anderer Fotografen:


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Einer im Vergleich nüchterneren Sprache bedient sich der Bozner Maler und Dichter Hubert Mumelter:

Südtirol

Gott trug den Namen in die Schönheit hinein:
Verheißung denen, die der Sonne warten,
ein ew’ger Traum von blauen Frühlingsfahrten
tief in der Sehnsucht Land hinein.

Da leuchtest du, du holdes Ostertal
und winkst mit deiner Hügel weißem Blühen;
hoch über abendlichen Burgen glühen
die Berge, ein betörendes Fanal.

Groß ist dein Sommer, wolkenlos und klar,
und wölbt sich heiter goldnem Herbst entgegen;
die Reben reifen süß in seinem Segen
und leuchtend ruhst du im vollbrachten Jahr.

Und still verklärt gehst du zum Winter ein,
träumst tief in dich in diesen braunen Tagen
und hörst entzückt dein frühes Herz schon schlagen,
denn Gott trug dich in seinen Frühling ein.

In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:

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Schätz, Josef Julius (1928). Südtirol (2. Auflage). München: Bruckmann AG.
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Wikipedia-Autoren (2022, May 28). Hubert Mumelter.
Retrieved November 30, 2023, from https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Hubert_Mumelter&oldid=223243420




Der Kreis beginnt sich zu schließen

Ausschnitt aus einer Mitteilung von Evi Pechlaner, Südtiroler Landesarchiv:

Der „Ahnherr“ der Bozner Familie Kinsele war Franz Sales Kinsele, der der Sohn eines aus dem Vinschgau zugewanderten Bäckermeisters war und nach einer Ausbildung zum Kaufmann eine äußerst erfolgreiche Karriere startete. Er erlangte 1771 das Bozner Bürgerrecht und war zeitweise Geschäftsführer, später Teilhaber des erfolgreichen Bozner Handelshauses Georg Anton Menz. Er war mit Helene Stickler von Gassenfeld verehelicht. Schon 1784 wurde Kinsele ein Wappenbrief verliehen, einige Jahre später gründete er eine eigene Großhandlung. Sein Sohn Josef Kinsele erlangte 1839 die Erhebung in den Adelsstand mit dem Prädikat „von Eckberg“.



Danke besonders der Mithilfe von Frau Evi Pechlaner aus dem Landesarchiv, aber auch auf Grund der Daten aus Hall (Alexander Zanesco) habe ich einen vorläufigen Stammbaum erstellen können. Der zukünftig hoffentlich wieder ermöglichte Einblick in die Pfarrmatrikeln ist für seine Vervollständigung notwendig. Ich weiß z.B. noch nicht, wer die Mutter von Johanna Kinsele ist. Zudem fehlt hier noch der Josef, welcher in Grinzing bei Wien begraben ist, auch wenn ich mir denken könnte, er müsste – rein vom Sterbejahr her betrachtet – ein Sohn des Joseph oder, wegen des Fehlens des Adelstitels aber eher, des Alois gewesen sein.

Auszug aus dem Geburtenregister.

Interessant, dass Robert 1913, also mit 42 Jahren, vom ungarischen Staatsbürger Josef Strausz adoptiert wurde. Zu welchem Zweck? jedenfalls könnte diese Beziehung das Vorhandensein von ungarischen Schriftstücken erklären.

Die nächsten Schritte zielen in drei Richtungen:
1. Vervollständigung des Stammbaums
2. Auf der Basis von diesem Klärung der Eigentumsabfolgen der Villa Kinsele
3. Suche nach Nachkommen und, sofern erfolgreich, Kontaktaufnahme mit diesen.

Unterster Eintrag: 1822 Heirat Aloys Kinsele und Anna Vittorelli. Quelle: Südtiroler Landesarchiv.

In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:

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Zanesco, Alexander (2021). Schriftliche Mitteilung.
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Pechlaner, Evi (2021). Schriftliche Mitteilung.
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Transkription: Evi Pechlaner (1871). Taufregister Pfarre Bozen Robert Kinsele.
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Transkription: Evi Pechlaner (1822). Trauungsregister Pfarre Bozen Aloys Kinsele und Anna Vittorelli.




