Der Fund des Jahres!

Diese Ansichtskarte (Abb. 1) konnte ich online zum Ausrufepreis ersteigern, niemand sonst aus Sammlerkreisen hat sich nach über einem Monat, wo sie ausgestellt war, dafür interessiert. Jetzt bin ich überglücklich, denn seit Beginn meiner Recherchen war da so ein großer, weißer Fleck in der bildlichen Darstellung der Siedlungsgeschichte von Maria Schnee.

Abb. 1: Das Zentrum von Maria Schnee in Oberbozen, dargestellt auf einer ungereisten Ansichtskarte aus dem Verlag J.F. Amonn, welche den Stempel “Hôtel Oberbozen am Ritten bei Bozen, Tirol, 1200 m. ü. d. M.” trägt.

Schon bald hatte ich bei den Nachforschungen zum Ortsteil Maria Schnee herausbekommen, dass der Unter- wie der Oberhofer ihre Stadel mitten im späteren Dorfzentrum hatten. Die Inhalte des Grundbuchs und die Mappen des Franziszeische Kataster (Abb. 2) bezeugten dies eindeutig.

Abb. 2: Ausschnitt aus der Franziszeischen Katastermappe von 1858. Die schwarzen Pfeile zeigen auf die Wirtschaftsgebäude der beiden Höfe. Zur Orientierung: Die blau gezeichnete Parzelle 3201 rechts oben stellt den bis in die 2000er Jahre existierenden Dorfweiher dar, der Wegeverlauf ist identisch zu heute und das dunkelrot dargestellte Gebäude ganz links ist die Maria-Schnee-Kirche.
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Höhepunkt und Niedergang der Villa Kinsele

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert erreicht die Ausdehnung der Kinsel’schen Besitzungen in Maria Schnee ihren Höhepunkt: Die Brüder Richard und Franz Kinsele, Söhne von Alois und Enkel von Franz Sales, lösen ihre Geschwister am Eigentum der Villa ab und erweiteren ihren Besitz an dem Platzl vor dem Haus.

Abb. 1: Ex Libris von Anton Kinsele; er liegt auf der Wiese vor dem heute noch bestehenden Pavillon im so genannten Wegerpark. Die Zeichnung stammt von seiner Cousine Eleonore (Lore) Kinsele. 1920 trennen er und seine Schwester sich von diesem Besitz.

1866 ersteigert Richard Kinsele das angebaute, ältere Sommerfrischhaus von Maria Schnee (wir heißen es immer noch Wegerhaus) und verkauft 1873 an den Bruder Franz seinen Anteil an der Villa Kinsele. Aus dieser Zeit dürfte auch die Tür stammen, welche die beiden Villen direkt verband und wir, inzwischen zugemauert, vorgefunden haben. Das Sommerrefugium, dessen Eigentümer vormals die Familien Menz, Grätzl und Kofler waren, vererbt Richard an seine beiden Kinder Anton und Franziska (Fanny). Diese, beide kinderlos, verkaufen es 1920 an die Familie Weger. Eine weitere Erweiterung erfährt die Villa Kinsele 1880, als Franz auch die untere Wiese samt Gemüsegarten erwirbt. Wann die obere Wiese dazukam, weiß ich noch nicht, 1866 scheint sie noch dem Doppelbauern gehört zu haben, siehe Hinweis in Abbildung 2.

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Oberhofer, Unterhofer, Doppelbauer (2)

Bäuerliche Strukturen im Wandel

Wie ich bereits in einem früheren Beitrag angedeutet habe, hat die Erschließung des Rittner Hochplateaus durch die Zahnradbahn große bauliche Veränderungen ausgelöst. Sie wären noch viel tiefgreifender gewesen, wenn nicht der Erste Weltkrieg und seine politischen Folgen den Bautätigkeiten eine unerwartete Unterbrechung, die fast bis zur Fertigstellung der Straße im Jahre 1971 dauerte, beschert hätten.

Um das Gebiet vor allem um Maria Schnee und Klobenstein baulich zu erschließen, wurde in Bozen noch während des Bahnbaues der “Oberbozner Grund- und Bauverein” als Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet (Abb.1). Für den heutigen Leser besonders interessant: Einige Mitgesellschafter waren gleichzeitig Bozner Kommunalpolitiker, allen voran Bürgermeister Julius Perathoner, die den Bahnbau voller Überzeugung politisch forcierten. Heute wäre eine solche Konstellation völlig unmöglich, die Verquickung von öffentlichen und privaten Interessen zu vordergründig. In den Zeitungen, auch in jenen, die das Wirken des freiheitlichen Bürgermeisters kritisch verfolgten, wurde dies aber nicht thematisiert. Ob nun die Gesellschaft gegründet wurde, um die Bebauung nicht nach dem Gutdünken einzelner Bauherren, sondern gemäß raumplanerisch sinnvollen Grundsätzen durchzuführen, oder ob doch wirtschaftliche Interessen im Vordergrund standen, oder ob es sich gar um den glücklichen Fall einer Win-Win-Situation handelte, lässt sich zum aktuellen Zeitpunkt nicht sagen. Sicher ist aber, dass die Bedeutung dieser Gesellschaft für den Ritten noch nicht historisch aufgearbeitet wurde und auch ihre nicht realisierten Pläne, soweit sie noch vorhanden sind, harren noch der Entdeckung. Fest steht auch – das Grundbuch spricht eine eindeutige Sprache – dass der Oberbozner Grund- und Bauverein als unangefochtener Platzhirsch auftrat. Einzig Edmund Zallinger, Grieser Kurdirektor und auch wie die vorigen genannten eifriger Bahnpromotor, war immobilienmäßig in Oberbozen tätig, aber auf einer kleineren Fläche zwischen St. Magdalena und Maria Schnee.