Der Ritten in alten Bildern

In der sprichwörtlichen alten Kartonschachtel haben wir diese Bilder gefunden. Wer ist der Autor? Von den Sujets her sollte die alte agrarische Welt, welche schon der radikalen Veränderung geweiht war, noch einmal mit dem Augen des Städters festgehalten werden. Sollten alle einer Serie zugehörig sein, dann stammt diese aus den Jahren nach 1907, Warum dies? Auf einem Bild ist nämlich die Trasse der Rittnerbahn ersichtlich. War die Photografin Eleonore Kinsele? Oder doch ihr Bruder Robert? in einem Brief erklärt er ihr Methoden der Entwicklung und Vergrößerung, welche laut ihm in den diesbezüglichen Kursen zu oberflächlich erklärt werden.

Auf ein paar Bilder kann ich gewisse Orte am Ritten erkennen, bei weitem aber nicht auf allen. Deshalb habe ich sie dem Rittner Heimatkundler Klaus Demar geschickt, welcher sie in nächster Zeit den verschiedenen Örtlichkeiten und Hofstellen zuordnen wird. Er ist übrigens der Mitautor eines umfangreichen Buches über die Rittnerbahn.


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Sammlung A. Kobler




Exlibris

Gefunden bei Heinz Neumair.

Wieder ein schöner Netzfund von der gefühlten 50. Google-Ergebnisseite. Man beachte unten links die Signatur LoreK. Anton Kinsele dürfte der Cousin von Eleonore gewesen sein (“Base”, “Vetter” im Brief). Er war ein Bozner Anwalt, war in Sozietät mit Julius Perathoner, dem letzten gewählten Bürgermeister Bozens vor der Machtübernahme der Faschisten. Genauso wie dieser war auch Anton deutschnational und im Gemeinderat tätig. Er war sehr rührig, denn man findet sein Engagement in mehreren Bereichen u.a. auch als Vorstandsmitglied des historischen Bozner Baumwollspinnwerks an der Talfer. Er war zudem Erstunterzeichner eines mutigen Protestschreibens Bozner Bürger, welche damit gegen die Errichtung des Siegesdenkmals – ohne Erfolg – protestierten.



Der Brief an Eleonore ist eher pessimistisch, er spiegelt die schwierigen Umstände der zwanziger Jahre wider aber auch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten Eleonores und die Niedergeschlagenheit ihres Bruders Robert .

Das Exlibris zeigt übrigens den Gartenpavillon des Wegerhauses. Ein Indiz, dass damals auch dieser Garten zur Villa Kinsele gehört hat?

In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen:

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(1925, 13). Brief Anton Kinsele an Eleonore Kinsele.
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Anonym (1910). Eleonore Kinsele in vorderer Stube [Fotografie].




Womit alles begann

Grundbuchsauzug, übersetzt aus dem Original.

Der erste Anhaltspunkt für die Recherchen sind diese Grundbuchsauszüge und der Kaufvertrag von 1943, welche ich in den Hausunterlagen meines Vaters gefunden habe. Alles ins Italienische übersetzt, Deutsch ist als Amtssprache nicht mehr gültig. Es fällt auf, dass das Haus im Laufe der Jahre immer wieder mit Hypotheken belastet wurde.

Grundbuchsauzug, übersetzt aus dem Original.

Dieser Eintrag lässt mich darauf schließen, dass Luise von Rehorovszky die Frau von Robert Kinsele gewesen sein könnte. Nach ihrem Ableben dürfte das Haus in das Eigentum von Johanna Kinsele, Medizinalratsgattin in Linz, und Eleonore Kinsele, Private in Solbald Hall, übergegangen sein, denn diese scheinen im teilweise zweisprachigen Kaufvertrag auf. Franz Kinsele ist also ihr Vater. Geburtsdaten fehlen aber.

Ausschnitt aus dem Kaufvertrag.

Am 25. Juli 1943 ist Mussolini gestürzt worden, am 3. September schloss sein Nachfolger Badoglio den Waffenstillstand mit den Alliierten, am 9. September besetzten deutsche Truppen Italien. Am 13. August, als der Kaufvertrag mit meiner Großtante Antonie von Menz, geborene Sanin abgeschlossen wurde, erkannte man darin von diesem Umsturz noch nichts. König Viktor Emanuel war noch Kaiser von Äthiopien und auch die Rassengesetze waren noch gültig; es wird erklärt, dass alle Vertragspartner der arischen Rasse angehören.

Ausschnitt aus dem Kaufvertrag.
Ausschnitt aus dem Kaufvertrag.

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(1909). Eintragung Übergabe Eigentum Robert Kinsele Villa Kinsele, Auszug in italienischer Sprache. Grundbuch Gerichtsbezirk Bozen.
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(1943). Kaufvertrag Villa Kinsele durch Antonie von Menz.