Abb. 1: Bozner Nachrichten vom 20. Dezember 1906.
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Oberhofer, Unterhofer, Doppelbauer (1)

Unter Blinden ist der Einäugige König

Als ich vor nunmehr vier Jahren mit meinen hobbymäßigen Nachforschungen begann, hoffte ich sehr, auf die Aussagen älterer, besser informierter Personen zurückgreifen zu können. Für die Geschichte des Weilers Maria Schnee haben sich mir aber bisher leider keine wertvollen Gewährsleute zur Verfügung gestellt. Die von mir vorgestellten bisherigen Ergebnisse sind daher im Wesentlichen nur das Ergebnis von Recherchen in den digitalisierten Zeitungs- und Bucharchiven der Tessmann-Bibliothek sowie in den Sammlungen historischer Fotos und Ansichtskarten und natürlich im Kataster- und Grundbuch. In Gesprächen mit Einheimischen äußerten diese oft ihr Erstaunen ob meiner sicherlich nicht herausragenden Erkenntnisse, während mich ihr geringes Interesse an der Ortsgeschichte ebenso verblüffte wie enttäuschte. Wie so oft gilt auch hier: „Unter Blinden ist der Einäugige König“.

Abb. 1: Die drei zentralen Höfe des Weilers Maria Schnee um 1858 (Geobrowser Südtirol, Franziszeischer Kataster 1858, übermalt durch den Autor).

Es ist durchaus plausibel, dass das Mittelgebirge des Rittner Berges schon früh landwirtschaftlich besiedelt war, eignen sich doch die relativ flachen Hänge und die klimatisch günstige Höhenlage sehr gut für den Anbau verschiedener landwirtschaftlicher Kulturen. Insofern dürften auch die drei – ich nenne sie vorerst so – „Urhöfe“ rund um die spätere Maria-Schnee-Kirche schon lange vor der Errichtung der beiden Sommerfrischehäuser bestanden haben. Wie aber sahen diese drei Höfe mit den zum Teil vergessenen Namen (ich berichtete hier zum ersten Mal darüber) früher aus? Der Franziszeische Kataster von 1858, eine überaus wertvolle Quelle, ergänzt durch das Grundbuch von 1908, zeigt uns den Zustand vor den großen Umwälzungen durch den Zahnradbahnbau (Abb. 1).

Wie in Abb. 1 zu sehen ist, war die heutige Villa Barbara das Wohnhaus des Oberhofers, sein Stall/Stadel befand sich etwa dort, wo heute die Familie Holzner ihr „Patschengele“ betreibt. Leider habe ich bis heute kein bildliches Dokument von ihm gefunden. Das heutige Gasthaus „Babsi“ war hingegen ein zweites, damals etwas kleineres Wirtschaftsgebäude desselben Hofes.

Abb. 2: Rechts ein Teil des Oberhofer-Wohngebäudes. Das rustikale Erscheinungsbild des Bauernhauses im Vergleich zur herrschaftlichen Sommerresidenz wird besonders durch die Dacheindeckung und den Bretterzaun deutlich. (Gugler, Fotografie um 1900). Klicken Sie wie immer auf das Bild, um die Ansicht zu vergrößern.
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Hofer, Oberhofer, Unterhofer, Doppelbauer?

Der Versuch, die Höfe endlich eindeutig zu bestimmen.

Auszug aus dem Franziszeischer Kataster um 1860.

Auch wenn die Villa Kinsele im Mitttelpunkt der Häusergeschichte bleibt, ist es naheliegend, auch die Geschichte der umgebenden Gebäude etwas zu beleuchten. Besonders, wenn unser Sommerfrischhaus mit diesen zusammengebaut ist. Vielleicht finden wir noch den Grund heraus, warum hier – anders als in Oberbozen sonst üblich – zwei Sommerfrischhäuser an ein nachweislich älteres Bauernhaus angebaut sind; vielleicht bleibt es aber auch ein Geheimnis. Von den drei Höfen, welche den Kern Maria Schnees bilden, hat nur mehr einer eine zudem teilweise landwirtschaftliche Funktion. Einer wurde in ein Hotel umgewandelt und einer in Wohnungen, später zusätzlich zu einem Gasthaus umgebaut.

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